Das Diner.

[135] »Gnädige Frau, der Wagen ist da.«

»Gut, sagen Sie es dem Herrn.«

Pause von zehn Minuten. Frau Professor X. in heller Dinertoilette geht wohl eingehüllt auf der Diele auf und ab. Dann und wann streift ihr Blick die große Standuhr. 5 Minuten vor 6 Uhr! Sie haben eine weite Fahrt bis vors Neuthor und werden natürlich wieder zu spät kommen.

»Minna!«

»Gnädige Frau?«

»Gehen Sie hinauf und klopfen Sie an Herrn Professors Thür....«

»Hier bin ich! Du hast wohl lange warten müssen? Entschuldige, liebe Edith.«

Lächelnd reicht Frau Edith ihm den Chapeau claque und die hellen gelblichen Glacéhandschuhe: »Lieber Mann, hast Du auch das nötige Kleingeld, einzelne Mark- und 50-Pfennigstücke bei Dir?« Der Professor überzeugt sich durch einen Griff in die Westentasche, wo er den pflichtschuldigen Obolus, um Verwechslungen[135] vorzubeugen und in der Eile sich nicht zu vergreifen, aufzubewahren pflegt: »Alles in Ordnung!« In Parenthese sei es hier gesagt, daß X.'s den richtigen Grundsatz haben, Trinkgeld nur an Hausbedienstete zu geben.

Minna leuchtet als gewandte Zofe an den Wagen, öffnet den Wagenschlag, hebt der Gnädigen die Schleppe sorgsam auf und legt sie behutsam in den Wagen.

»Potsdamerstraße 16! Kutscher, fahren Sie zu, aber schnell! Es soll Ihr Schaden nicht sein!«

In dem Salon des Geheimrat Y. hat sich die heutige Tischgesellschaft versammelt. Es herrscht jene gedämpft-liebenswürdige, aber noch nicht heitere Stimmung, wie sie zu Beginn der Gesellschaft unter dem Banne der fremden Gesichter, die man eben erst kennen gelernt hat, fast immer anzutreffen ist. Allmählich tritt eine gewisse Schwüle in der Unterhaltung ein.

»Worauf warten wir eigentlich?« scheinen die Augen zu sprechen, wenn auch der Mund sich in artigen Reden ergeht und keine Pause in der Unterhaltung aufkommen läßt, denn das ist man den Wirten ja schuldig. Aber es ist unbegreiflich, daß nicht angefangen wird. Frau Y., die Gastgeberin, bemüht sich. die Unterhaltung über die Entstehung der Ostsee, worüber ihr die Tagesgröße Professor S. eine kleine Privatvorlesung hält, aufrecht zu erhalten, im Geist aber hält sie Umschau in der Küche. »Himmel, der Fisch wird hart, wenn X's nicht bald kommen.«

Es ist bei einer Dinereinladung, wo die Hausfrau eine längere tadellos zu servierende Speisenfolge[136] vorbereitet hat, eine unverantwortliche Unhöflichkeit, zu spät zu kommen. Bei Abendgesellschaften oder Kaffees ist das akademische Viertel wohl erlaubt, ja ein allzu pünktliches Kommen, während womöglich noch die Lichter angezündet werden, gehört nicht zum guten Tone; aber bei einem Mittagessen ist Pünktlichkeit die größte Höflichkeit.

Aber lächelnd trotz aller Sorgen und schwarzen Gedanken geht die Hausfrau auf die eben eintretenden längst Erwarteten zu, die rasch auf sie zutreten, sie mit Händedruck und Verbeugung begrüßend:

»Verzeihen Sie, meine liebe Frau Y., unsere Unpünktlichkeit!«

»Meine gnädige Frau, es thut mir aufrichtig leid, daß Sie auf uns warten mußten.« Der Professor führt die Hand der Hausfrau an die Lippen. Der Hausherr, der in einer ferneren Gruppe festgehalten wurde, tritt herzu. Er hat sich zuerst beim Empfang der Gäste neben seiner Frau aufgehalten, ist den Eintretenden zuerst entgegengegangen und hat die Damen seiner Frau zugeführt.

Ein Aufatmen geht durch die Gesellschaft, das Gespräch wird wieder lebhaft, und jeder freut sich, daß das peinliche Warten endlich vorüber ist. Ob Professors das Aufatmen bemerken? Ob es auf sie Eindruck machen wird, und ob sie ihre nun bald sprichwörtliche Unpünktlichkeit ablegen werden? Hoffen wir's!

