Im eignen Heim.

Das eigne Heim – zaubervolles Wort! Es umfaßt eine Welt, die ureigne Welt eines jeden, die man nach eignem Belieben gestalten, ihr den Stempel der eignen Individualität aufzudrücken vermag. Der Ärmste ist nicht arm, so lange er noch ein Heim, und sei es ein noch so dürftiges, sein eigen nennt – der Einsame nicht verlassen, so lange ihn täglich die hundert durch Gewohnheit und Gebrauch liebgewordenen Gegenstände grüßen, die in ihrer Gesamtheit sein Heim ausmachen, und der im Kampf der Welt müd Gehetzte nicht ruhelos, wenn ihm daheim im Frieden seines Hauses ein Zufluchtsort geboten wird, in dem er Mensch sein und sich selbst gehören darf. Nicht jedem – oder vielmehr nur wenigen! – ist vergönnt, mit dem eignen Heim zugleich ein eignes Haus zu besitzen, auf das er stolz das inhaltsvolle Wort anwenden kann: Mein Haus ist meine Burg! Zu einer Burg im idealen Sinne aber kann jeder sein[1] Heim gestalten und wenn nur wenige Zimmer, ja vielleicht ein einziger Raum sein Reich bilden; zu einer Burg, in der er selber Herr und deren Frieden er schützen kann gegen das Hereindringen einer Welt, die nicht die seine.

In solchem Sinne aufgefaßt, muß Besitz und Begriff des eignen Heims schon an und für sich veredelnd wirken und es ist nur natürlich, daß man bedacht sein wird, dasselbe auch äußerlich so zweckmäßig, behaglich und schön zu gestalten, als die vorhandenen Mittel es nur immer erlauben. Zur Zweckmäßigkeit gehört allerdings, besonders für eine Familie, das Vorhandensein einer genügenden Anzahl Räume, die bei heutigen Mietsverhältnissen, namentlich in der Großstadt, nur denen erreichbar sind, welche ein großes Jahreseinkommen besitzen. Beneidenswert, wem ein eignes Haus oder eine Amtswohnung zur Verfügung steht, was ja leider nur einem kleinen Bruchteil der Gesamtbevölkerung beschieden. Für die meisten heißt es da, sich des unbequemen und peinlichen Geschäfts des Wohnungssuchens unterziehen. Man studiert eifrig den Wohnungsanzeiger, fährt täglich stundenlang von Straße zu Straße, steigt eine Unzahl Treppen auf und nieder, um zu erfahren, daß all die Wohnungen, die der Anzeige nach durchaus passend für uns erschienen, so unpassend und unseren Forderungen so wenig entsprechend als nur immer möglich sind.

Es empfiehlt sich daher, um Zeit und Mühe zu sparen, in einer weitverbreiteten, am besten Wohnungszeitung[2] eine Anzeige zu erlassen, die möglichst klar und genau sagt, von welcher Größe und Beschaffenheit die Wohnung sein soll, die man zu mieten wünscht. Auch der Preis, über den hinaus man nicht gehen mag, sollte angegeben werden – es vereinfacht die späteren Unterhandlungen in angenehmer Weise.

Von den auf eine solche Anzeige in der Großstadt massenweis eingehenden Angeboten wählt man dann diejenigen, welche allen Wünschen am besten zu entsprechen scheinen und unternimmt darauf die Besichtigung dieser Wohnungen – eine gleich peinliche Notwendigkeit für beide Teile. Man muß die zeitweiligen Inhaber, also fremde Menschen, stören, sie veranlassen, das ganze Heim bis zu den verstecktesten Ecken fremden Blicken preiszugeben und wird außerdem nicht umhin können, einige Fragen wegen etwaiger Mängel der Wohnung zu stellen. Höfliche Rücksichtnahme und Taktgefühl wird da beiden Teilen über diese unvermeidliche Indiscretion leichter hinweghelfen; der Wohnungsinhaber hat das Recht, bestimmte Tagesstunden zur Besichtigung der Räume anzusetzen, sollte solche aber auch streng inne halten und zu dieser Zeit keine Beschäftigung vornehmen oder vom Gesinde vornehmen lassen, bei denen der Einblick von Fremden unerwünscht ist. Leute von Bildung werden den Besichtigenden freundlich begegnen, es aber vermeiden, selbst den Führer durch die Wohnung zu machen, sondern dies den Dienstboten überlassen. Geradezu Ehrensache aber sollte es sein, Fragen nach etwaigen, äußerlich[3] nicht hervortretenden Mängeln wahrheitsgemäß zu beantworten. Es heißt ein fach das Vertrauen des Fragenden täuschen und ihm unter Umständen schwere Schädigung zufügen, wenn man Thatsachen wie etwa Rauchen, Feuchtigkeit oder Unerheizbarkeit der Räume beschönigt oder verschweigt.

Zu den Höflichkeitspflichten des Besichtigers aber gehört ein möglichst schnelles und geräuschloses Durchschreiten der Räume, die man nur auf ihre Größe. Lage und bauliche Ausstattung hin, nicht aber auf die innere Einrichtung hin prüfend zu überschauen hat. Es wäre genau so unschicklich, sein Entzücken über ein besonders schönes und elegantes Mobiliar zu äußern, als umgekehrt Spott und Geringschätzung hervorzukehren, wenn die Einrichtung uns geschmacklos erscheint. Notwendige Fragen stelle man sehr höflich, aber so kurz und sachgemäß als nur immer möglich. Nichts verrät mehr Mangel an Bildung, als fremde Menschen womöglich durch Auftischung einer eingehenden Familiengeschichte zu langweilen oder durch Fragen nach solchen Angelegenheiten lästig zu werden. Wohl könnte sich ja auch bei Besichtigung einer Wohnung Anlaß zu einem längeren Gespräch ergeben, doch muß sich die Neigung dazu auf beiden Seiten kennzeichnen. Ist die Besichtigung beendet, hat man – auch dem führenden Dienstboten freundlich zu danken, ebenso selbstverständlich ist ein höflicher Gruß beim Gehen wie beim Kommen. Vorstellung beim Eintritt wäre nicht am Platze. Man kann aus der[4] Art, wie jemand eine fremde Wohnung besichtigt, mit ziemlicher Gewißheit auf seinen Bildungsgrad, ja selbst auf den gesellschaftlichen Rang schließen. Glücklich indes, wer sich solcher Schätzung nicht allzuoft auszusetzen braucht, sondern bald eine passende und räumlich auskömmliche Wohnung findet.

Was gehört denn nun aber zu einer auskömmlichen Familienwohnung? höre ich da den einen oder anderen meiner verehrten Leser fragen. Ja, mit demselben Rechte könnte man eine Feststellung der Lebensbedürfnisse eines jeden verlangen. Der eine wird da behaupten, mit einem Jahreseinkommen von dreißigtausend Mark nicht auskommen zu können, während der andere sich mit jährlich fünfzehnhundert Mark begnügen muß. Die Verhältnisse allein können demnach hier den Bedarf, das Ausbreiten oder Einschränken bestimmen. Jedenfalls wird man gut thun, bei bescheidenen Mitteln lieber auf die eine oder andere Lebensannehmlichkeit zu verzichten, als an der Wohnung zu sparen. Je geräumiger dieselbe, um so gesünder – das sollte man nie vergessen. Auch die Ordnung wird sich besser erhalten lassen und für die Bequemlichkeit der einzelnen Familienmitglieder mehr gesorgt werden können. Nach den Ansprüchen, welche er an seine Wohnung stellt, kann man gewissermaßen den Menschen und seinen Charakter beurteilen. Man macht zuweilen die Bekanntschaft von Leuten, die sehr nobel auftreten, hochelegant gekleidet gehn und die man, wenn es zu Besuchen kommt, in beschränkter, schlechtgelegener[5] Wohnung findet, welche in keinem Verhältnis zu ihrem sonstigen Auftreten steht. Man ist da sofort orientiert – Talmi, Scheinwesen! Umgekehrt entpuppen sich oft Menschen, die persönlich einen äußerst bescheidenen Eindruck machen, als Besitzer von wohleingerichteten, herrschaftlichen Wohnungen und wird man daraus auf die Gediegenheit ihres Charakters und der Verhältnisse schließen können.

