[123] Ein altes Sprichwort sagt: »Was der Mensch ißt, das ist er.« Fast mit demselben Rechte könnte man sagen: »Wie der Mensch ißt, so ist er.« Die Art und Weise des Essens und des Benehmens bei Tisch ist neben anderem in den meisten Fällen auch ein Gradmesser dafür, ob einer schlecht oder gut erzogen sei, ob er Lebensart besitze oder nicht, und das Essen ist für den Menschen, besonders für junge Leute, die beste Gelegenheit, sich von der vorteilhaftesten Seite zu zeigen, weil ihnen bei Tisch, besonders in Privatzirkeln, die größte Aufmerksamkeit geschenkt wird. Die Art und Weise, wie einer ißt, wie er sich gegen seine Tischnachbarn benimmt, läßt auf den Stand seiner Bildung einen Schluß ziehen, der selten trügen wird. Ob jemand rasch oder langsam ob gierig oder bescheiden ißt, immer wird daraus hervorgehen, ob und inwieweit die Seele den Leib beherrscht, oder aber, ob die sinnlichen Triebe des Leibes die Herrschaft über die Seele haben. Die Frage, wie man sich bei den Mahlzeiten zu benehmen habe, ist daher sehr wichtig Gilt im allgemeinen die Regel, daß man sich bezüglich des Benehmens bei Tisch Leute zum Muster nimmt, von denen man weiß, daß sie gediegene Bildung besitzen, den Umgang mit ihnen aufsuche,[123] sie genau beobachte, ihr Benehmen förmlich studiere, so sind doch auch gewisse feste Regeln aufgestellt, die man kennen und an die man sich halten muß, will man als wohlerzogener Mensch gelten. Diese Regeln seien im folgenden kurz angeführt.

Quelle:
Vogt, Franz: Anstandsbüchlein für das Volk. Donauwörth [1894] [Nachdruck Donauwörth 21987], S. 123-124.
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