In diesem Augenblick werden die Flügelthüren des anstoßenden Zimmers von innen geöffnet. Der Diener tritt auf die Hausfrau zu und sagt: »Gnädige[137] Frau, es ist angerichtet!« Darauf begiebt er sich zum Hausherrn, der sich in diesem Moment in einem der andern Zimmer mit dem Professor X. befindet, und stattet die gleiche Meldung ab. »Herr Geheimrat, es ist angerichtet!« Frau Y. ist froh, daß der dienstbare Geist sich richtig ausgedrückt hat. Hat sie's doch einmal erlebt, daß derselbe unter dem Einfluß einer Lohndienerin sich zu folgender Phrase verstieg: »Darf ich die Herrschaften bitten, sich zu Tisch zu engagieren?« einer Redensart, die, dem Arrangeur einer Tanzgesellschaft abgelauscht, in dieser geschlossenen Gesellschaft unterdrückte Heiterkeit erweckte. Sie schaudert noch, wenn sie sich daran erinnert. Ja, an was eine Hausfrau nicht alles denken muß!

Der berühmte Gelehrte hat der Hausfrau den Arm gereicht; sie läßt aber ihren Gatten mit der alten Exzellenz B. vorangehen, ebenso ein zweites Paar und folgt alsdann. Die Paare haben sich schnell gefunden nach der Parole, die ihnen der Hausherr gegeben: »Herr Professor darf ich Sie bitten, Frau S. zu Tisch führen zu wollen?« worauf der Angeredete sich verneigt. Bei der Meldung, daß serviert sei, bricht jeder Herr das Gespräch, in das er verwickelt war, höflich, aber kurz ab und eilt, sich seiner Dame zur Verfügung zu stellen. Besonders artig ist es, wenn der Herr sich bereits einige Augenblicke vorher der Dame nähert: »Meine gnädigste Frau, ich habe den Vorzug, Sie zu Tisch führen zu dürfen.« Da die Dame ja immer über ihr Schicksal im Unklaren bleibt, so wird ihr diese Orientierung ganz genehm kommen.[138]

Die Gesellschaft hat, unterstützt durch die bescheidenen leisen Hindeutungen des Dieners, den der Hausherr vorher instruiert hat, ihre Plätze gefunden. Bei großen Gesellschaften, wo in mehreren Räumen gespeist wird, hat der Herr sich bereits vorher nach seinem Platz umzusehen, event. bei öffentlichen Bällen ihn rechtzeitig zu belegen.

Frau Professor X. wird von dem Major Z. geführt. Dienstbeflissen schiebt er seiner Dame den Stuhl beim Hinsetzen zurecht, was die kleine Frau dankbar empfindet, da der moderne, schwerfällige Eichenstuhl nicht leicht zu bewegen ist, wenn man in einer Hand die Schleppe, in der andern den Fächer hält.

Frau X. streift die Handschuhe ab und legt sie auf ihren Schoß, nicht etwa, wie manche thun, auf den Tisch oder gar in das Glas.

Es werden Austern gereicht. Frau X. wehrt kopfschüttelnd mit leichter Handbewegung dem Servierenden, ihr den Teller hinzustellen, weil sie keine ißt. Sie hat Muße, während sich alles dem Genuß der Austern hingiebt, einen Blick über die Tafel zu werfen. Die selbe ist in moderner Weise gedeckt, der Tafelschmuck niedrig gehalten. Vor ihrem Couvert steht in hoher Vase ein zierliches Bouquet. Sie möchte zugreifen. Ist es nicht das für sie bestimmte Tischbouquet? Aber nein, sie sieht sich um, keine der andern Damen nimmt es heraus. Richtig, da fällt ihr ein, daß Tischbouquets nicht mehr Mode sind; höchstens bei Brautdiners, die der Bekanntenkreis zu Ehren eines neuen Brautpaars veranstaltet, liegt noch auf jedem[139] Couvert ein erlesen schönes Blumenexemplar und auf dem der Braut ein Strauß von Myrten, rosa Rosen und Orangeblüten.

Ihr Nachbar zur Rechten ist der berühmte Gelehrte. Er widmet sich ganz seiner Nachbarin. Ihr anderer Nachbar verhält sich schweigsam. Schade, aber sie kann doch nicht zuerst anfangen! Das steht unter allen Umständen dem Herrn zu.

»Gnädige Frau sind noch nicht lange hier in D.?« Da endlich! Nun kann sie ihrer Sprechlust, ihrem munteren Naturell nachgeben.