Als Durchschnitt nimmt man für die Wohnung einer gut gestellten, nicht zu großen Familie des Mittelstandes sechs bis sieben Zimmer an – je nach den Verhältnissen mehr oder weniger. Beim Mieten achte man in erster Linie darauf, daß alle Räume Luft und Licht haben, auch nicht in einem Neubau belegen sind: Zum Glück ist das neue Baugesetz, welches seit einigen Jahren in Kraft, auf der Basis sanitärer Erwägungen entstanden und die niederen luft- und lichtlosen Verschläge, welche man in Großstädten dem Gesinde zum Schlafen anwies, sind ebenso unmöglich geworden wie das Beziehen von halbfertigen Häusern. Daß zur Abhilfe erstgenannten Übelstands die ebenso hochsinnige als praktische Kaiserin Friedrich durch wiederholte energische Mahnung beigetragen, dürfte nicht jedem bekannt sein.

Auch auf Vorhandensein eines Badezimmers oder wenigstens eines Raumes, der das Einrichten eines solchen ermöglicht, ist Wert zu legen, denn Luft, Licht und Reinlichkeit sind die Grundbedingungen guter Gesundheit. Gerade das Baden ist bei uns[6] in Deutschland bedauerlicherweise noch nicht so Allgemeinbrauch geworden wie in manchen andern zivilisierten Ländern, denen allen voran England in dieser Beziehung steht. Je mehr man aber die Bedeutung des Bades für Gesundheit und Wohlbefinden kennen lernen wird, je häufiger und ausschließlicher dürfte auch bei uns die Gewohnheit des Badens werden.

Und nun gilt es, diese glücklich ganz nach unsern Wünschen und Ansprüchen gefundene Wohnung behaglich einzurichten. Auch hier werden ja die vorhandenen Mittel über das Wie entscheiden, eins aber sollte auch hier über der Macht des Goldes stehn und zwar Zweckmäßigkeit und guter Geschmack. Nicht jeder besitzt letzteren; aber so viel Selbsterkenntnis sollte man immer haben, sich in solchem Falle von andern raten zu lassen oder sich an anerkannt Mustergültigem zu bilden. Freilich nun und nimmer schablonenhafte Nachahmung! Nichts verkehrter, als es Herrn von X oder Frau von So und So haargenau nachmachen zu wollen! Bei aller Anlehnung an vorhandenes Gute soll man doch gerade seiner Wohnung das Gepräge des eignen Ich's unverkennbar aufdrücken und das kann auch bei der einfachsten Einrichtung geschehen, besonders in jetziger Zeit, die fast schrankenlose Willkür in der Ausstattung unsrer Wohnräume gestattet. Man hat in den letzten Jahren so viel von Stil und stilvoll gesprochen, daß diese Bezeichnungen nachgerade anfangen, verfehmt zu werden. Und doch hat keine einen so wenig ausgeprägten Stil gehabt[7] als die unsre, was sowohl für Architektur als für Kunstgewerbe und Handwerk gilt. Erlaubt ist eben alles und das Altmodische hat ebenso seinen Wert als das Moderne. Haben wir noch hochbeinige steiflehnige Möbel aus Großmutters Zeiten – sehr schön! Sie stören durchaus nicht und haben den anheimelnden Reiz des Altväterischen, die Gediegenheit des Ererbten. Ihr Vorhandensein ist immer ein Zeichen würdiger Vorväter, denn Emporkömmlinge haben dergleichen nie aufzuweisen. Und hat sich in uraltem Hausrat vielleicht das eine oder andere Stück aus Empire- und Rokokozeit, am Ende gar eine mittelalterliche Truhe erhalten, so hat dasselbe nicht nur den üblichen Seltenheits-, sondern auch noch einen sehr positiven Geldwert in unsern Tagen. Aber so sehr die jetzige Mode auch ein wahlloses Durcheinander gestattet, zeugte es doch von wenig gutem Geschmack, solch ein Stück unvermittelt zwischen hochmoderne Möbel zu stellen. Eine gewisse Harmonie muß bei aller Freiheit der Zusammenstellung doch immer gewahrt werden und wird den Eindruck der Behaglichkeit nur erhöhen. Und da es schwer sein dürfte, für eine derartige Rarität passende Ergänzung zu finden, kann man sich so hübsch durch Stoffdrapierungen und mit Luxus- oder Gebrauchsgegenständen besetzte Borden an den Wänden, – die ein Zimmer nicht nur füllen, sondern es reich und behaglich ausgestattet erscheinen lassen – helfen, ebenso durch Aufstellung von teppichbelegten Ruhebetten und Fantasietischchen,[8] die man jetzt in denkbar größter Formverschiedenheit erhält.

Wie lauschig, behaglich und wirklich schön lassen sich heute Wohnräume, selbst mit bescheidenen Mitteln, herrichten, wenn man nur einigermaßen Geschmack und Kunstverständnis besitzt! Kaum kann man sich heute noch ein Zimmer vorstellen, wie es vor dreißig Jahren ausgestattet war und als Muster von Eleganz galt – helle, nüchterne Glanztapeten mit Goldleisten bordiert an den Wänden, deren Schmuck einige sehr symmetrisch geordnete Bilder, gleichfalls in Goldrahmen. – Die Möbel steif an den Wänden postiert, damit ein möglichst großer Raum in der Mitte des Gemachs frei blieb, an den Fenstern ebenso nüchterne weiße Vorhänge an geschweiften Goldstangen befestigt. Alles unglaublich hell, kahl und nüchtern, ohne Farbe, ohne Stoffe, ohne Faltenwurf!

Und jetzt – ein behagliches Durcheinander von geschmackvollen Möbelgruppen in den Räumen. Überall lauschige Ecken und Erker, Zelte, durch Stoffdrapierungen gebildet, Sessel und Sofas und Tischchen überall. An Thüren und Fenstern schwer herabfallend oder anmutig gerafft Stoffe in satten, gedämpften Farben, wie sie Rubens und Rembrandt liebten. Wo ein Fenster, namentlich in Erkern, weniger reich drapiert, ersetzen Glasmalereien oder Butzenscheiben den mangelnden Faltenwurf. Die Wände bedeckt mit Bildern, Stoffen, Waffen und Zierraten aller Art, Statuetten, Kunstwerke und Palmen zwischen den[9] Möbelgruppen verteilt, Bücher und hundert Nippes auf Kamin, Tischen und Schränken – so zeigt sich ein moderner Wohnraum unseren Blicken. Natürlich bei reichen oder doch vermögenden Leuten, und auch hier möchten wir dringlich vor einem Zuviel warnen. Namentlich kleiner Ausputz im Übermaß angebracht, nimmt den Räumen ihren vornehmen Charakter.

