Begründung der Sammlung italienischer Bronzestatuetten

Alfred Beit und Julius Wernher

[86] Wie diesen Altdorfer für unsere Galerie, so erwarb ich gleichzeitig für die Galerie in Straßburg etwa ein Dutzend interessanter Bilder, ebenfalls zu ganz billigen Preisen und für unsere plastische Abteilung eine Anzahl guter Kleinbronzen von Bertoldo, Riccio, Gian Bologna u.a. Wenn ich den Preis dieser Bronzen nenne, unter denen der große Herkules von Bertoldo mit 100 £ die teuerste war, so wird man heute an eine Fabel oder einen unerhörten Glücksfall denken, da jetzt z.B. ein Preis von 8000 £ für jene Herkulesfigur nicht übertrieben klingen würde. Und doch waren bis zu dem Zeitpunkt für solche Preise erst wenige Käufer. Foulc hat seinen Löwenkampf von Bertoldo für denselben Preis von Bardini gekauft, und ich selbst habe die schöne Fama in der Art des Francesco da Sant' Agata bei Simonetti in Rom mit 220 Mark bezahlt.

An der Erwerbung dieser Statuetten war mir damals ganz besonders gelegen, nachdem ich durch den vorher abgeschlossenen Kauf einer Anzahl ähnlicher Stücke mit der Sammlung Joseph den Grund zu einer Sammlung von Kleinbronzen gelegt hatte und darauf ausgehen mußte, diese auf eine ähnliche Höhe zu bringen wie unsere übrigen plastischen Sammlungen, namentlich die Abteilung der Plaketten. Den Wunsch, Bronzestatuetten für uns zu erwerben, hatte ich von jeher gehabt. Das eine oder andere Stück hatte ich auch anschaffen können, und zwar um billigen Preis, aber gute Bronzefigürchen gelangten selten in den Handel, wenigstens kamen sie mir nicht zu Gesicht – von einigen Stücken abgesehen, die ich kurzsichtig genug war, nicht zu kaufen (wie den vom Löwen angegriffenen Neger der Sammlung Foulc) oder sie entgingen mir durch einen schlechten Streich (wie der David Bellanos, jetzt in derselben Sammlung). Die Sammlung des alten Joseph, eines Londoner Antiquars, der sich vom Geschäft zurückgezogen hatte, wurde mir durch einen anderen Deutsch-Engländer[87] von feiner, künstlerischer Empfindung, den Champagnerhändler Henry Pfungst, der seither bessere Geschäfte durch Kunsthandel als durch sein Weingeschäft gemacht hat, zum Kauf angeboten. Da sie manche dekorative und vor allem kunstgewerbliche Stücke enthielt, war der Kauf nur möglich durch die Teilnahme des Kunstgewerbemuseums und namentlich des einen oder anderen Privatsammlers. Die Gelegenheit dazu bot sich dadurch, daß ich damals in London in einem kleinen Privathotel »Princess Chambers« in Pall Mall mit einem deutschen Bekannten, Alfred Beit, zusammen wohnte, den ich ein paar Jahre früher kennengelernt hatte und dem ich beim Ankauf billiger alter Gemälde behilflich war. Die Bekanntschaft mit diesem genialen Freund und Mitarbeiter von Sir Cecil Rhodes wurde vermittelt durch den ersten Chef derselben großen südafrikanischen Goldfirma, Julius Wernher. Dieser hatte mir im Jahre 1889, indem er sich darauf bezog, daß er Preuße von Geburt und deutscher Reserveoffizier sei, ein paar große niederländische Rundbilder zum Geschenk für unsere Galerie angeboten, die sich als sehr erwünschte Ergänzung der Folge eines niederländischen Meisters um 1500 erwiesen, von der wir bereits zwei Bilder besaßen. Wernher hat sich seither dauernd, auch nachdem er sich in England hatte naturalisieren lassen, als guter Deutscher und Freund unserer Museen gezeigt. Wir verdanken ihm die Folge der Multscher-Bilder, das feine Goes-artige Bildchen mit dem Tode Mariä aus der Sammlung Sciarra, einen köstlichen Willem Kalf und mehrere tüchtige plastische Arbeiten, für deren Erwerbung er mir das Geld zur Verfügung stellte. Auch Alfred Beit, der sich mir bei seinen Kunstkäufen mit der Zeit ganz anvertraute, verdanken wir, als Zeichen seiner Erkenntlichkeit, dafür manches treffliche Stück unserer Sammlungen, darunter den großen Gainsborough und, als Vermächtnis, die köstliche Herkulesbronze von Pollajuolo und ein stattliches Porträt von Reynolds.

