8. Die Frau hat die Pflicht, schön zu sein

[39] Wir haben an einer früheren Stelle das Wort geprägt: Die Frau darf eitel, der Mann soll gepflegt sein. Schönheit der Frau ist ohne ein bißchen Eitelkeit kaum vorstellbar. Und auch etwas Kunst, die der Erhöhung der Reize dienen soll, wollen wir den Frauen gern zubilligen. Vielleicht leiten die Frauen ihr Recht dazu von dem Gesang der Gärtnerinnen im ersten Akt Goethes Faust ab:


»Denn das Naturell der Frauen

ist so nah mit Kunst verwandt.«


Man könnte annehmen, daß das Vorrecht der Frau, in vielen bunten Farben schön zu sein, den Gesetzen der Natur widerspricht, denn bei den Tieren ist's bekanntlich umgekehrt. Schillernd in tausend Farben steht der stolze Pfau der schlichten Pfauin gegenüber, im Hühnerhof schreitet der würdige Hahn mit seinem bunten Gefieder durch den Harem seiner bescheidenen Hennen, und der buntstrahlende Fink macht doch einen viel imposanteren und farbenfroheren Eindruck als seine einfache Gattin. – Untersuchungen darüber anzustellen, wollen wir uns bei unsern Betrachtungen sparen, zumal das Bestreben der Frau, recht schön und anziehend zu sein, so alt ist, wie die Menschheit selbst.

Daß Eitelkeit und Mode der Frau schon im grauesten Altertum eine große Rolle gespielt haben, lehren uns verschiedene Funde aus jener Zeit. So zeigt uns die Ausgrabung einer weiblichen Mumie, die in der Umgebung von Lima (Peru) gemacht wurde, daß schon die Mädel in der Inkazeit, die etwa dreitausend Jahre zurückliegt, sehr eitel waren. Die kostbar aber auch geschmackvoll gekleidete Mumie ist mit reichem Schmuck wertvoller Edelsteine behangen. Und wer denkt, daß die Mittel zur Schönheitspflege der Frau allein Dinge der Gegenwart sind, muß sich von dieser Dame, die vor drei Jahrtausenden bewundert wurde, eines besseren belehren lassen. Man fand nämlich neben der Mumie so allerlei niedliche Dinge, beispielsweise eine Pinzette, mit der sich die Schöne vermutlich lästige[39] Härchen ausgezupft haben wird, auch ein zierliches Federmesser, das sie zur Pflege der Fingernägel benutzt haben wird. Neben einer Nagelfeile aus Bronze lag ein kleiner, kunstvoller Taschenspiegel aus Metall. Unsre Mädel und Frauen werden staunen, wenn wir, unter strenger Anlehnung an die wissenschaftliche Forschung, weiter erzählen, daß bei jener Mumie auch ein Lippenstift gefunden wurde. Natürlich nicht so einer, wie ihn heute die Kosmetik im Handel anbietet, aber immerhin etwas, das dem gleichen Zweck gedient haben dürfte. Man fand neben der stolzen Maid eine Mischung von Weinpalmenfrucht und gemahlenem Zinnober in der Schale eines winzig kleinen Kürbis. Daneben steckte in einem Futteral ein Pinselchen mit bronzenem Stiel.

Einen andern, noch älteren Fund zeigt das Archäologische Institut zu Kopenhagen. Es handelt sich um die Mumie eines Mädchens, das vor viertausend Jahren im jetzigen Jütland gelebt hat.

Es wird so viel behauptet, daß es Neuschöpfungen der Mode überhaupt nicht gäbe, daß vielmehr alles schon einmal da gewesen wäre. Dieser Fund belegt diese Behauptung. Jene junge Dame trug nämlich ein kniefreies Sportkostüm und einen sehr kunstvoll hergestellten Jumper mit kurzen Ärmeln.

Schließlich sei noch der Mumie einer Frau Erwähnung getan, die vor drei Jahrtausenden in der südwestarabischen Landschaft Jemen gelebt hat. Hier interessiert uns das Haar und die Haartracht. Das noch gut erhaltene Haar zeigt eine Anordnung, die man heute als Pagenfrisur ansprechen könnte. Ein Kranz zierlicher Locken war auf die Weise hergestellt, daß man rund um den Nacken eine Dauerwelle gelegt hatte.

Wenn Sie also, geschätzte Volksgenossinnen, heute darauf besonders stolz sind, streng modern zu sein, dann übersehen Sie bitte nicht, daß man sich schon vor drei bis vier Jahrtausenden ähnlich wie heute gekleidet, frisiert, geschmückt und geschminkt hat.

Im Wesen der Frau liegt das natürliche und darum berechtigte Bestreben begründet, die ihr von der Natur verliehenen[40] Reize zu möglichst vorteilhafter Geltung zu bringen. Nicht ganz leicht ist es, Reize zur Schau zu stellen, die in Wirklichkeit nicht vorhanden sind, unschwer dagegen, die der Frau von Natur geschenkten Vorzüge zu pflegen und zu heben. Aber so ganz ohne Mühe und kleine Opfer ist auch das nicht möglich. Gelegentliche Nachhilfen und Kniffe haben keine nachhaltige Wirkung. Eine Frau, die immer schön und reizvoll sein will, muß ihren Körper regelmäßig nach bestimmten und bewährten Grundsätzen pflegen.