Aber auch bei bescheidenen Mitteln läßt sich der Geschmacksrichtung unserer Zeit gemäß ein recht behagliches Heim ermöglichen; es brauchen ja nicht gerade persische Stoffe zu sein, die Fenster und Thüren verhüllen, nicht echte Bronzen und Meißner Porzellannippes, die unsere Kamine und Borden schmücken. Industrie und Kunsthandwerk sind heutzutage so hoch entwickelt, daß sie fast auf jedem Gebiet gute Nachahmungen hervorbringen, die auch gesteigerten Ansprüchen genügen. Nicht alles muß notwendig schlecht oder geschmacklos sein, was mit wenig Mitteln erreichbar – wie nicht alles schön und vorzüglich, was recht viel Geld gekostet. Gewiß ist zu empfehlen, alles so gut und gediegen wie nur möglich zu kaufen, wenn die Verhältnisse es erlauben; aber auf diesen oder jenen Gegenstand zur Ausschmückung unsers Heims ganz zu verzichten, weil man nicht das Beste darin zu erschwingen vermag – sich in ungeschmückten Zimmern unbehaglich fühlen und vielleicht zeitlebens vergebens auf den glücklichen Zufall warten, der uns Erfüllung unserer hochgeschraubten Wünsche bringen[10] soll, ist wenig lebensklug. Nur das Erreichbare anstreben, sollte in diesem Falle Gesetz sein.

»Aber auch in Bezug auf Wohnungseinrichtungen und Anordnung der Zimmerausstattung wechselt die Mode – wie erfährt man zuverlässig bei Neuanschaffungen, was eben jetzt modern und beliebt?« fragt da vielleicht mancher. Nichts leichter als das; jedes größere Möbelmagazin ist zu jeder Zeit genau über die herrschende Moderichtung unterrichtet und kann das Neueste sofort herbeischaffen, falls es nicht vorhanden. Doch hüte man sich auch hierbei besonders vor allen Launen und Auswüchsen der Mode; gerade das Hypermoderne wird zuerst unmodern werden.

Nach diesen allgemeinen Ausführungen möchten wir uns mit den einzelnen Räumen näher beschäftigen und beim Empfangszimmer beginnen. Wenn eine Wohnung nur fünf oder sechs Zimmer umfaßt, bildet gewöhnlich der sogenannte Salon zugleich das Zimmer der Hausfrau; kann sich diese den Luxus eines Sonderraums für sich allein (Boudoir; gestatten, um so angenehmer für sie. Bei Ausstattung desselben darf sie ihrer Fantasie, Laune und Eigenart vollständig die Zügel schießen lassen, ohne auch hier der Zweckmäßigkeit zu vergessen. Zierliche, geschweifte Polstermöbel mit bunten Seidenbezügen, die Fenster duftig verhüllt, viel Blumen und etwas mehr Spiegel und Nippes als in den anderen Räumen, ein Schränkchen mit Lieblingsbüchern und vielleicht das ganze Gemach zeltartig mit leichter Seide drapiert – so dürfte ein[11] Frauengemach recht behaglich erscheinen, wenn der große Tyrann, Geldpunkt genannt, solche Ausstattung erlaubt.

Oder auch altdeutsch gehalten mit einem durch Galerien abgeschlossenen erhöhten Fenstersitz, Butzenscheiben und der lauschigen Ofenecke mit Ofenbänkchen, Hockerle und Bauerntischchen, alles in dunklem Eichen holz. Auch die Truhe darf natürlich nicht fehlen. Ein bequemes Sofa und Polsterstühle gehören streng genommen nicht zu dieser mittelalterlichen Einrichtung, sondern Wandbank und Bauernstühle, allenfalls Armsessel Lutherstühle) derselben Zeitperiode. Aber man nimmt es eben heutzutage nicht streng damit und sehr wohl sind auch im altdeutsch ausgestatteten Frauengemach Polstermöbel erlaubt, nur müssen sie sich der übrigen Einrichtung anpassen.

Aber wir sind ja noch beim Empfangsraum und dieser Blick ins eigenste Frauenreich war eine Abschweifung. Auch hier heißt's immer wieder: Ganz nach Geschmack und Verhältnissen! Polstermöbel in Seide oder Plüsch, entsprechende Fenster- und Thürvorhänge, Kunst- und Luxusgegenstände als Schmuck und alles, was ein Zimmer schön und elegant aus gestattet erscheinen läßt, nach Maßgabe der vorhandenen Mittel! Ist der Empfangsraum zugleich Zimmer der Hausfrau, kann ein Schreibtisch darin Platz finden und nur eins sei niemals darin zu finden: Familienbilder. Nichts macht so den Ein druck des Philiströsen und erinnert an die vielbespöttelte[12] »gute Stube« der Kleinbürger, als an der Hauptwand des Zimmers, recht symmetrisch über dem Sofa aufgehängt, die Konterfei der Familie oder sonstiger Angehöriger. Ein Porträtgemälde, das besonders schön ist oder Kunstwert hat, weil es Künstlerhand schuf, darf schon eher einen Platz im Empfangszimmer beanspruchen, ebenso ein Staffeleibild, selbst wenn es nur Photographie ist.

Eine viel erörterte Frage ist ferner, ob in diesen, sozusagen officiellen Raum Bücher gehören. Wir müssen diese Frage unbedenklich mit Ja beantworten. Bücher gehören eben überall hin, ihr Vorhandensein verrät geistige Interessen der Besitzer und legt ehrenvolles Zeugnis für sie ab. Doch meinen wir damit durchaus nicht jene Goldschnittlitteratur, die wohlgeordnet auf dem Salontisch zur Schau ausliegt. – Dergleichen kann man in reichem Maße besitzen, und doch nie einen Blick hinein gethan haben. Nein, Bücher, denen man den Gebrauch sofort ansieht und deren Titel schon bejahen, daß sie nicht nur dazu vorhanden, in müßiger Stunde durchblättert zu werden. Eine Bücherei in eigens dazu bestimmtem Raum, die man in England und Frankreich selbst bei mäßiger Wohlhabenheit im gebildeten Mittelstand findet, ist leider in Deutschland, im Land der Dichter und Denker, noch immer ungekannter Begriff. Nur Gelehrte pflegen bei uns Bücherschätze zu besitzen und auf den Landsitzen alter Geschlechter haben sich im Laufe der Jahrzehnte – vielleicht auch der Jahrhunderte – Bibliotheken[13] angesammelt. Für gewöhnlich werden in Deutsch land auch von reichen Leuten allenfalls die Klassiker gekauft und auch diese nur, solange schulpflichtige Kinder da sind, die sie brauchen. Später werden dann diese Bücher hübsch in einen Glasschrank gestellt, man bringt dem Bildungsbedürfnis der Gesamtfamilie noch ein weiteres Opfer, indem man ein umfangreiches Konversationslexikon dazuthut und der Bücherbedarf für's Leben ist gedeckt. Was man sonst noch braucht, liefern die Leihbibliotheken für eine Mark monatlich – jeden Tag ein anderes Buch und immer das Neueste! – oder man borgt's von einem guten Freund, der es vielleicht als Widmungsexemplar vom Verfasser selber erhielt und es nun die Runde im ganzen Freundes kreis machen läßt. Jeder Konzert- oder Theater genuß, der doch auch nur für flüchtige Stunden reicht, wird anstandslos bezahlt und oft sehr hoch bezahlt. Für ein Buch aber, das doch mindestens für ebenso lange Unterhaltung und geistige Anregung gewährt und nicht nur einer bestimmten Person sondern einem ganzen Familienkreis – das, auch nachdem es gelesen worden und mithin seinen Zweck erfüllt hat, bleibenden Wert behält oder doch zum mindesten unseren Bücherschatz vermehren hilft – für ein solches Buch Geld auszugeben, fällt nur einem lächerlich geringen Bruchteil des deutschen Publikums ein!