Zur Teilnahme an dem Kauf der Joseph-Sammlung entschloß sich Beit, weil er das Haus, das er für seine Mutter in[88] Hamburg gerade errichtet hatte, in künstlerischer Weise auszustatten wünschte, und für sein eigenes Haus, mit dessen Plan er sich damals schon trug, eine Reihe von Kunstwerken sammeln wollte. Die Bronzen übernahm ich nach unserer Abmachung sämtlich für das Museum. Da mir aber unter etwa 80 Stück kaum zwei Dutzend für unsere Sammlung geeignet erschienen, so gab ich den Rest an Bekannte, und für den Erlös konnte ich fast gleichzeitig jene Statuetten der Butlerschen Sammlung, andere aus der Sammlung Pfungst und Propert in London sowie eine Anzahl hervorragender Bronzefigürchen im italienischen Kunsthandel erwerben. In Italien war gerade eine größere Sammlung von Kleinbronzen aus altem Besitz, die Sammlung Brambilla in der Lombardei, durch den Tod des Besitzers in den Handel gekommen. Der Antiquar Achille Cantoni in Mailand, ein lieber, eifriger Kunstfreund, aber von wenig künstlerischem Sinn, hatte den Kauf abgelehnt. Um wenige tausend francs war sie von der Vedova Arrigoni gekauft worden, und von ihr hatte der venezianische Antiquar Richetti die besten Stücke, für welche der alten Spitzenhändlerin das Verständnis fehlte, fast umsonst erworben. Als ich wenige Wochen darauf nach Italien kam, waren die Bronzen schon in Bardinis Besitz übergegangen. Ich schätzte mich glücklich, daraus noch die Schutzflehende von Sant' Agata, ein Prachtexemplar der Leonardopferdchen, das Tintenfaß mit der Figur der Geschichte in der Art des Sansovino und die sogenannte Andromeda, wahrscheinlich von Antico, zusammen um 15000 Mark, erwerben zu können.

Dieser kleine, aber sehr gewählte Stamm und das Glück, welches ich in der Zusammenbringung gehabt hatte, war mir ein Ansporn, gerade diese Sammlung mit aller Energie weiter auszubauen; im Laufe von ungefähr zehn Jahren war sie schon auf die fünffache Zahl erweitert. Es befanden sich darunter eine Reihe von Meisterwerken von Donatello, Pollajuolo, Bertoldo, Antico, Riccio usw., durch die unsere Sammlung erst ihre wahre Bedeutung erhielt. Beim Sammeln habe ich dann, durch das förmliche Zusammenleben mit den kleinen Figuren,[89] die ich oft wochen- und monatelang zur Reinigung und Patinierung bei mir im Hause hatte, die Eigenart der einzelnen Meister allmählich kennengelernt, mit deren Namen bisher ganz willkürlich umgesprungen war. So konnte ich später in meiner Publikation der »Italienischen Bronzestatuetten der Renaissance« (1907, 2. Auflage 1912) das Werk der Hauptmeister in ähnlicher Weise zusammenstellen, wie ich es vorher in der bei Bruckmann erschienenen großen Publikation der »Toskanischen Bildwerke der Renaissance« (1892–1905) für die große Plastik Toskanas getan hatte. Dieses wissenschaftliche Entdecken und Herausarbeiten der einzelnen Meister, eines Bertoldo, Antico, Francesco da Sant' Agata, Maffeo Olivieri u.a.m., der Nachweis ihrer Herkunft und Zusammenhänge, auf die ich durch meine Erwerbungen geführt wurde, ist mir der größte Genuß und schönste Lohn dieser zuweilen recht aufregenden und nicht immer erfreulichen Jagd nach Kunstwerken gewesen.

Welchen Umfang und was für eine Bedeutung unsere Sammlung der italienischen Renaissance-Plastik gewonnen hatte, zeigte sich erst recht, als 1892 ein Oberlichtsaal eingerichtet wurde, der (mit spärlichen Mitteln) eigens dafür in den Hof des Alten Museums eingebaut worden war. Licht und Verhältnisse dieses Raumes und die Aufstellung, welche mit der großen Madonna Benedettos vor einem prächtigen, kurz vorher in Venedig gekauften persischen Tierteppich abschloß, wirkten so glücklich zusammen, wie wir es in gleichem Maße bei der späteren Aufstellung im Kaiser-Friedrich-Museum in keinem Raume wieder ganz erreicht haben. Dieser Oberlichtsaal, dessen »schlechte Verhältnisse und elende Beleuchtung«, ja, dessen »Zusammenfall nach spätestens zehn Jahren« uns der Museumsarchitekt, der sehr ungern an diesen Einbau heranging, vorausgesagt hatte, ist auch jetzt nach etwa zwanzig Jahren, nachdem die Antikenabteilung davon Besitz genommen hat, noch der günstigste Raum der griechischen Skulpturensammlung. Für die deutsche Plastik, die aus kleinen Anfängen stetig angewachsen war, konnte ich mir damals (1893) nur[90] mit größter Mühe einen dürftigen Raum hinter den Gipsen im Neuen Museum erkämpfen, der aber als Vorbereitung für die spätere Aufstellung im Kaiser-Friedrich-Museum doch nicht ohne Bedeutung war.

Quelle:
Bode, Wilhelm von: Mein Leben. 2 Bde, 2. Band. Berlin 1930, S. 86-91.
Lizenz:
Kategorien:

Buchempfehlung

Strindberg, August Johan

Inferno

Inferno

Strindbergs autobiografischer Roman beschreibt seine schwersten Jahre von 1894 bis 1896, die »Infernokrise«. Von seiner zweiten Frau, Frida Uhl, getrennt leidet der Autor in Paris unter Angstzuständen, Verfolgungswahn und hegt Selbstmordabsichten. Er unternimmt alchimistische Versuche und verfällt den mystischen Betrachtungen Emanuel Swedenborgs. Visionen und Hysterien wechseln sich ab und verwischen die Grenze zwischen Genie und Wahnsinn.

146 Seiten, 9.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon