Im Tanzsaal.

[180] Die Front des X.er Kasinogebäudes erstrahlt in vollem Lichterglanz. Wagen auf Wagen rollt donnernd unter das gläserne Schutzdach des Portals. Leichtfüßig hüpfen die tanzlustigen Füßchen vom Trittbrett herab, schwerfällig folgen die Mamas im Gefühl ihrer Ballmutterwürde und bedächtigvorsichtigen Schrittes die Väter, die so gern, ach so gern zu Hause im behaglichen Eckchen sitzen geblieben wären, statt im bunten Gewühl stundenlang auszuharren und den ersten Flugversuchen des flügge gewordenen Nesthäkchens zuzusehen.

Käthe R. hat das furchtbarste Ballfieber. Natürlich, denn es ist ihr erster Ball! Krampfhaft erfaßt sie den Arm ihrer besten Freundin, Marie B., die ein Jahr älter als sie – im Ballsaal! – sich auf dem Parkett schon heimisch fühlt.

»Mein gnädiges Fräulein, haben Sie noch einen Tanz für mich?« Mit einer Verbeugung tritt Assessor[180] v. Z. an Frl. B. heran. »Ja? Das ist ja reizend! Den Kotillon? Darf ich dann um diesen bitten?« Der Bleistift trägt den Namen des Tänzers auf der Tanzkarte von Frl. B. ein. »Ah, Sie haben Besuch? Darf ich bitten, mich vorzustellen?«

»Liebe Käthe, Herr Assessor v. Z. wünscht Dir vorgestellt zu werden,« und zu dem sich verneigenden Assessor sagt sie: »Meine Freundin, Frl. R.« Käthe ist rot geworden vor Aufregung. Der erste wirkliche Herr, der sich ihr vorstellen läßt! Denn die Tanzstundenherren, die zählen doch nicht mit! Zitternd macht sie ihren Knix aus der Anstandslehre, einen Schritt vor, pliez, relevez, und streckt alsdann zaghaft ihre Rechte aus. Der Assessor mustert sie kurz mit einem ziemlich überraschten Blick, um alsdann ihre Hand zu ergreifen und sich darüber zu beugen. Er macht noch eine Verbeugung gegen Marie: »Auf Wiedersehen, gnädiges Fräulein! Mich rufen noch verschiedene Pflichten,« und fort ist er.

»Aber Käthe, um Gotteswillen, warum machst Du denn dem Assessor eine Verbeugung, wie Du sie etwa bei Durchlaucht K. anbringen kannst? Eine kleine Verbeugung mit dem Oberkörper, ein höfliches Neigen des Kopfes hätte ja genügt....«

»Aber in der Tanzstunde habe ich es doch so gelernt!«

»Tanzstunde ist Tanzstunde und ganz anders wie das wirkliche Leben. Thu nur die Augen auf und schau um Dich, da lernst Du in einer Viertelstunde mehr, als Du in Jahren bei Frl. K. gelernt hast. Siehst Du dort Lydia B., wie sie sich Deiner Mama vorstellen[181] läßt? Tief verbeugt sie sich, aber noch lange nicht so tief wie Du eben. Anny v. L., die die Vorstellung besorgt, nennt Lydias Namen. Siehst Du, nun streckt Deine Mama ihr die Hand entgegen. Aelteren Personen darf man als junges Mädchen nie zuerst die Hand reichen, ebensowenig wie Herren den Damen die Hand entgegenstrecken dürfen. Lydia beugt sich darüber und berührt sie leicht mit den Lippen.«

Käthe: »O, das kann ich, das mußten wir in der Pension jeden Morgen zur Begrüßung unserer Vorsteherin thun.«

Marie: »Hast Du Dich schon den älteren Damen vorstellen lassen? Nein? Ich meine den Mamas Deiner Bekannten, die Du etwa noch nicht selbst kennst? Allen älteren Damen brauchst Du Dich nicht vorstellen zu lassen, das ist nur in einer Privatgesellschaft, nicht aber hier auf dem Kasinoball nötig. Komm, wir wollen...«

Käthe (schüchtern): »Du, Mieze!«

Marie: »Ja, was denn, mein Schatz?«

Käthe: »Aber meine Tanzkarte...«

Marie: »Richtig, wie konnte ich das vergessen! Warte einen Augenblick, gleich bin ich wieder da.«