In England und Frankreich kauft auch das wenig oder garnicht bemittelte kleine Publikum Bücher. Der solide, geistig strebsame Arbeiter legt vom Wochenlohn[14] jeden Sonnabend so und so viel Centimes oder Pence ab, um sich geistige Nahrung zu erkaufen, ebenso wie er für die leibliche sorgt. Das Buch oder Heft, welches er erstand, gewährt ihm Unterhaltung für die Mußestunden einer ganzen Woche und bildet zudem seinen Geist. Freilich sind in beiden genannten Ländern die Bücher bei weitem billiger als bei uns, aber eben weil der Umsatz ein so großer, können die Verleger sie billiger geben. Eins treibt da somit das andere und umgekehrt.

Wann wird auch das deutsche Publikum lernen, in seinem Haushaltungsetat ebenso wie für Leibesnahrung, Kleidung, Vergnügen, Geselligkeit und Reisen auch einen angemessenen Posten für Geisteskost, also Bücher, auszusetzen? Wann wird es zu der Erwägung gelangen, daß Dichter und Schriftsteller nicht von Himmelstau und Sonnenschein leben können, sondern auch der prosaischen irdischen Speise benötigen wie andere sterbliche Menschenkinder? Und die Verleger und Buchhändler – längst sind die Fabeln verklungen, laut welchen diese auf Kosten der Autoren reiche Schätze sammeln sollten! Wie wäre letzteres auch möglich bei der heutigen Überfüllung des Büchermarktes und der Scheu des Publikums vor Bücherkauf?

Drum, wer ein Heim einrichtet und dabei eine Summe aussetzt für mancherlei Modetand zur Ausschmückung desselben, vergesse auch der Bücher nicht, die keiner Mode unterworfen sind und bleibend wertvolles[15] Inventar bilden, die einem ewig frischen Quell gleichen, an dem sich der Geist allezeit erquickt.

Daß sie in jedem Zimmer ihren Platz finden dürfen, ist bereits gesagt worden. Wenn bei beschränkter Wohnung das Speisezimmer zugleich als Wohnraum dienen muß, mag man auch dort ruhig den Bücherschrank aufstellen, stören wird das sicher niemanden; nie aber sollte man die Bücher in irgend eine dunkle Ecke oder einen Vorraum verweisen, als müßte man sich ihrer schämen. Hat man auskömmliche Räume zur Verfügung, so schließt das die Unterbringung des Bücherschrankes im Speisezimmer natürlich aus.

Auch in den Tanzsaal gehören sie nicht, was zu betonen kaum nötig ist. Wer in der glücklichen Lage ist, einen solchen zu besitzen, dürfte um angemessene Ausstattung desselben nicht in Verlegenheit geraten. Divans und Sessel an den Wänden entlang, viel Spiegel, Kron und Wandleuchter, Palmengruppen oder doch solche von hochragenden Blattpflanzen, die sehr wirkungsvoll den Hintergrund für Statuen abgeben, Wände und Decken mit guten Malereien geschmückt – so etwa stellt sich eine Saaleinrichtung großen Stils dar. Auch hier werden die vorhandenen Mittel das Maß des Gebotenen bestimmen. Nicht gar so kostspielig und doch von vornehmer Wirkung ist eine Mittelgruppe von Blattpflanzen – zu deren Aufstellung schon ein größerer Blumentisch genügt – welche ein Rundsofa oder auch einzelne Polstersessel[16] abschließen. Selbst für Empfangszimmer, falls sie nicht gar zu klein, möchten wir eine solche Anordnung empfehlen.

Im Tanzsaal wird auch der Flügel Aufstellung finden, falls nicht ein besonderes Musikzimmer vorhanden. Ist dies der Fall, so erhält das Instrument, ob nun Flügel oder Piano, in der Mitte desselben seinen Platz und den übrigen Raum lasse man, um die Klangfülle nicht zu dämpfen, so unbesetzt als möglich. Namentlich das Anbringen von Stoffen zu Thür- und Fensterdrapierung ist zu vermeiden, selbst ein Teppich schwächt die Töne ab. Notenschränke und Sessel, an den Wänden die Büsten hervorragender Tonmeister, auch hier Blumen oder Blattpflanzen, die überall den schönsten Schmuck bilden, und die Ausstattung des Musiksaals ist vollendet. Ost findet man auch die Bücherei in diesem Raum und die Bücherschränke an den Wänden bilden einen recht harmonischen Hintergrund für Flügel oder Pianino. Kann man beides sondern, um so besser.

Ganz besondere Sorgfalt wendet man in letzter Zeit der Einrichtung des Speisezimmers zu und das mit Recht. Ein gutes Mahl mundet um so besser in schönem, stimmungsvoll ausgestatteten Raume. Gewiß kann man ein Speisezimmer auch höchst einfach, nur mit dem Notwendigen, einrichten und Speise- und Anrichtetisch, Geschirrschrank und Stühle genügen unter Umständen durchaus. Spiegel gehören ohnehin nicht in diesen Raum, und selbst die Uhr erachten[17] viele als unstatthaft, da man beim Essen nicht an die flüchtige Zeit erinnert werden soll. Wenn ein Speisezimmer nur für Festmähler vorhanden wäre, ließe sich ja gegen diese Auffassung auch wenig einwenden. Da aber auch Tagesmahlzeiten darin eingenommen werden und die berufliche Thätigkeit eines jeden streng an die Zeiteinteilung gebunden, ist es doch wohl empfehlenswert, auch hier eine Uhr vor Augen zu haben. Das Vorhandensein einer solchen wird niemanden veranlassen, sein Mahl schneller einzunehmen, wenn die Zeit ihn eben nicht drängt.

Allen aber, bei denen nicht Grundsatz oder gebotene Sparsamkeit eine möglichst einfache Ausstattung dieses Raumes bedingen, sei es gesagt: Nichts schöner und anheimelnder als ein reich eingerichtetes Speisezimmer; Wenn es sein kann, wähle man bis zur halben Wandhöhe Holztäfelung, durch eine Borde abgeschlossen, auf der Wandteller in Bronze oder Porzellan, ebenso wertvolles Geschirr Aufstellung finden mag. Offene Credenzen mit Spiegelplatten mögen des Hauses Silber- oder Krystallschätze zur Schau stellen, die Wände oberhalb der Borde schmücke man mit Ölbildern oder Stahlstichen, welche Stillleben darstellen – falls man nicht als kleiner Crösus über die Mittel verfügt, sich von Meisterhand ein Gastmahl des Plato oder dergleichen angemessene Motive ausführen zu lassen.

Zum Glück für die Allgemeinheit sind Crösusse, große und kleine, dünn gesät und auch ohne Aufwand[18] riesiger Geldmittel läßt sich ein Heim recht behaglich ausstatten. Daß wir uns wohl fühlen darin, ist und bleibt doch die Hauptsache und auch der Anblick hellenischer Lebensfreude – um noch einmal des Plato Gastmahl heranzuziehen – wird ein schwermütiges oder kummerbeladenes Herz ebensowenig heiter stimmen können, als die leckersten Speisen einem Kranken nicht munden werden. Gesundheit und Frohsinn mögen mit uns zu Tisch sitzen und ihre unsichtbaren Schwingen über den Raum breiten – dann sind Gold und Silber und alle Kostbarkeiten der Welt leicht zu entbehren.

Wir wenden uns jetzt dem Wohnzimmer zu.

