Eröffnung des Kaiser-Friedrich-Museums

[159] Während der Neubau des Kaiser-Friedrich-Museums rasch unter Dach gebracht war, ging es mit dem Innenausbau sehr[159] langsam vorwärts, so daß ich schließlich, da der Architekt zur Beschleunigung nicht zu bewegen war, im Herbst 1903 den Kaiser bat, einfach den Eröffnungstermin festzusetzen. Als solchen bestimmte er Kaiser Friedrichs Geburtstag im folgenden Jahre, den 18. Oktober 1904. Jetzt mußte die Innendekoration sehr beschleunigt werden. Ihne beschränkte sich im wesentlichen auf die Ausstattung der beiden Treppenhäuser, der Basilika und einiger Hauptsäle und überließ uns die Wahl der Stoffe, ihre Färbung und Musterung. In den unteren Räumen, für die Aufstellung der Bildwerke, der Originale wie der Abgüsse, wählten wir eine schon im Alten Museum seit längerer Zeit erprobte Kochelleinwand von graugrüner oder bläulichgrüner Färbung, die sich seither gut bewährt, wenn auch keineswegs als farbenbeständig erwiesen hat und als Stoff etwas gar zu gewöhnlich ist. In der Bildergalerie gaben wir den Kabinetten der niederländischen Schulen einen tiefgrünen Plüschstoff, auf den ein schwärzliches Muster schabloniert wurde, den Oberlichtsälen dagegen eine Kochelleinwand, die erst an Ort und Stelle abwechselnd in grünlichen und rotbraunen Farben mit großen Mustern schabloniert wurde. Wir waren gezwungen, da die Berliner Maler dabei versagten, Dekorationsmaler aus München kommen zu lassen, welche die Aufgabe geschickt lösten.

Diese Auswahl der Stoffe und die Entscheidung über ihre Färbung und Musterung in den einzelnen Räumen erfolgte zum Teil erst, während die Aufstellung in vollem Gange war. Im Frühjahr war ich noch in Italien, im Juni auf der Düsseldorfer Ausstellung und in London und Paris gewesen; bald nach Anfang Juli begann der Umzug aus dem Alten Museum. Da ich wegen der Ausstattung und der Proben für die Behängung täglich bei der Aufstellung zugegen war, strengte ich mich allmählich so sehr an, daß ich plötzlich nicht mehr imstande war, auf den Füßen zu stehen. Ich mußte mich legen, und erst nach drei Monaten erlaubte mir der Arzt, wieder aufzustehen.[160]

Diese merkwürdige Art der »Venenstörung«, die nicht zu eigentlicher Thrombose führte, mich aber unfähig machte, zu gehen, hinderte mich zum Glück nicht am Arbeiten. Ich fand mich rasch in das Unvermeidliche und suchte vom Bett aus die Aufstellung zu leiten, indem ich von Tag zu Tag in der Galerie wie in der plastischen Abteilung die Aufstellung jeder einzelnen Wand genau aufzeichnete. Von der Ausführung wurde mir dann eine photographische Aufnahme gebracht, nach der ich, nach Rücksprache mit Dr. Friedländer für die Gemäldegalerie und mit Dr. Vöge für die Abteilung der deutschen Skulpturen, die nötigen Änderungen bestimmte. Die Aufstellung der frühmittelalterlichen und der islamischen Abteilung besprach ich nur im allgemeinen mit Dr. Wulff und Dr. Sarre. Die Ausführung besorgten sie danach allein, wozu in der frühchristlichen Abteilung schon die schweren Marmorwerke und die Zahl der Gegenstände nötigte.

Diese eigenartige Arbeitsteilung glückte vollständig, ja, sie war vielleicht günstiger und förderte die Aufstellung mehr, als wenn ich stets selbst dabei gewesen wäre, da ich so in aller Ruhe die Dispositionen treffen und meinen Assistenten, jedem für sich, die Ausführung überlassen konnte. Noch vor Mitte Oktober war die Aufstellung beendet. Gleichzeitig hatte ich den wiederholten Versuch aufzustehen endlich mit Erfolg machen können und durfte dem Museum gerade vor der Eröffnung einen ersten Besuch abstatten, um mich zu überzeugen, daß die Aufstellung im allgemeinen geglückt war.