Sie bahnt sich einen Weg durch das Gedränge bis zu ihrem Vetter, dem Ballarrangeur: »Lieber Robert, ich habe eine Bitte.« – »Sie ist gewährt, soweit es in meiner Macht steht! –, Käthe R. geht heute zum ersten Mal aus, sie kennt niemanden: kannst Du ihr nicht ein paar Herren vorstellen?« – »Soll sofort geschehen! Da steht K., der ist stets liebenswürdig und tanzt gern, während manche unserer Herren heute schrecklich[182] schwer heranzukriegen sind. Du glaubst nicht, was ich als Arrangeur für eine Arbeit damit habe!« – »Das ist aber ganz falsch von ihnen! Gehen sie auf einen Ball, so müssen sie auch die Pflichten eines Tanzenden übernehmen.« – »Da kennst Du sie schlecht!« – »Du, Robert, ich glaube, manche können gar nicht tanzen und stellen sich blasiert, um es nur nicht einzugestehen!« – »Du magst recht haben. Wenn sie doch glauben wollten, daß der beste Weg, sich bei den Damen beliebt zu machen und in der Gesellschaft eine Rolle zu spielen, ein flottes Tanzen ist! Apropos, Du hast mir doch die zweite Quadrille aufgehoben?« Fräulein B. nickt Gewährung. »Auf Wiedersehen!«

Währenddessen hat sich Käthe ein Herr genähert. Gestatten Sie, mein Fräulein, daß ich mich Ihnen vorstelle. Mein Name ist Herbert, Ingenieur beim Kanalbau. Käthe verneigt sich, ist aber in tödlichster Verlegenheit. Soll sie nun sagen: »Ich bin Käthe R.«? Da fällt ihr zum Glück ein, daß eine Dame sich nie einem Herrn vorstellt, höchstens einer andern Dame. Der Herr läßt ihr auch keine Zeit zur Entscheidung, er zieht seine Tanzkarte heraus: »Darf ich um die Ehre eines Tanzes bitten?« – »Ach, sehr gern!« Käthe stößt es mit einem Seufzer der Erleichterung heraus. Die Gefahr des Mauerblümchen-Spielens ist also ein wenig hinausgeschoben! Der Herr kann ein Lächeln nicht unterdrücken. »Wollen Sie mir Ihre Tanzkarte erlauben?« Käthe nestelt sie von dem Fächer los und reicht sie hin. Nun wird er sehen, was für ein unbegehrtes Mädchen sie ist! Alle Kolonnen hinter den[183] Tänzen noch leer! – Der Herr vergleicht Käthes Tanzkarte mit der eigenen. »Wollen Sie mir den Lancier schenken, mein Fräulein?« und auf Käthes rasches: »Gewiß, gern!« schreibt er auf ihr Kärtchen seinen Namen hinter den Tanz. Auf seiner eigenen Karte notiert er sich, da er Käthes Namen nicht weiß und sie mit ihrem frischen Gesichtchen und in dem weißen Tüllkleid mit den Apfelblütenzweigen selber wie eine kleine, rosige Apfelblüte aussieht: »Apfelblüte«. So wird er sie wohl wiedererkennen. Mit einer Verbeugung und einem: »Verbindlichen Dank, gnädiges Fräulein!« zieht er sich zurück.

»Du, höre einmal,« sagt er eine halbe Minute später zu seinem Freunde, dem Amtsrichter von Mehren, »kannst Du mir den Namen der frischen Blondine dort sagen mit dem Apfelblütenkranz im Haar?«

»Das ist ja die kleine R., die Tochter des verstorbenen Gerichtsrats! Ist die auch schon erwachsen? Was man doch alt wird! Ich habe sie schon als Schulkind gekannt. Da muß ich doch einmal hin und die Bekanntschaft erneuern.«

»Thu das und engagiere sie gleich. Ihre Tanzkarte gleicht noch einem unbeschriebenen Blatt.«