Wenn es bei Einrichtung des Salons gestattet ist, in erster Linie die schöne Wirkung zu berücksichtigen, so soll umgekehrt im Wohngemach Behaglichkeit und Zweckmäßigkeit allem vorangesetzt werden. Jedes Mitglied der Familie darf hier mit vollem Recht ein bequemes Plätzchen für sich beanspruchen, der Hausherr sowohl, als Frau und Kinder. Selbst wenn letztere ein besonderes Kinderzimmer haben, wie es wohl meist der Fall ist, sind sie doch zu bestimmten Tagesstunden mit der Familie vereint und man wird gut thun, dies von vornherein zu bedenken. Fanden sich doch selbst im Wohnzimmer der hochseligen Kaiserin Augusta – in jenem unvergeßlichen Ecksalon im Palais »Unter den Linden,« der unmittelbar über dem historischen Eckfenster liegt – inmitten einer königlich vornehmen Einrichtung kleine Stühlchen und Bänkchen, in weiser[19] Fürsorge für den Besuch der Enkel aufgestellt und auch Urenkel haben später darauf gesessen. Wie viel mehr also sollte man im Wohnraum privater Familien, in denen das Zusammenleben doch naturgemäß zwangloser, wenn auch nicht inniger ist als an Fürstenhöfen, darauf Bedacht nehmen, den kleinen oder großen Kindern eine Stätte zu bereiten!

Im Wohnzimmer soll der Nähtisch der Hausfrau und ein bequemer Sitz für sie ebenso seinen Platz finden, wie ein behagliches Ruhebett oder wenigstens ein Lehnstuhl für den Hausherrn. Ferner Schränke und Schränkchen in allen Formen, nicht zum Zierrat, sondern zu praktischem Gebrauch. Große Kleider-und Leinenschränke sind natürlich davon ausgenommen. Wo es keinen Tanz- und Musiksaal giebt – also bei Familien gediegenen Mittelstandes – hat man in letzter Zeit auch dem Klavier seinen Ehrenplatz im Salon genommen und es ins Familienzimmer verwiesen – mit vollem Recht. Denn welch' einen andern oder höheren Zweck hätte Hausmusik, als die Familie zu erfreuen und die gemeinsamen Mußestunden zu erheitern und zu beleben. Und darum gehört das Klavier in den Raum, der am meisten und gemeinschaftlich von der Familie benutzt wird. Hier mögen auch Familienbilder jeder Art ihren Platz finden und es wird das Wohngemach nur anheimelnder machen, wenn die Bilder lieber Freunde und Verwandte uns umgeben. Keine gemütvolle Hausfrau wird auch der Blumen entbehren wollen, die ihrer besonderen Pflege[20] unterstellt sind und stets den lieblichsten Schmuck eines Zimmers bilden. Freilich erfordert die Erhaltung einer Zimmerflora Mühe und unter Umständen auch nicht unwesentliche Kosten, beides aber wird reich aufgewogen durch die Freude, welche ihr Gedeihen bringt. Bücher und Blumen, sowie die Art deren Unterbringung werden stets einen Anhalt zu Beurteilung eines Menschen, besonders einer Frau, geben.

Die Ausstattung des Herrenzimmers sei ernst und würdig gehalten. Blumen und Nippes oder gar Fächer und Palmenwedel, die eine zeitlang so beliebt waren, würden demselben einen weichlichen, ja weibischen Charakter aufdrücken. Auch viel Möbel sind nicht vonnöten im Herrengemach. Schreibtisch und Bücherschrank, bequemes Sofa und Stühle, ein Spieltisch und alle Utensilien, die dem angenehmen Zeitvertreib des Rauchens – der allerdings in den meisten Fällen zur Leidenschaft geworden – dienen, und die Einrichtung ist vollendet. In Berücksichtigung letzteren Umstandes dürfte es sich auch empfehlen, für diesen Raum dunkle Fenstervorhänge zu wählen. Ohne jeden Schmuck aber braucht ein Herrenzimmer durchaus nicht zu bleiben, im Gegenteil. Gediegene Kunstwerke oder gute Nachahmungen derselben werden hier besonders am Platze sein und nur leichten, kleinen Tand vermeide man. Hat der Hausherr eine akademische Laufbahn hinter sich, wird er nicht versäumen, sein Zimmer mit Erinnerungen der glücklichen Studentenzeit zu schmücken, besonders wenn er Corpsbruder[21] oder Burschenschafter war. Rappiere, farbige Bänder und Mützen, sowie die Bilder der lieben Bundesbrüder erhalten dann sicherlich den Ehrenplatz an der Wand.

Aber auch der Hausfrau soll ein behagliches Plätzchen frei gehalten werden in diesem Raum, wenn sie dem Gatten ab und zu am Schreibtisch oder sonst in seinem eignen Reich Gesellschaft leisten will. Hier werden auch Werke ihrer fleißigen Hände, soweit sich diese in kunstfertigen Handarbeiten kund thun, am meisten zu Würdigung kommen, und Kissen, Puffs, gemalte Tischchen oder Chatullen stets ein willkommenes Geburtstagsgeschenk für den Gemahl bilden.

Das Kinderzimmer ist möglichst einfach, mit festen, zweckdienlichen Möbeln einzurichten. Überflüssiger Schmuck sei verbannt, ohne daß der Raum gerade kahl und unwirtlich gehalten zu sein braucht. Fester Tisch und Stühle, Lagerstätten der Kinder, Schränkchen, möglichst für jedes ein besonderes, in denen Bücher und Spielsachen ihre Unterkunft finden und deren strenge Inordnunghaltung den Kleinen von früh an zur Pflicht gemacht wird, bequeme, gesundheitsgemäße Pulte zum Anfertigen der Schularbeiten, außerdem noch allerlei Geräte für körperliche Kraftübungen – weiteres ist für eine Kinderstube nicht nötig. Später, wenn die Kinder erwachsen, wird sich die angemessene Einrichtung der gesonderten Zimmer für den »jungen Herrn« und das »Fräulein« ja von selber ergeben. Dem Haussohn wird eine Nachahmung des[22] väterlichen Gemachs, wenn auch in bescheidenerer Einrichtung, als Ideal vorschweben und das Zimmer der Haustochter von der fürsorglichen Mutter gewiß so traulich ausgestattet werden, als die Verhältnisse es nur irgend erlauben. Nicht gar zu sehr der Bequemlichkeit dienend – also nicht durchweg mit schwellenden Polstermöbeln versehen – sei die »Kemenate des Jungfräuleins« – um mittelalterlich zu reden – doch behaglich und vor allem licht und lustig eingerichtet. Ganz besonders empfiehlt sich heller Cretonne mit Blumenmustern zur Ausstattung eines Mädchenstübchens und nicht nur die Fenstervorhänge seien daraus hergestellt, sondern auch verhüllende Bettvorhänge sowie Drapierung des Toilettentisches. In reichen Häusern wird man das ganze Nestchen vielleicht in Mull- oder Gazewolken hüllen und auch die Wände damit bekleiden, im ganzen gilt aber in Deutschland die Regel, gerade junge Mädchen nicht allzusehr zu verwöhnen. Einfachheit und Anspruchslosigkeit nach jeder Richtung hin werden immer der schönste Schmuck einer Jungfrau sein und schon die Lebensklugheit verbietet, junge Mädchen mit Ansprüchen zu erziehen, die ihnen das Leben vielleicht nicht erfüllt. Da das Zimmer der Haustochter zugleich deren Arbeitsraum bildet, gehört auch alles hinein, was sie zu ernster Thätigkeit oder für ihre Lieblingsbeschäftigungen braucht. Nähtisch und Bücherbrett und, falls sie malt, Staffelei müssen darin Aufstellung finden. Ein zierlicher Schreibtisch dürfte ganz besonders willkommen sein, denn es[23] gilt doch, auch selbst in unsrer prosaischen Zeit – verschwiegene Tagebücher zu führen und ausgedehnte Herzensergüsse an die Freundinnen zu schreiben.