»Erst einige Monate, aber lange genug, um zu erkennen, wie schön die Stadt ist, und wie gut es sich in ihr leben läßt.«

»Gnädige Frau sind sehr gütig, meine alte Vaterstadt so zu loben! Darf ich fragen, woher Sie kommen?«

Und Rede und Gegenrede gestaltet sich zu anmutender Konversation. Die Suppe geht vorüber. ebenso der Eingangsbraten. Da erhebt der Hausherr sein Glas, verbeugt sich sitzen bleibend nach rechts und links und trinkt, verbindlich lächelnd, mit den Augen die Reihe seiner Gäste streifend und jeden grüßend, der Gesellschaft zu. Die Herren ihrerseits ergreifen ihr Glas mit einer dankenden Verneigung gegen den Hausherrn und trinken wiederum ihrer Dame und den ihnen zunächst Sitzenden zu. Die Damen thun das Gleiche, das Zutrinken natürlich nur erwidernd, nicht beginnend. Andern Damen, z.B. der Hausfrau, mögen sie immerhin mit dieser Artigkeit zuvorkommen.[140]

»Gut, daß die Toaste aus der Mode gekommen sind, nicht wahr, gnädige Frau? Dieses Zutrinken ersetzt den Willkommen vollständig. Und was für Qualen stand man aus, wenn der Sprecher stecken blieb oder den Faden verlor!«

»Da bin ich nicht ganz Ihrer Meinung. Ich habe es im Gegenteil immer hübsch gefunden, wenn der Hausherr seine Gäste auch mit Worten feierte, und freue mich, daß der Toast, wenn auch von größeren Diners verbannt, im kleineren Kreise noch an der Tagesordnung ist.«

»Und bei offiziellen Festen ja auch noch, nicht zu vergessen, gnädige Frau.«

»Ja gewiß! Und die Erwiderung durch den vornehmsten Gast, der die Hausfrau oder das gastliche Haus leben läßt, ist sie nicht gewissermaßen der Ausdruck des Dankes der ganzen Gesellschaft und als solcher berechtigt? Nur sollten immer nur solche reden, die es wirklich verstehen, die redegewandt und geübt sind. Gutgemeinte, aber schlecht in Scene gesetzte Toaste können die Stimmung verderben, während hübsche, mit seinen Witzen gewürzte, auf Zeit oder Tagesereignisse scherzhaft anspielende Ansprachen eine schweigsame Tafelrunde mit einem Schlage zu verwandeln vermögen.«1

Dem Fisch folgt die Mittelschüssel, hier eine Pastete. Frau Professor X. lehnt wie vorhin die[141] Austern ab. Auch für den in Gläsern gereichten Wein hat sie nur ein Kopfschütteln, hat doch ihr Nachbar ihr Glas eben erst mit dem auf dem Tische stehenden Weine gefüllt.

Geflügelgang, Gemüse ohne Beilage, Eis folgen nun aufeinander. Das Dessert kommt, Brot, Butter und Käse, Käsestangen, englische Sellerie, Radieschen, und zuletzt werden kandierte Früchte und Bonbons gereicht. Herr M., der Frau X. gegenüber sitzt, hat einen ganzen Haufen Süßigkeiten neben seinem Teller aufgestapelt. Auch ihr Nachbar bemerkt es und meint lächelnd: »Ein glücklicher Vater, dieser Herr, das merkt man!« Herr M. aber, mit tastender linker Hand die Tasche suchend, bringt allmählich alle seine Schätze darin unter, ohne zu merken, wie sein Gebaren, das gegen den guten Ton verstößt, Aufsehen er regt. Ein paar Knallbonbons neben den Fächer zu späterem Mitnehmen zu legen, ist immer erlaubt, nur darf es eben kein Paket werden.

Die Dienerschaft hat die Schalen mit parfümiertem Wasser, in dem eine Citronenscheibe liegt, und in die sich – Spielerei der Mode – auch eine einzige Blüte verirrt hat, vor die Gäste gestellt. Frau X. taucht die Fingerspitzen hinein und trocknet sie an der Serviette ab. Ihr Nachbar taucht ein Ende der Serviette in das Wasser und wischt damit schnell über den Bart.

Die Damen greifen nach ihren Handschuhen und streifen sie über. Das Gespräch verstummt ein wenig. Diese Pause benützt die Hausfrau, um sich mit einer Verbeugung gegen die älteste Dame und einem fragenden »Gestatten Sie, gnädige Frau?«, auf das eine bejahende[142] Verbeugung, natürlich im Sitzen, erfolgt, zu erheben.

Sitzt die zu ehrende Dame so weit ab, daß sie dieselbe nicht anreden kann, so sende sie einen Dienstboten an ihren Gatten. Dieser fragt alsdann seine Tischdame, ob es ihr genehm sei, die Tafel aufzuheben. Den Diener direkt an die betreffende Dame zu senden, ist nicht passend.

