Die Konfirmation.

[389] Die Konfirmation als das mit Bewußtsein wiederholte Taufversprechen, welches an Stelle des unmündigen Täuflings Eltern und Paten gegeben, ist eine so tief ernste Handlung, die der ganzen Hingabe des jugendlichen Gemütes bedarf, daß man es vermeiden soll, ihr irgendwie den Charakter eines weltlichen Festes zu geben. Verständige Eltern werden schon während der Wochen des Vorbereitungsunterrichtes die junge Seele von allzu bunten, lebhaften Eindrücken, Gesellschaften, Aufführungen, Theaterbesuch, zurückzuhalten bestrebt sein.

Die kirchliche Feier vollzieht sich in verschiedener Reihenfolge, je nach der Ortssitte. Am meisten gebräuchlich ist es, daß am Sonntag vor dem Konfirmationstag die öffentliche Prüfung in der Kirche stattfindet. Zu derselben trägt der Konfirmand bereits den Konfirmationsanzug. Derselbe besteht für den Knaben in schwarzem Anzug, rundem Hut und schwarzen Handschuhen. Frack und Cylinder sind in solchen Fällen gestattet, wo die ganze Erscheinung des Konfirmanden schon der des Mannes gleichkommt; für halbreife,[389] schmächtige Jünglinge ist diese Gesellschaftstracht wenig geeignet. Für die Mädchen ist Schwarz jetzt allgemein üblich. Ausnahmen ergeben sich bei Konfirmationen eines kleinen Kreises von jungen Mädchen, wo alsdann etwa auf besonderen Wunsch der Eltern ein schlichtes weißes Gewand an die Stelle des schwarzen tritt. Schlicht! Das sei der Wahlspruch für die Toilette der Konfirmandin. Sie sei von einfachster Machart, bestehe aus glanzlosem Wollstoff mit möglichst wenig Ausputz und keinem oder nur wenig Schmuck. Gestattet ist z.B. eine Korallenkette, die die Konfirmandin schon als Täufling erhalten, die durch Patengeschenke allmählich wuchs und nun auch an diesem heiligen Tage das junge Wesen schmücken soll. Keine Regung der Eitelkeit und Selbstüberhebung soll an diesem Tage die Reinheit der gläubig zu Gott aufschauenden Seele trüben. Kein Gefühl des Neides, der Bitterkeit soll durch Putz und reiche Stoffe in dem Herzen der ärmeren Mitkonfirmandin wachgerufen werden. Am Tage der Konfirmation sollen alle gleich erscheinen vor ihrem Herrgott, ohne Betonen eines irdischen Standesunterschiedes.

Sehr gefällt uns die Sitte, daß zwei oder mehrere intime Freundinnen in Kleidern von gleichem Stoff und gleicher Machart vor den Altar treten.

Die Feier der Einsegnung und des Genusses des heiligen Abendmahles füllt den eigentlichen Konfirmationstag aus. Selbstverständlich werden sich alle Familienmitglieder dem Kirchenbesuch anschließen. Auch Verwandte, welche Angehörige einer andern Konfession[390] sind, werden diesen Ehrentag der jungen Christin in deren Kirche mitfeiern. Von nahen Freunden kann man ebenfalls erwarten, daß sie ihre Teilnahme durch ihre Anwesenheit im Gotteshause bethätigen. Bei der Rückkehr aus der Kirche werden die Eltern ihr Kind herzlich segnen und beglückwünschend an ihr Herz nehmen und ihm den Schmuckgegenstand oder das Geschenk, welches ihre Liebe ihm zum Andenken an den Tag seines Eintritts in die kirchliche Gemeinde bestimmte, überreichen. Sie werden ihm auch die Gaben weisen, welche Freundschaft und Güte vielleicht schon in der ersten Morgenfrühe mit einem Segenswunsch sandte, welche sie ihm aber in dem richtigen Grundsatz, die Gedanken der jungen Konfirmandin nicht von der Heiligkeit des Tages abzulenken, so lange vorenthalten haben. Verwandte und Freunde finden sich nun auch persönlich ein, um ihre Glückwünsche darzubringen. Die junge Konfirmandin wird dieselben freundlich und dankbar annehmen und wird sich in dem Kreise der Erwachsenen, in dem sie dabei verweilt, möglichst bescheiden und zurückhaltend bewegen. Nichts macht einen unharmonischeren Eindruck als eine Konfirmandin, die nach der Rückkehr von der ernsten Feier sich ausgelassener Fröhlichkeit hingiebt, sich mit den gespendeten Schmucksachen behängt und, sich die Rolle der Hauptperson zumessend, die Glückwünsche wie Huldigungen entgegennimmt. »Ich bin ja jetzt konfirmiert!«. »Ich bin erwachsen!« spricht ihr ganzes Wesen.