Nie dürfte man auch in Verlegenheit darüber sein, was einem jungen Mädchen zum Geburtstag oder Weihnachten zu schenken. Die hundert zierlichen Krystall- und andere Sächelchen, die, das Schöne mit dem Nützlichen vereinend, den Toilettentisch zieren, Blumen, Vasen und Nippes – das alles wird dankbar froh zur Schmückung des jungfräulichen Reichs entgegengenommen werden.

Wir hätten uns nun dem Schlafzimmer zuzuwenden und möchten als Vorbedingung für das körperliche Wohlbefinden seiner Bewohner die Forderung stellen, daß für dasselbe ein möglichst großer, hell und lustig gelegener Raum gewählt werde. Auch bei uns in Deutschland beginnt man dies allmählich einzusehen und kommt davon ab, das kleinste, dunkelste, schlechtgelegenste Zimmer als Schlafraum zu benutzen, nur um vielleicht der Reihe der Prunkgemächer noch ein weiteres hinzufügen zu können. So geschieht es denn jetzt nicht mehr selten, daß man eins der besten Vorderzimmer für diesen Zweck hergiebt und das ist gut und verständig. Wir bringen ein Drittel unseres Lebens oder noch mehr im Schlafzimmer zu, möchten aber kaum ein Sechstel unsrer Wohnräume dafür hergeben. Wie schnell muß die Luft eines kleinen Raumes verdorben sein, wenn, wie es doch bei Familien der Fall – mehrere Personen darin atmen. Je enger und niedriger[24] das Zimmer, je schlechter naturgemäß die Luft, die wir so viele Stunden hintereinander schlafend einatmen. Wie soll da der Körper Kraft und Frische für den kommenden Tag erlangen?

Deshalb ist es auch in einem großen Schlafraume durchaus ungenügend, nur morgens einige Stunden hindurch zu lüften. Die Fenster sollten, ob Winter oder Sommer, den ganzen Tag über offen stehen und wer nicht gerade sehr schwächlich und empfindlich, schließe sie auch des Nachts nicht ganz – natürlich nur im Sommer: Freilich müssen die Betten dann so gestellt sein, daß nicht ein Zugstrom die Schlafenden trifft, was großes Unheil im Gefolge haben kann. Auch müssen herabgelassene Vorhänge in jedem Fall die frische Kühle der Nachtluft dämpfen.

Die Frage, ob man im Winter kalt oder in geheiztem Zimmer schlafen solle, ist schwer im allgemeinen zu beantworten. Wem es bekommt, der schlafe gewiß kalt, denn der Kopf wird morgens klarer und die Nerven frischer sein. Wer indes eine schwache oder auch nur nicht eben kräftige Lunge hat, vermeide es in jedem Fall, hüte sich aber ebenso vor Überheizung des Schlafraums, denn jeder frische Luftzug wird alsdann Erkältung, oft mit sehr verderblichen Folgen, bringen.

Aber wir schreiben hier kein sanitäres Werk und haben weniger die vernunftgemäß gedeihliche, als die gute Lebensart im allgemeinen zu behandeln, obgleich sich im Grunde beides deckt. Jedenfalls möchten wir[25] jedem Hausvorstand ans Herz legen, sich als unentbehrliches Inventar für den Haushalt und die Familie ein gutes Buch mit Gesundheitsregeln zuzulegen. Die einmalige Ausgabe wird sich hundertfach bezahlt machen.

Bevor nunmehr über die Einrichtung des Schlafzimmers noch einige Winke zu geben wären, soll noch besonders betont werden, daß es aus verschiedenen Gründen nicht statthaft ist, Kinder bis über das sechste Jahr hinaus im Zimmer der Eltern schlafen zu lassen. Es ist durchaus gedeihlicher für sie, von dieser Zeit ab einen besonderen Schlafraum zu haben und wenn die Wohnung beschränkt, richte man lieber auf dem Sopha eines der andern Zimmer eine Lagerstatt für sie her.

Was nun die Ausstattung des deutschen Schlafzimmers betrifft, so hält diese glücklich die Mitte zwischen der Kahlheit der englischen und der Überfüllung der französischen Schlafräume. Die Betten nicht mehr an die Langseite der Wand zu stellen, sondern frei ins Zimmer hinein, hat man längst auch bei uns gelernt, seitdem man zur Erkenntnis gekommen, daß mancherlei Ansteckungsstoffe in Tapeten und Wänden stecken oder wir doch – bei einer Außenwand – Witterungseinflüssen ausgesetzt sein können. An die Stelle des geschlossenen Betthimmels, wie er zu Großmutters Zeiten Sitte, ist längst die graziöse Drapierung des Baldachins getreten – für viele auch das bereits ein überwundener Standpunkt, um dem[26] Hinzutritt frischer Luft so wenig als möglich zu wehren. Der kleine baldachinartige Betthimmel ist indes so hübsch und traulich, daß ihn schwer vermißt, wer gewöhnt, darunter zu schlafen und wenn derselbe in angemessener Höhe angebracht und nicht gar zu verschwenderisch mit Stoffmassen beladen ist, möchten wir ihm wohl als durchaus unschädlich das Wort reden. Nur vermeide man schwere wollene oder gar sammetne Stoffe zu seiner Drapierung, da sich in solche Staub und Miasmen jeder Art viel leichter einnisten als in Seide oder Baumwolle. Cretonne, Mull oder Spitzenstoffe sind auch hier zu empfehlen, falls man sich zu Seide nicht versteigen will.

Übereinstimmend mit dem Betthimmel sind auch Fenster und Toilettentisch zu drapieren. Zu dem unentbehrlichen Mobiliar, als da sind Nacht- und möglichst geräumige Waschtische je für den Herrn und die Frau des Hauses, kommt auch, falls nicht ein besonderes Ankleidezimmer vorhanden, ein großer Stehspiegel oder ein Spiegelschrank, um möglichst die ganze Figur überschauen zu können. Wer keine Schrankstube verfügbar hat, wird freilich auch Kleider- und Leinenschränke im Schlafzimmer unterbringen müssen; auch im Kinderzimmer können solche Platz finden, immer dem vorhandenen Raum gemäß.

Beneidenswert und doch nur bei sehr großer Wohnung zu ermöglichen, ist eine Arbeits- und Plättstube. Wenn das Gesindezimmer geräumig, wird man im Notfall dies tags dazu benutzen müssen, oder aber die[27] Näherin findet in der Kinderstube Unterkunft. Nur nicht Näherei oder gar Schneiderei im Wohnzimmer – es macht die ganze Wohnung unbehaglich und treibt gewöhnlich den Gatten aus dem Hause.

Da über die Einrichtung der Badestuben nichts zu sagen, hätten wir dem letzten Raum, der Küche, nur noch einige Worte zu widmen. Was in ihr unentbehrlich ist, bestimmt schon die Notwendigkeit täglichen Gebrauchs. Die Neuzeit hat so viele Maschinen und Apparate gerade für Küchengebrauch an den Markt gebracht, von denen sich unsre Elternmütter nichts träumen ließen und da fast täglich neue auftauchen, wäre ein Anführen derselben zwecklos, weil bald von neuen Erfindungen überholt. Jedes größere Magazin für Küchengeräte wird stets das Neueste davon vorrätig halten oder doch empfehlen können. Nur eins möchten wir hier besonders betonen: Ein so herzerfreuender Anblick für jede Hausfrau auch eine helle, saubere, reich mit Kupfer- und Messinggeräten gezierte Küche sein mag, hüte man sich doch, letzteres zu übertreiben. Das Putzen des Blankgeschirrs – und es wirkt nur hübsch, wenn es blitzt und schimmert – bürdet dem Küchenmädchen sehr viel Mühe auf und macht es oft unlustig und lässig. Also auch hier mit Maß! Wenn andere Hausfrauen dagegen ängstlich alle blinkenden Geschirre in Schränken und Kästen verstecken, um ihre Küche nicht zum Jahrmarkt zu machen, und dem Mädchen Arbeit zu ersparen, so ist auch dies zu weit gegangen. Schon[28] unsre Vorfahren in altersgrauer Zeit schmückten ihren Herdraum, der zugleich des Hauses Vorhalle bildete, mit blinkendem Zinngeschirr, was wohl als Beweis für die althergebrachte Berechtigung und Beliebtheit solchen Ausputzes gelten darf. Jedenfalls ist derselbe angemessener als die Neigung mancher Hausfrauen, ihren Küchenraum mit einem Übermaß von kleinem bunten Tand, als da sind Spitzen und Bänder, zu verzieren und vielleicht gar jedes Töpfchen mit zierlichen Schleifchen an seinen Nagel zu hängen. –

Moderne Wohnungen, namentlich in der Großstadt, haben gewöhnlich einen Vorraum, auf den hinaus die einzelnen Zimmerthüren münden und der das ganze kleine Reich sozusagen abschließt. Auch auf angemessener Ausstattung dieses Raums hat man Sorgfalt zu verwenden, da der Eindruck desselben den Fremden einen Vorgeschmack dessen giebt, was er im Innern der Wohnung zu erwarten. Nur nicht alte, abgenutzte Möbel oder anderes Hausgerät hier aufeinandergehäuft, ebensowenig aber gänzliche Kahlheit des Raumes! Kleiderriegel zur Aufnahme der Garderobe und Spiegel mit Konsole, um auf letzteren Bürste und Kamm zu legen, ist jedenfalls unentbehrlich. Wenn man einen zierlichen oder sauber bedeckten Tisch und einige Sessel hinzufügen und die Thüreingänge durch Stoffdrapierung verhüllen will, wird das gewiß recht vornehm wirken. Ist der Vorraum groß und hell, sind Gruppen von Blattpflanzen und ähnlicher Schmuck sehr zu empfehlen, wie sich ja naturgemäß[29] auch die Art dieser Einrichtung der aller anderen Räume anschließen wird.

Wie nun aber die Ausstattung unseres Heims einfach oder kostbar, umfasse dasselbe wenige Zimmer oder ein Stockwerk, ja, vielleicht ein ganzes Haus, so ist doch eins unerläßliche Forderung: Ordnung und Sauberkeit überall, vom Prunkraum bis zum dunkeln Kämmerchen. Diese beiden Faktoren werden stets den schönsten Schmuck unseres Heims bilden und es behaglicher machen, als die eleganteste Ausstattung dies zu erreichen im stande wäre. Und noch für ein anderes, Schwerwiegenderes ist diese Ordnung und Sauberkeit Grundbedingung – für Erhaltung der Gesundheit. Gerade die Epidemieen der letzten Jahre haben klar erwiesen, wie viel Unheil durch strenge Durchführung peinlichster Sauberkeit abgewendet werden kann.

Diese Sauberkeit aber herzustellen und gleichmäßig zu erhalten, ohne die Ruhe und Behaglichkeit des Hauswesens zu stören, ist eine Kunst, welche nicht jeder Hausfrau eigen. Oft sind es gerade die sogenannten »guten Wirtinnen,« welche dem Gemahl und allen Familienmitgliedern das eigene liebe Heim fast verleiden durch allzuhäufiges Veranstalten großer Scheuerfeste, bei denen kein Nagel in der Wand und kein Stück auf dem andern bleibt. Die große Wirtschaftsmaschine möglichst unsichtbar und geräuschlos in steter Bewegung zu erhalten, sei das erste Gesetz für jede Hausfrau, welche die Behaglichkeit[30] der Ihren und auch die eigne zu schätzen weiß. In großen und vornehmen Häusern versteht sich strenge Befolgung dieser Regel ja von selbst, aber im Mittelstande findet man häufig derlei fanatische Reinlichkeitsapostel, welche vermeinen, der liebe Herrgott habe die Frau mit allen Geistesgaben und der Berechtigung zu vollentwickeltem Menschtum einzig und allein geschaffen, damit sie den Staubwedel schwinge und fortwährend alle Ecken und Winkel auf ihre Sauberkeit hin durchstöbere. Die Zeit sowohl als die edleren menschlichen Fähigkeiten sind denn doch zu kostbar, um sie in steter Jagd nach Staub daran zu geben und man soll nicht in endlosem Nacheinander Unordnung schaffen, um Ordnung zu machen, sondern weise suchen, letztere zu erhalten. Wir kennen Fälle, in denen ein durchaus glückliches Familienleben zerstört wurde, weil die Frau vom Reinlichkeitsteufel besessen war und der Mann daheim nie ein Plätzchen fand, in dem er ruhig und behaglich weilen konnte, nie eine Mahlzeit zur festgesetzten Zeit fertig, weil die Dienstleute den ganzen Tag mit Scheuern und Putzen zu thun hatten. Bei verständigen und denkenden Frauen werden derartige Zustände natürlich unmöglich sein; aber es denken eben nicht alle Frauen, wie nicht alle verständig sind und daß auch Liebe zur Ordnung und Sauberkeit in krankhafte Übertreibung ausarten kann, haben wir an obigem Beispiel gesehen. Weise Einteilung der Arbeit ist das große Geheimnis, das manchen blitzsaubern Haushalt erscheinen läßt, als[31] wären nachts die Heinzelmännchen darin thätig, weil man eben nie gewahrt, wie diese Sauberkeit hergestellt wird.

Aber nicht allein um die Behaglichkeit der Familie handelt es sich hier, sondern auch um menschenwürdiges Leben des Gesindes. Woher sollen Dienst boten die Freudigkeit zur Arbeit nehmen, wenn es für sie nie ein Fertigsein giebt, nie Stunden der Erholung winken? Das ewige Einerlei der mechanischen häuslichen Verrichtungen ist ja an und für sich geisttötend – weshalb den Leuten unnütze Arbeiten aufbürden und sie sofort wieder von vorn anfangen lassen, sobald sie nur eben fertig geworden sind! Die meisten häuslichen Arbeiten wiederholen sich ja ohnehin täglich, wie Zimmerreinigung und das Besorgen der Mahlzeit; daher sollte jede Hausfrau das Einsehen haben und überflüssige Plackereien des Gesindes streng vermeiden.

Nach dieser Abschweifung wenden wir uns nun, nachdem über Einrichtung und äußern Anstrich unseres Heims alles Notwendige gesagt, noch jenen Räumen zu, welche außerhalb der Wohnung liegen und doch gewissermaßen zu ihr gehören, nämlich den Treppen und der Vorhalle des Hauses. Wie man beim Mieten ja schon darauf Bedacht nehmen wird, einen möglichst gut gebauten und ebenso gehaltenen Ein-und Ausgang vorzufinden, hat man auch später Sorge dafür zu tragen daß Flur und Treppen stets sauber sind. In verschlossenen Häusern übernimmt[32] gewöhnlich der Pförtner gegen kleines Entgeld die Reinigung, oder dieselbe ist im Mietspreis mit einbegriffen und Sache des Wirts. Wo das wegfällt und die Mieter abwechselnd dafür zu sorgen haben, halte man die Dienstboten an, sich bei Reinigung der Treppen und Flure besonderer Sauberkeit zu befleißigen. Fremde werden stets geneigt sein, nach dem Grade derselben auf die Bewohner des Hauses und deren Neigungen zu schließen.