Auch hinsichtlich der Frauenschönheit könnte man – wenn auch modifiziert – das Wort aus dem Faust gelten lassen:


»Was du ererbt von deinen Vätern hast,

erwirb es, um es zu besitzen.«


Die Frau, die von Natur schön ist, bleibt schön, wenn sie schön bleiben will. Natürlich muß sie immer bestrebt sein, diesen Willen in die Tat umzusetzen. Manchmal kann ein fester Wille sogar das heben, was nur im Verborgenen liegt.


8. Die Frau hat die Pflicht, schön zu sein

Die Methoden der Schönheitspflege sind sehr zahlreich und mannigfaltig. Wir wollen nicht von einzelnen Tricks sprechen, eine augenblickliche Wirkung zu erzielen, sondern darüber plaudern, was die Frau tun kann, Gesundheit, Jugend und Schönheit zu erhalten.

Der Verfasser hatte anläßlich einer besonderen Veranstaltung den Vorzug, eine auffallend schöne, ästhetische und bestgepflegte Frau von Format kennenzulernen. Und diese Frau – Yvonne heißt sie – hat in liebenswürdiger Weise ganz offen über die Methoden ihrer Schönheitspflege geplaudert. Sie sieht darin keine Preisgabe von Geheimnissen und Kniffen, im Gegenteil, ruhig und sachlich spricht sie von allem.

Yvonne, die ebenso klug wie schön ist – was man nebenbei gesagt ziemlich selten findet – sieht zunächst einmal in[41] einer richtigen, naturgemäßen Lebensweise ein ungemein wichtiges Mittel vernünftiger Schönheitspflege. Sie betont, daß von Wert und Gehalt unsrer Nahrung wie ihrer Zubereitung die Beschaffenheit unsres Bluts und von dessen mehr- oder minderwertiger Zusammensetzung wiederum die Reinheit und Makellosigkeit der Haut, die Strahlkraft der Augen, der Glanz und die Üppigkeit der Haare und die Beschaffenheit der Zähne abhänge.

Die schöne Frau wies weiter auf die Notwendigkeit hin, viele Salate und Gemüse – letztere im Dampftopf zubereitet – zu essen. Eine Nahrung, die der lebensnotwendigen Mineralstoffe beraubt sei, führe unbedingt früher oder später zu körperlichen Schädigungen. Einer Frau, deren Haut infolge reichlichen Kochsalzgenusses einen gedunsenen und schlaffen Eindruck mache, würde kein äußeres »Schönheitsmittel« helfen. Yvonne empfiehlt anstatt Kochsalzes, Pfeffer, Senf usw. Pflanzenwürze und Kräutersalze. Auch die Rohkost erklärte sie für ein erstrangiges, inneres Mittel, Schönheit und Jugend zu erhalten.

Der Tag solle nicht mit schweren Speisen begonnen werden, sagt Yvonne. Als ausgezeichnetes Frühstück habe sich das »Bircher-Müesli« erwiesen, das sich überall steigender Beliebtheit erfreut. Weiter empfiehlt die schöne Frau unzerkochten Obstbrei, rohes Sauerkraut, alle Arten rohen Obstes, Obstsäfte und Säfte aus Kräutern.

Ebenso wichtig wie eine naturgemäße Nahrung seien: regelmäßige Ausübung des Sports, Luft- und Sonnenbäder, gewissenhafte Hautpflege und die tägliche Gymnastik in Verbindung mit Tiefatemübungen.

Yvonne betonte, daß die berufstätige Frau ganz besonders auf richtige Körperpflege Wert zu legen habe, da sie meist gezwungen sei, einen großen Teil des Tages in geschlossenen, nicht immer hygienischen Räumen zuzubringen. In der richtigen Ausnutzung der Freizeit liege viel Gesundheit und Schönheit begründet. Sportliche Betätigung, viel Schwimmen und Spazierengehen in frischer Luft, auch Gartenarbeit machten die Frau schöner als hundert teuere Schönheitsmittel aus der Kruke.

Von sachkundiger Seite ist einmal gesagt worden, es gäbe keine schönen und häßlichen, sondern nur gesunde und ungesunde[42] Menschen. Darin liegt gewiß viel Wahrheit, wenn man diese These auch nicht ganz wörtlich zu nehmen braucht.

Zur Schönheitspflege der Frau gehört schließlich auch ein ausgeglichenes Seelenleben. Alle Erregungen, Ärger, Kummer und Sorgen hinterlassen, wenn auch einzeln kaum wahrnehmbar, Merkmale in den Zügen des Gesichts. Eine heitere Stimmung dagegen verleiht Anmut, darum der Rat: Lache viel und singe viel, möglichst schon morgens früh beim Ankleiden. Erheitere dich oft und suche überall Sonnenschein. Du wirst ihn schon finden. Dann bleibst du schön und jung.

Quelle:
Volkland, Alfred: Überall gern gesehen. Mühlhausen i. Thüringen 1941, S. 39-43.
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