Es ist unseres Erachtens ein großer Fehler, daß den jungen Mädchen die Konfirmation als die Pforte[391] dargestellt wird, durch die sie zu den Freuden des gesellschaftlichen Lebens eingehen.

»Wenn Du erst konfirmiert bist« und »Du bist ja noch nicht konfirmiert!«, das sind die Vertröstungen auf spätere Herrlichkeiten und Triumphe. Kluge Eltern werden sich anders ausdrücken. Sie werden das eben dem Kindesalter und der Schulpflicht entwachsene junge Geschöpf nicht sofort auf den glatten Boden des Ballsaales stellen. Eine Uebergangszeit, in der das junge Mädchen an der Hand und unter dem Einfluß der Mutter die Kinderschuhe abstreift und sich allmählich zuerst nur durch Teilnehmen an der Geselligkeit im Elternhause an das für sie so veränderte Leben zu gewöhnen sucht, ist nicht dringend genug zu befürworten. In dieser Zeit leite die Mutter die Tochter zu verschiedenen Thätigkeiten und Fertigkeiten an und erlaube ihr, sich in irgend einem Fach, sei es nun Musik, Malerei oder Zeichnen, seien es technische Künste, wie Schneidern, Kochen, Putzmachen, Plätten, Sticken, auszubilden. Das junge Mädchen, das nur »ausgeht«, wird gar bald oberflächlich und vergnügungssüchtig werden. Es braucht das Gegengewicht einer ernsten Pflichterfüllung, um nicht zu verflachen, und wird sich dann derjenigen geselligen Freuden, die ihm die Güte der Eltern erlaubt, doppelt und von Herzen freuen.

Für den jungen Mann ist die Konfirmation kein so einschneidender Lebensabschnitt. Bei ihm hört damit das Lernen nicht auf, im Gegenteil, die eigentliche Berufsausbildung beginnt erst. Ihm bringt die Konfirmation als gesellschaftlichen Fortschritt meist nur das[392] »Sie« aus dem Munde derjenigen Bekannten, die ihn bisher noch duzten. Aelteren, sehr würdigen Personen gegenüber wird der junge Mann bescheiden bitten, es beim Alten zu lassen, da ihn das Du aus ihrem Munde nur ehren könne. – Die gebräuchlichsten Konfirmationsgeschenke sind eine goldene Uhr, ein Ring mit dem Datum der Konfirmation, von dem Paten, der an diesem Ehrentage seines Patenkindes weder in der Kirche noch bei der Beglückwünschung fehlen darf, gern gespendet, ein Schmuckstück, das die Mutter vielleicht bereits als junges Mädchen erhalten, und dem sie durch ihr persönliches häufiges Tragen besondere Bedeutung gegeben hat, ein Gesangbuch, Bibel, Neues Testament u.s.w. Eltern lassen auch vielfach ein Zimmer des Hauses neu für den ausschließlichen Gebrauch des Sohnes oder der Tochter herrichten. Ein sehr sinniges Geschenk vom Freund an den Freund ist ein kleiner, vergoldeter Fisch – der Fisch war das Wahrzeichen der ersten Christen – als Berloque oder Brosche zu tragen, der gemalte und eingerahmte Konfirmationsspruch, den man sich zu diesem Zweck schon vorher vom Geistlichen erbittet. Bekannte senden Blumen in Form von Körben, Kissen, Jardinièren, aber keinesfalls Bouquets. – Für die Geschenke sowie für alle andern Glückwünsche durch Besuche oder Briefe bedankt sich der junge Mann in den nächstfolgenden Tagen durch einen Besuch, den er im Konfirmationsanzug und allein abstattet. Es ist dies das erste Mal, daß er als Erwachsener auftritt, und so gewiß wie ihm ein kleiner Verstoß gegen die Form und ein wenig Unbeholfenheit[393] gern verziehen werden, so wenig wird dies der Fall sein, wenn er allzu forsch auftritt, geschwätzig ist und seine eigene Person zu sehr in den Vordergrund stellt. Das junge Mädchen macht die Besuche in Begleitung ihrer Mutter. Hier sei daran erinnert, daß für beide Teile der erste Besuch dem Geistlichen gilt, dem man seinen aufrichtigen Dank ausspricht.

Das Honorar für den Geistlichen senden die Eltern möglichst unauffällig. Da, wo es leider – wir halten dies für sehr unpassend – Sitte ist, daß die Kinder untereinander sammeln und die Geldgabe selbst überreichen, suche man darauf hinzuwirken, daß das Geld unter Couvert, etwa auf einem Blumenkissen, Blumenkorb, kurz wenigstens in sinniger Verkleidung, nicht allzu kaufmännisch nüchtern überreicht werde. Nur darf es dann nicht gehen wie seiner Zeit in jenem badischen Städtchen, wo die Kinder wichtig ihr Blumenkörbchen überreichten und den Dank des Seelenhirten befriedigt einheimsten, um auf der Straße zu entdecken, daß die Aelteste der Schar das Geld noch in der Tasche hatte. Das Körbchen war in diesem Falle wirklich Luxus gewesen.

Auf schriftliche Gratulationen Gleichstehender darf der Konfirmand schriftlich auf der vielleicht zum ersten Mal erhaltenen eigenen Visitenkarte danken. Für schriftliche Glückwünsche älterer Personen muß er dagegen unbedingt persönlich danken, ausgenommen selbstverständlich die Briefe Auswärtiger, welche er möglichst umgehend brieflich beantworten sollte, denn Pünktlichkeit im Erwidern aller gesellschaftlichen Beziehungen ist die[394] Grundbedingung für ihre Fortdauer. Und nun noch ein kurzes Schlußwort!

Eltern haben oft den begreiflichen Wunsch, ihr Kind ihren Freunden und Bekannten als erwachsen vorzustellen und es in ihren Kreis einzuführen. Möchten sie dazu jede andere Gelegenheit, z.B. Geburtstag, Beginn der Wintersaison, wählen, aber nur nicht den Tag der Konfirmation!

Eine reiche, rheinische Familie gab ihrem einzigen Töchterchen ein Diner mit Tanz an diesem Tage. Der Pfarrer wie die Schulvorsteherin waren als abschiedwinkende Gestalten auf dieser Grenze des verflossenen Lebensabschnittes eingeladen, aber ebenso bereits die jungen Herren, welche die Konfirmandin umringten und umwarben. Die Mutter war selig über diesen Eintritt ins Leben. O arme Verblendete, was hast du deinem Kinde genommen!

Es giebt Fälle, wo – nehmen wir z.B. an, der Vater der Konfirmandin sei Oberst – ein großer Kreis von Bekannten sich verpflichtet fühlt, den Eltern beglückwünschend zu nahen. Die Eltern können sich und die Tochter dieser Gratulation entziehen, indem sie mit ihrem Kind zur Kirche gehen. Es ist dies ein fast überall üblicher Brauch, daß die Konfirmanden sich am Nachmittag nochmals in der Kirche einfinden. Jedoch können sie auch selbst die Gratulanten empfangen und ihr Kind, falls sie nicht wünschen, daß dasselbe so zum Mittelpunkt des allgemeinen Interesses gemacht werde, durch Kirchgang entschuldigen. Den Gratulanten bietet man ein Glas Frühstückswein und Gebäck an.[395]

Quelle:
Wedell, J. von: Wie soll ich mich benehmen? Stuttgart 4[o.J.], S. 389-396.
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