Auch im übrigen sehe man streng darauf, daß sowohl Dienstboten als Familienangehörige sich durchaus der Hausordnung fügen, wie sie im Interesse aller vom Wirt aufgestellt ist. Schlagen mit den Thüren sowie lautes Sprechen und Lachen auf Flur und Treppen sei ebenso verpönt als das Herumstehen der Dienstboten vor der Hausthür oder gar eine überlaute Unterhaltung auf dem Hof, vielleicht gar aus den Küchenfenstern herüber und hinüber. Kein Wirt, der auf Anstand und Ordnung hält und dem das Behagen seiner Mieter am Herzen liegt, wird derlei Ungehörigkeiten dulden und Herrschaften sollten keinen Dienstboten behalten, der wiederholt gegen dies Verbot sündigt. Abgesehen von der Störung und Unruhe, die dergleichen laute Unterhaltungen verursachen, wird dadurch nur boshafter oder alberner Klatsch befördert, der in jedem Haus und im vornehmen oft ganz besonders, ohnehin in Blüte steht. Weiteres über diesen Punkt soll noch im Abschnitt über die Dienstboten erörtert werden.[33]

Aber auch wir selber sollen uns befleißigen, in unsern Räumen jedes störende Geräusch, das unsere Mitbewohner belästigt, zu vermeiden. Es klingt geradezu roh, wenn man von diesem oder jenem sagen hört: Ich bezahle meine Wohnung und kann darin machen, was ich will. Nichts kann diese Auffassung schlagender widerlegen als der berechtigte Einwurf der Mitbewohner: Auch wir entrichten unsern Mietzins und können verlangen, Ruhe in unseren Wohnungen sowie Muße zu ungestörter Arbeit zu haben!

Es giebt ja Gesetzesparagraphen darüber, aber die Grenze dessen, was gesetzlich strafbar sei oder nicht, ist gerade hier schwer zu bestimmen. Man wird da immer mehr oder weniger auf das Anstandsgefühl unserer Hausgenossen angewiesen sein und sollte darin stets mit gutem Beispiel vorangehen. Der gebildete Mensch wird ja aus eigenem Empfinden heraus seinen Schritt auf Treppen und in der eigenen Wohnung dämpfen, wenn er in später Nacht heimkehrt und jedes polternde Geräusch vermeiden, den Schlaf anderer nicht zu stören. Wer eine Schar froher Kinder um sich hat, sorge dafür, daß der Raum, in dem sie sich zumeist aufhalten, mit Decken belegt sei, die den Schall dämpfen und verbiete auch alle geräuschvollen Spiele. Wer selber einmal solche Bewohner über sich gehabt und von früh bis spät das hallende Trippeln und Trappeln der kleinen Füßchen das Rollen mit Kugeln oder Kinderwagen, das Blasen und Schreien, Springen und Singen mit angehört, welches bei dem leichten[34] Bau moderner Häuser mit dröhnendem Widerhall in unser Ohr tönt – der wird wissen, daß einem durch derartige Mitbewohner die schönste Wohnung zur Hölle und das Leben zur Qual gemacht wird, von der Unmöglichkeit geistiger Arbeit garnicht zu reden!

Wir müssen an dieser Stelle auch der großen Plage der Jetztzeit, gegen die es leider kein Gesetz giebt und doch längst eins geben sollte, gedenken, – des unmäßigen Klavierspiels oder übertriebener musikalischer Übungen überhaupt. Gewiß, alle, die Musik treiben, können der Übungen nicht entbehren und wo anders könnten diese vorgenommen werden als in der eigenen Wohnung? Da aber selten jemand in der glücklichen Lage sein wird, ein Haus ganz allein zu bewohnen, gebieten Anstandsgefühl und Billigkeit nicht allzuviel des Guten darin zu thun und das Üben möglichst auf Stunden zu beschränken, in denen man annehmen darf, am wenigsten damit zu stören. Nicht endlose Übungen allein aber sind es, die den gezwungenen Hörer zur Verzweiflung zu bringen vermögen, sondern auch meisterhaft ausgeführte Musikvorträge können diese Wirkung erzielen, wenn sie zur Unzeit laut werden. Am frühen Morgen und späten Abend sind solche ja durch einen Paragraphen des Mietskontraktes verboten, nicht aber zur Mittagszeit oder in den ersten Nachmittagsstunden, in denen doch jeder von ernster Vormittagsthätigkeit zu ruhen wünscht. Und dann eben geschieht es gar zu häufig, daß Herr X. nebenan zur Flöte greift, die angehende Sängerin über uns,[35] die heut schon zum Verzweifeln oft geübte Arie mit neuen Kräften in Angriff nimmt und endlich Frau von S. unter uns mit wahrer Wut sich auf die geliebten Fingerübungen stürzt. Und wenn im Hinterhaus noch gar ein eifriger Pistonbläser oder ein Geigenkönig der Zukunft haust und diese bei offenem Fenster, damit die süßen Klänge nur ja den ganzen hoch umbauten Hof in tönendem Widerhall überfluten an ihr musikalisches Tagewerk gehen so wird man zugeben müssen, daß dem unfreiwilligen Zuhörer all dieser Genüsse nichts anderes übrig bleibt, als seinem eigenen Heim verzweifelt zu entfliehen.

Man sollte daher nie bei offenem Fenster und ferner nie zu Tageszeiten musizieren, die, wenn auch nicht von allen, so doch von einer großen Zahl unserer Mitbewohner zum Ruhen benutzt werden. Wo ein ernstes Musikstudium vielstündiges Üben an jedem Tage gebieterisch heischt, versehe man die Thürfüllungen mit Polstern, den Ton zu dämpfen. Rücksichtnahme auf andere ist nicht nur der Kern aller guten Sitte, sondern sie wird in diesem Falle sogar zum Gebot der Menschlichkeit. So sehr wir selber bestrebt sein werden, die Ruhe und Behaglichkeit unseres Heims durch nichts zu stören, sollten wir ebenso alles vermeiden, was unseren Mitbewohnern dieselbe zu entziehen im stande ist.

Bei dieser Rücksichtnahme aber lasse man es bewenden. Es empfiehlt sich nicht, Verkehr im selben Hause anzufangen, falls nicht besondere Verhältnisse[36] vorliegen, die bestimmend wirken. Nie aber sollte man versäumen, allen Mitbewohnern beim Begegnen auf Flur und Treppen höflichen Gruß zu bieten, gleichviel, ob man sie kennt oder nicht. Besser, in die Lage zu kommen, vielleicht einen völlig Fremden zu grüßen als an einem Hausbewohner ohne Gruß vorüberzugehen. Ebenso sind Kinder und Dienstboten anzuhalten, jeden im Hause zu grüßen.

Auch in Bezug auf den Vermieter befolge man die weise Regel, Hausverkehr möglichst zu vermeiden. Beide Teile stehen entschieden besser miteinander, wenn sie sich den Einblick in die inneren Familienverhältnisse des anderen versagen. Strenges Erfüllen des Mietsvertrages auf beiden Seiten, freundliches Begegnen bei unvermeidlichen Anlässen und gewissenhaftes Einhalten der gegebenen Hausordnung seitens des Mieters werden am besten ein dauernd angenehmes Verhältnis ergeben.

– Nachdem nunmehr alles Notwendige über Einrichtung und Verhalten in der Familienwohnung gesagt, können wir uns den Bewohnern derselben zuwenden.[37]

Quelle:
York, B. von: Lebenskunst. Leipzig [1893], S. 1-38.
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