»Thut mir wirklich leid, aber das kann ich beim besten Willen nicht. Ich habe eine solche Menge Pflichttänze! Alle Damen, in deren Haus ich verkehre, die Töchter und Nichten meiner Vorgesetzten erwarten, daß ich sie auffordere oder wenigstens zu einer Extratour hole. Ich muß ordentlich aufpassen, daß ich keine vergesse!«[184]

»Komm herab, o Madonna Theresa!« Die ersten Töne des Walzers klingen durch den Saal und bringen die plaudernden Gruppen in Bewegung. Jeder sucht die Dame aufzufinden, deren er sich für diesen Tanz versichert hat, denn übel vermerken würde es die Betreffende, wenn sie lange warten müßte und es den Anschein haben könnte, als sei sie nicht engagiert.

»Schade, daß es die gute Sitte nicht erlaubt, mehr wie einen Tanz mit einer Dame zu tanzen!« denkt der Ingenieur. Das holde Gesichtchen der Apfelblütendame hat es ihm angethan. Nun, er wird ein paar Extratouren mit ihr tanzen und ihr ein Bouquetchen in der Blumentour bringen; dabei kann niemand etwas finden. Und er macht den Paaren Platz, die auf des Walzers Schwingen durch den Saal fliegen.

Wie viel häßliche, ungelenke Bewegungen, wie wenig Grazie! Wenn doch die Leute sich im Spiegel sehen könnten! Dort das Paar dreht sich schon eine Ewigkeit unter dem Kronleuchter herum; wie das aussieht! Jener Herr hat die üble Angewohnheit, immer links herum zu tanzen, was im vollen Ballsaal sehr störend ist. Diese Leutchen können nicht anfangen, sie warten und zählen und warten, um in den Takt zu kommen, und halten alle übrigen Paare auf. Aber da drüben, da kommt ein nettes Paar. Die Dame hat ganz leicht und anmutig ihre linke Hand mit dem Fächer auf den rechten Oberarm des Herrn gelegt, und er hält sie, mit dem rechten Arm ihre Taille umfassend, fest und doch lose, ohne die Dame an sich zu drücken noch sie übertrieben weit von sich zu halten.[185]

Wie das Paar näher kommt, freut sich unser Herbert – es ist die kleine Apfelblüte. »Wie gut, daß meine Mutter mich tanzen lernen ließ!« denkt er im stillen. »Was für nette Bekanntschaften macht man doch im Ballsaal!«

In einer Pause treffen sich Käthe und Marie. Käthe ist strahlend vor Freude. »Mieze, sieh doch, ich habe alle Tänze besetzt!« Marie wirst einen Blick auf die kleine Karte, und wirklich, sie ist mit Hieroglyphen bedeckt. »Aber Käthe, der letzte Walzer ist ja noch frei!« – »Ach, den hätte ich auch besetzen können, aber ich wollte nicht, der Herr war so klein und unansehnlich, und da sagte ich ganz richtig, wie es sich gehört: ›Bedauere, ich bin schon engagiert, mein Herr,‹ und dachte dabei, es wird wohl noch ein anderer kom men!«

»Himmel, Käthe, da hast Du etwas Schönes angerichtet! Wenn er nun merkt, daß Du ihm nicht die Wahrheit gesagt hast, wenn er Dich schimmeln sieht! Bitte, Käthe, thu das nicht wieder, die Herren nehmen das furchtbar übel, erzählen es sich untereinander, und auf einmal ist die Dame, die solche Absagen erteilt, doppelte Tänze vergiebt oder kleine Verwechslungen herbeizuführen versteht, ohne Tänzer, niemand naht sich ihr mehr!«

»Aber ich will doch nicht mit jemandem tanzen, der kleiner ist wie ich!«

»Leider haben wir Damen nicht die Freiheit, uns unsere Tänzer auszusuchen. Wir werden gewählt und müssen stillhalten. Wohl kannst Du ablehnen unter dem Vorwand: ›Ich danke, ich möchte diesen Tanz pausieren!‹[186] oder: ›Ich danke, ich tanze nicht mehr!‹, aber dann mußt Du unbedingt konsequent bleiben und nicht einem andern zugestehen, was Du soeben abgeschlagen.«

»Aber in der Damenwahl darf ich mir doch holen, wen ich will?«

»Du holst Dir natürlich nur Herren, die Dir vorgestellt sind, und möglichst nur solche, die Du besser kennst. Du darfst Deine eigenen Gefühle nie dabei verraten, anderseits aber auch Herren, die immer artig und zuvorkommend gegen Dich sind, nicht übersehen. Auf Privatbällen kannst Du dem Hausherrn, selbst wenn er älter ist, einen Orden bringen als Dank für seine Einladung, ebenso dem Arrangeur des Balles, der seinen Teil dazu beiträgt, daß Du Dich so himmlisch amüsierst.«

»Bitte zum Lancier anzutreten!« schallt die Stimme des Tanzordners durch den Saal. Herr Herbert verbeugt sich vor Käthe, diese steht auf, legt den leichten Umhang auf einen Stuhl, behält den Fächer in der Hand und nimmt seinen Arm.

Ihr Carré ist bald gefunden. Die Dame, die Käthe vis-à-vis tanzt, ist ihr unbekannt. Sie bittet daher ihren Herrn, sie mit derselben bekannt zu machen. Derselbe führt sie darauf zu ihrem Gegenüber und sagt: »Gnädige Frau, erlauben Sie – Frl. Rohn!« Die Damen verneigen sich. Die Herren des Carrés sind Käthe ebenfalls unbekannt. Sie beurlauben sich von ihren Damen, treten nacheinander zu Herrn Herbert: »Mein Name ist L.... Darf ich Sie bitten, mich Ihrer Dame vorzustellen?« Herr Herbert wendet sich[187] an Käthe: »Gnädiges Fräulein, Herr L. bittet um den Vorzug.«

Nach Beendigung des Tanzes möchte Herr Herbert gar zu gern noch ein wenig mit Käthe im Saal promenieren. Er überlegt, ob er sich nicht lieber der Mutter vorstellen lassen soll, und sein Gefühl sagt ihm, daß er dies nicht versäumen dürfe. »Gnädiges Fräulein, darf ich bitten, Ihrer Frau Mama vorgestellt zu werden?« Er hatte auf der Zunge: »Wollen Sie mich mit Ihrer Frau Mama bekannt machen?«, erinnerte sich aber zum Glück noch rechtzeitig, daß man letztere Wendung nur bei Gleichstehenden gebraucht. Er könnte z.B. sagen: »Wollen Sie mich mit Ihrem Herrn Bruder bekannt machen?«

Der letzte Walzer vor dem Souper ist zu Ende. Käthe hinkt mit schmerzverzogenem Gesichtchen von ihrem Tänzer geführt auf ihren Stuhl zu. Ein Herr hat ihr mit seinem derben Absatz auf den Fuß getreten und ist, ohne anzuhalten, weiter getanzt. Eigentlich ist sie ihrem Herrn böse. Ist es nicht seine Pflicht, sie ungefährdet durch die Reihen der Tanzenden zu führen? Und dieser ungebildete Mensch, der ihr so weh gethan, hätte er sich ihr nicht vorstellen lassen müssen und sie um Entschuldigung bitten? Und Käthe ist im Innern entschlossen, die erlittene Unbill nicht zu vergessen.

Da kommt ihr Tischherr, ihr den Arm zu bieten. Fürsorglich hat er ihr Tuch geholt, denn der Eßsaal ist kühl. »Käthe,« flüstert Marie ihr ins Ohr, »hier ist es Sitte, daß die Herren den Damen ein Glas Wein anbieten, eine Sitte, die mein Papa immer umgeht,[188] indem er den Herrn, der mich zu Tisch engagiert, an seinen Tisch ruft und ihn einladet oder doch mir eingießt. Also wenn Du gefragt wirst, was Du trinken willst, so antworte, es sei Dir gleich, und nimm nur wenig an, hörst Du?«

Herrlich tanzt es sich nach dem lustigen Souper! Aber Käthe schwindelt es plötzlich, sie möchte aufhören. Wie macht sie ihren Herrn gleich darauf aufmerksam? Sie weiß von Marie, daß man beim Rundtanzen nicht spricht. Also verlangsamt sie ihre Schritte, läßt ihre Hand herabgleiten von dem Arm des Tänzers und sagt: »Danke, mein Herr, wollen Sie mich zu meinem Platze führen!«

