Beziehungen zu ausländischen Forschern

[10] An Anregungen für unsere Wissenschaft und angenehmen persönlichen Beziehungen fehlte es in unserem Museumskreis und durch die fremden Kollegen und Kunstfreunde, die unsere Museen besuchten, in jener Zeit wahrlich nicht. Karl Justi und Abr. Bredius sah ich häufiger in Berlin oder ich traf sie unterwegs, namentlich Bredius, nachdem wir uns auf der Reise in Spanien näher kennengelernt hatten. Von Fremden kamen Henry Wallis, Gustav Dreyfus, John P. Heseltine, vor allem mehrere Jahre hintereinander Louis Courajod. Im Sommer 1883 brachte er Eugène Müntz mit. Trotz des gleichen Studienkreises blieb mir dieser fleißige Archivforscher und noch fleißigere Vielschreiber doch fern, während mir Courajod auch innerlich nähertrat als sonst irgendein fremder Kollege. Wiederholt, zweimal soviel ich weiß, war auch Morelli in Berlin. Er suchte den Restaurator auf und durchstöberte mit ihm unsere Magazine, hielt es aber nicht der Mühe wert, Meyer oder mir auch nur eine Karte zu hinterlassen. Dagegen überschwemmte uns gerade um diese Zeit der Kreis, den er damals um sich in Mailand gesammelt hatte: Gustav Frizzoni, sein Engadiner Landsmann, der deutsch-amerikanische Bierbrauer Habich aus Kassel, die alte kaustische Trompete von Morellis Ruhm, und I.P. Richter. Durch letzteren erfuhren[10] wir – wenn auch nur andeutungsweise, denn er tat sehr mysteriös –, um was es sich bei allen diesen Besuchen handelte: Morelli wollte Material haben, um gegen uns, insbesondere gegen mich zu schreiben. Nach Jahresfrist wurde uns dies genügend klar.

Das Jahr 1883 schloß für mich mit einem schweren Verlust. Ende Oktober starb plötzlich mein noch rüstiger, kaum 71 Jahre alter Vater an einer Lungenentzündung, die bei einem Lungenemphysem, an dem er litt, von vornherein fast hoffnungslos gewesen war. Mit ihm verlor Braunschweig einen der wohlwollendsten, durch seinen schlagenden Witz bekanntesten und beliebtesten Männer von vornehmer patriotischer Denkungsart, der lange Zeit der Vertreter seiner Heimatstadt im Reichstag war. Leider hatte das Mißtrauen, das er in den Ernst und die Aussichten meines Studiums setzte, zwischen uns nicht mehr das herzliche Verhältnis aufkommen lassen, das ihn mit seinen Töchtern und anderen Verwandten verband.

Quelle:
Bode, Wilhelm von: Mein Leben. 2 Bde, 2. Band. Berlin 1930, S. 10-11.
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