Reise nach Holland

[48] Da ich mich bei der Ruhe und der mütterlichen Pflege rasch und gut erholte, konnte ich gegen den Frühling wieder an Reisen denken. Angeregt durch Herrn von Liphart und durch eine Einladung seiner Gönnerin, der Großfürstin Marie, Schwester Kaiser Alexanders II., hatte ich mich entschieden, zunächst die Petersburger und daran anschließend die Skandinavischen Sammlungen zu besuchen, um dann, vor einer zweiten Reise nach Italien, im Sommer vor allem London und Paris kennenzulernen. Für Petersburg hatte ich mich mit Zahn verabredet, der dort nahe Verwandte hatte. Dem Ärmstem sollte die Reise verhängnisvoll werden!

Doch vorher wurde ich noch zu einer kurzen Fahrt nach Holland verführt. Ich hatte Professor Hotho mitgeteilt, daß die mir von einem früheren Besuch Amsterdams her bekannte Sammlung Roëll-Hodson Mitte April zur Versteigerung käme und hatte ihm ein paar Bilder: einen Hobbema und ein Interieur des damals noch ganz unbekannten E. Boursse, warm empfohlen. Daraufhin schrieb mir Hotho, daß einige Aussicht auf die Erwerbungen sei, da soeben der Kronprinz zum Protektor der Königl. Museen ernannt worden sei und der lange Winterschlaf der Sammlungen endlich beendet zu sein schiene. Ich möge die Reise machen, er würde mir noch vor der Versteigerung das Resultat seiner Bemühungen nach Amsterdam telegraphieren. Ich reiste sofort über Aachen nach Holland, erhielt aber am Tage vor der Auktion die betrübende Nachricht, daß leider keine Mittel aufzutreiben gewesen wären. Daß ich nicht schlecht gewählt hatte, bewies[48] der Erfolg der Auktion, in der der Hobbema und der Boursse, sowie ein kleiner charakteristischer E. de Witte, das Meisterwerk dieses Künstlers, die höchsten Preise erzielten. Alle drei wurden von Sir Richard Wallace erworben und befinden sich heute in der Wallace Collection in London. Schon zwei Jahre früher hatte ich versucht, die Chancen der kleinen Versteigerung einer holländischen Sammlung, welche in Paris unmittelbar vor Ausbruch des Krieges stattfand, der Sammlung His van Blockhuisen aus Rotterdam, für die Berliner Galerien auszunutzen, gleichfalls vergeblich. Doch kaufte dort wenigstens Herr Wesselhoeft in Hamburg auf meinen Rat das kleine interessante Porträt des Constantin Huygens von Rembrandt und ein treffliches Bildnis von Terborch in ganzer Figur für ein Billiges; leider auch eine als Cuyp bezeichnete Landschaft von Stry statt der köstlichen Klöpplerin von J. Vermeer (jetzt im Louvre), die ich ihm besonders warm empfohlen hatte.

Anfang Mai rüstete ich zu der nordischen Fahrt, die damals noch ein Ereignis war. Nur Waagen hatte dort, Anfang der sechziger Jahre, mehrere Monate zugebracht, um auf direkte Einladung Kaiser Alexanders den Katalog der Eremitage-Galerie vorzubereiten. Auf Grund seiner Arbeiten hatte er das nützliche Buch über die Kunstsammlungen von St. Petersburg abgefaßt, das auch mir als Vorbereitung und an Ort und Stelle als Führer gute Dienste leistete. Es war mir sehr wertvoll, mit einem so liebenswürdigen, älteren Fachgenossen wie Albert von Zahn die Reise machen zu können. Dieser hatte damals gerade einen großen Erfolg gehabt durch die von ihm seit Jahren vorbereitete Holbein-Ausstellung, die durch die Entscheidung gegen das Dresdener Exemplar des Meyerschen Madonnenbildes, trotz des Protestes der Dresdener Künstlerschaft, besonders denkwürdig wurde. Wir hatten verabredet, uns in Berlin zu treffen und dort noch weitere Informationen und Empfehlungen einzuholen. Ich kam einige Tage vor Zahn in Berlin an und suchte sogleich meine alten Gönner auf, die ich seit zwei Jahren nicht gesehen hatte.

Quelle:
Bode, Wilhelm von: Mein Leben. 2 Bde, 1. Band. Berlin 1930, S. 48-49.
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