Bis zum Cotillon hat sich Käthe wieder erholt. Eine der ersten Touren führt sie mit einem ihr fremden Herrn zusammen, der ihr in den Verschlingungen des Tanzes nicht vorgestellt werden kann. Sie tanzt mit ihm, und der Fremde holt die Vorstellung nach, sobald er seine Dame auf ihren Platz geführt hat. Wie Käthe sich dankend verbeugt, sieht sie aufblickend Marie, die Vielbegehrte, ohne Tänzer dastehen. Im Nu ist sie an ihrer Seite. »Mieze, wo ist Dein Herr?« Lächelnd – sie hat bereits gelernt, daß der gute Ton ein Lächeln verlangt, selbst wenn es im Innern nichts weniger als freundlich aussieht – zuckt sie die Achseln: »Er hat es gewiß vergessen und sitzt nun im Rauchzimmer.« – »Wer ist denn der Ungalante? Es ist unglaublich, ein Engagement mit Dir zu vergessen!« – »Ein Ingenieur Herbert. Er ließ sich mir nach dem Lancier vorstellen und redete mich auf Dich hin an.« Käthe[189] wird feuerrot, und ihr kleines Herz pocht ungestüm. Ihretwegen, ihretwegen hat er sich um ihre Freundin bemüht! Und sie hat hundert Entschuldigungsgründe für sein Verhalten in Bereitschaft.

Marie aber schüttelt den Kopf. »Was wirst Du nun thun?« – »Nun, mit Grazie schimmeln. Auch dies ist eine Kunst, die gelernt sein will. Ich werde mich mit den älteren Damen unterhalten so angelegentlich, so verbindlich, daß keiner merken soll, ich möchte lieber tanzen.«

In das trauliche rauchdurchschwängerte Herrenzimmer dringen endlich auch des Walzers wiegende Wellen.

»Himmel, ich habe ja ganz vergessen, daß ich engagiert habe!« ruft Herbert. »Was fange ich an, um meine Dame zu versöhnen?« – »Ja, mein Bester, da eilen Sie, pater peccavi zu sagen, denn das ist ein Punkt, in dem die liebenswürdigsten Damen keinen Spaß verstehen und die angelegent lichsten Entschuldigungen nicht angelegentlich genug sind.«

Zerknirscht und reumütig eilt Herbert in den Saal. Da ist eben alles zur großen Schlußronde angetreten. Das erste, was er sieht, ist Käthe mit einem Haufen Bouquetchen beladen, mehr als die kleinen Hände fassen können – also auch das hat er versäumt! Fatal, er hatte ihr doch das schönste Sträußchen aus dem Riesenbouquet bringen wollen!

Im Augenblick ist er an ihrer Seite: »Darf ich mir erlauben, Sie zum Tischwalzer am 25., dem nächsten Kasinoball, zu engagieren? Vielleicht geben Sie mir[190] auch die Française?« Bittend sieht er sie an. »Wenn Sie mir versprechen, daß Sie es nicht vergessen wollen, sei Ihnen ersterer bewilligt. Die Française ist bereits vergeben...«

»Ja, diese Vergeßlichkeit von mir! Sie haben ganz recht! Wo ist Ihre Freundin, daß ich sie um Entschuldigung bitten kann?« – »Frl. B. ist bereits in der Damengarderobe.« – »Dann empfehlen Sie mich ihr, bitte, angelegentlich, ich werde nicht verfehlen, mich morgen persönlich bei ihr zu entschuldigen.«

In Käthes Träumen treiben heute neckende Kobolde ihr Spiel! Bald sieht sie sich als Mauerblümchen – Herbert hat vergessen, sie zum Tanz zu holen, – bald muß sie mit dem Herrn, der ihr auf den Fuß trat, als einziges Paar durch den Saal tanzen. Erwachend tastet sie nach dem Häuschen Balltrophäen auf ihrer Decke, beruhigt schlummert sie wieder ein, und die Füßchen bewegen sich noch im Takt nach der Melodie:

»Er soll dein Herr sein, wie stolz das klingt!«[191]

Quelle:
Wedell, J. von: Wie soll ich mich benehmen? Stuttgart 4[o.J.], S. 180-192.
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