Der berühmte Gelehrte reicht Frau Y. den Arm, und sie begiebt sich, diesmal vorangehend, in den Salon.

»Gesegnete Mahlzeit!« Ihr Tischherr verbeugt sich vor ihr und führt die ihm gereichte Hand an die Lippen. Alsdann tritt er zur Seite, um den Gästen, die sich »Gesegnete Mahlzeit!« wünschend zur Hausfrau drängen, Platz zu machen und seinerseits den ihm Bekannteren durch eine Ansprache, den ihm Fernerstehenden durch eine Verbeugung »Gesegnete Mahlzeit!« zu wünschen.

Munter fliegt Rede und Gegenrede. Die Geister des Weines, das Behagen nach einer vorzüglichen Mahlzeit lösen die Zunge und idealisieren den Menschen in den Augen des andern. Darum hüte man sich auch, Versprechungen, Anerbieten, Aufforderungen, die bisher Fremde in der Weinlaune an uns richten, für bare Münze zu nehmen. Es giebt Leute, die am nächsten Morgen gern widerrufen möchten, was sie gesagt haben. Bemühe dich, lieber Leser, daß du nicht zu diesen gezählt werdest!

»Wie schade, Anna,« sagt Käthe Rohn flüsternd[143] zur Frau Professor, die mit dem winzigen, aus einer seltenen Münze gefertigten Kaffeelöffel den Zucker zerrührt, »nun gehen die Herren ins Rauchzimmer und amüsieren sich dort herrlich, und wir Damen...«

»Beruhige Dich, Käthe! Sieh mal, wer bleibt da als liebenswürdiger junger Mann zurück, um sich die Gunst der Damen zu erobern? Denn hoch angerechnet wird es den Herren, wenn sie sich nicht sofort zur Cigarre flüchten. Wer mag das sein? Kennst Du den Herrn?« und neckend tippt sie den Fächer auf Käthes Arm, um alsdann dem herantretenden Ingenieur Herbert auf seine Frage zu erlauben, sich zu ihnen zu setzen.

»Eine für uns grausame Sitte, diese Trennung nach Tisch, gnädige Frau!«

»Finden Sie? Und doch berechtigt, weil die Herren ein freieres Wort reden können, die Damen unter sich bleiben...«

»Ja, und sich langweilen,« platzt Käthe heraus, was ihr einen mißbilligenden Blick von seiten ihrer Freundin und ein Aufleuchten im Blick des Ingenieurs einträgt.

»... und musizieren, erzählen,« vollendet Frau X.

»Meine Herrschaften, wollen wir nicht etwas spielen?« tönt die Stimme der Hausfrau da mitten in die Erzählungen über Dienstbotennot und Kindererziehung. »Ja? Vielleicht hier dies neue Gesellschaftsspiel?« Und von dem Beifall, den dasselbe erregt, angelockt, erscheinen nach und nach die treulosen Ritter wieder, und in munterem[144] Scherz und Spiel vergeht noch eine halbe, nein, eine ganze Stunde.2

Spiele sind ein geselliger Notbehelf. Wenn man nichts zu reden weiß und die Kunst der Unterhaltung einschläft, dann kommt das Spiel an die Reihe. Sein Vorzug besteht darin, daß es die Gesellschaft durcheinander bringt. Es berühren sich Elemente, die sich sonst nicht gesprochen hätten, die Gesellschaft wird bekannter, vertrauter. ungezwungener und dadurch heiterer.

Will man sich bei einem Gesellschaftsspiele amüsieren, so lasse man alle Pedanterie und Uebelnehmerei beiseite. Der gute Ton verlangt, daß wir Verluste oder kleine Mißgesshicke lächelnd tragen, daß wir nach Kräften bemüht sind, zu dem Erfolge des Spieles beizutragen, daß wir alle unsere gute Laune aufbieten, um den Wunsch unserer Wirtin, die Gesellschaft zu unterhalten, unsererseits verwirklichen zu helfen.

Ueberlassen wir unsere Bekannten den verschiedenen Gesellschaftsspielen, und benützen wir den Augenblick bis zum Aufbruch, um uns noch über allerhand auf unser Thema Bezügliches zu informieren. Kommt ein einziger Gast später. so wird nicht auf ihn gewartet, es sei denn, er sei die Hauptperson. Er geht bei seinem Kommen auf die Hausfrau zu, küßt ihr die Hand und entschuldigt sich, nimmt alsdann mit einer Verbeugung gegen seine Nachbarn den ihm reservierten Platz ein[145] und begrüßt erst nach aufgehobener Tafel einzeln die Anwesenden. In kleinem Kreis geht er dagegen zu jedem der Tafelrunde und sagt »guten Abend«.

Vielfach wird heutzutage das Diner mit der Tanzgesellschaft vereinigt. Es wird zum Diner dansant. Zwischen Mahlzeit und Tanzen findet jedoch eine längere »Rauchpause« statt.

Bei beschränkten Räumen pflegen manche die Jugend nur »zum Abend« zu bitten, während das Alter bereits zum Diner anwesend ist. Dieses »Nachbitten zum Tanz« ist nur dann zulässig, wenn es sich auf alle jungen Leute erstreckt. Wird jedoch ein Herr zum Tanzen eingeladen und sieht, daß andere junge Herren in demselben Hause ein gutes Diner vorgesetzt bekommen haben, während er nur das Tanzbein schwingen soll, so kann es ihm niemand verdenken, wenn er dieses Haus künftig meidet.

Doch was sehe ich! Die Herren suchen bereits ihren Hut, der Aufbruch scheint ein allgemeiner zu werden. Der Gatte findet sich zu seiner Frau, und gemeinsam naht das Ehepaar den Gastgebern, um sich zuerst von der Hausfrau, dann von dem Herrn des Hauses dankend zu verabschieden: »Vielen Dank für den schönen Abend!« »Herzlichen Dank für Ihre Gastfreundschaft!« »Besten Dank!« so hallt es ans Ohr der Hausfrau. »Bitte, wir haben zu danken, daß Sie gekommen sind!« ist ihre liebenswürdige Entgegnung.

Bei großen Festen empfiehlt man sich nur dem Gastgeberpaar, eventuell den umstehenden Zeugen dieses Abschieds. In kleineren Gesellschaften verabschiedet man sich von jedem Gast, je nach dem Grade der Bekanntschaft.[146] Damen werden selbstverständlich die Herren nicht aufsuchen, diese kommen ihnen entgegen.

Richtet das Gastgeberpaar die Bitte an dich, noch ein Stündchen dazubleiben und ein Glas Bier zu trinken – viele Gastgeber behalten die jungen Herren noch ein Weilchen um sich – so verbeugst du dich dankend und nimmst die Einladung an, lieber Leser. Nur ein ganz triftiger Grund könnte dich entschuldigen, die Auszeichnung, die in dem Wunsche liegt, dich noch ein wenig zu fesseln, abzulehnen.

Fußnoten

1 Eine große Anzahl von geistvollen Toasten und Reden für alle im gesellschaftlichen, Familien- und öffentlichen Leben vorkommenden Gelegenheiten enthält das »Universalbuch der Reden und Toaste« von Justinus Abel (Verlag von Levy & Müller in Stuttgart).


2 Eine reichhaltige Sammlung der neuesten und unterhaltendsten Spiele enthält das Werk von Edgar Aalborg »Wie amüsieren wir unsere Gesellschaft?« Neuer maître de plaisir. (Verlag von Levy & Müller in Stuttgart.)


Quelle:
Wedell, J. von: Wie soll ich mich benehmen? Stuttgart 4[o.J.].
Lizenz:
Kategorien:

Buchempfehlung

Raabe, Wilhelm

Die Akten des Vogelsangs

Die Akten des Vogelsangs

Karls gealterte Jugendfreundin Helene, die zwischenzeitlich steinreich verwitwet ist, schreibt ihm vom Tod des gemeinsamen Jugendfreundes Velten. Sie treffen sich und erinnern sich - auf auf Veltens Sterbebett sitzend - lange vergangener Tage.

150 Seiten, 6.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Romantische Geschichten. Elf Erzählungen

Romantische Geschichten. Elf Erzählungen

Romantik! Das ist auch – aber eben nicht nur – eine Epoche. Wenn wir heute etwas romantisch finden oder nennen, schwingt darin die Sehnsucht und die Leidenschaft der jungen Autoren, die seit dem Ausklang des 18. Jahrhundert ihre Gefühlswelt gegen die von der Aufklärung geforderte Vernunft verteidigt haben. So sind vor 200 Jahren wundervolle Erzählungen entstanden. Sie handeln von der Suche nach einer verlorengegangenen Welt des Wunderbaren, sind melancholisch oder mythisch oder märchenhaft, jedenfalls aber romantisch - damals wie heute. Michael Holzinger hat für diese preiswerte Leseausgabe elf der schönsten romantischen Erzählungen ausgewählt.

442 Seiten, 16.80 Euro

Ansehen bei Amazon