Die Eröffnung fand auf Befehl des Kaisers mit großer Feierlichkeit statt. Es waren Einladungen nicht nur an alle höheren Beamten, sondern zugleich an alle Museumsfreunde, auch an fremde Kollegen und vornehme Sammler wie Graf Hans Wilczek, Prinz Johan nes Liechtenstein und Baron Heinrich Tucher, ergangen. Die Basilika bot den günstigsten Platz zur Feier, die sehr vornehm verlief. Da ich mich nur in einem Krankenstuhl bewegen durfte, sah ich der Feier von einem Balkon über der Basilika zu. Bei seinem Rundgang kam der[161] Kaiser nach oben, um mich zu begrüßen und mir zu dem gelungenen Werke zu gratulieren. Er sprach sich im höchsten Grade befriedigt aus; erst jetzt könne man sehen, welche. Schätze wir allmählich aufgesammelt hätten, und das verdanke Berlin in erster Linie mir. Dann erzählte er mir von dem großen Erfolg meines »Geschenkzimmers«. Es sei voll der schönsten Gaben für das Museum. Ich würde dort vielleicht auch eine Kleinigkeit entdecken, nach der ich schon lange »gepiert« hätte. Ich wußte gleich, was er meinte.

Seit längerer Zeit hatte mich nämlich der Kaiser mit einem frühromanischen Elfenbein geneckt, das ihm vom Grafen Fürstenberg-Stammheim geschenkt war, nachdem wir es diesem mit ein paar anderen Elfenbeinbildwerken der gleichen Zeit um 20000 Mark bereits abgekauft hatten. Ich hatte die Stücke in der Düsseldorfer Ausstellung gesehen. Da ich erfuhr, daß der Besitzer persönlich keinen Wert darauf legte, machte ich ihm ein Gebot, das er, nach langem Schweigen, zustimmend beantwortete. Er brachte die drei Tafeln selbst nach Berlin, wo ich sie mir bei ihm im Hotel ansah. Ich wollte sie gleich mitnehmen, der Graf bat aber, daß er sie erst dem Kaiser zeigen dürfe, der ihm auf den folgenden Tag eine Audienz bewilligt habe. Er würde sie dann gleich vom Schlosse aus ins Museum bringen.

Als er am folgenden Tage im Museum die Elfenbeine auspackte, waren es nur zwei, das beste Stück fehlte. Auf meine erstaunte Frage, wo das dritte Stück sei, antwortete er ganz naiv, der Kaiser habe ihn in so herzlicher, rührender Weise über den Tod seines (mit dem »Iltis« in den Gewässern von China untergegangenen) Sohnes zu trösten gesucht, daß er seinen Dank habe ausdrücken wollen, und da den Kaiser gerade dieses Elfenbein sehr interessiert habe, so habe er es ihm geschenkt. Er würde es ja sicher gleich dem Museum überweisen. Daß wir die Tafel bereits bezahlt hatten, schien den alten Herrn dabei gar nicht zu stören.

Einige Zeit darauf war ich abends zur Tafel befohlen. Nach Tisch forderte mich der Kaiser auf, mit in seine[162] »Kunstkammer« zu kommen; er wolle mir seine neuesten Erwerbungen zeigen. Dabei ging er schmunzelnd auf den Schrank los, in dessen Mitte ich schon von weitem die Elfenbeintafel stehen sah. Ich sagte sofort, wie ich mich freue, daß Seine Majestät mir das von uns gekaufte Elfenbein nun für das Museum übergeben wollte, was den energischen Protest des Kaisers hervorrief. Die Tafel sei ihm vom Grafen Fürstenberg geschenkt; das Museum bekäme sie nie! Ich erzählte dann, daß wir die Tafel mit den beiden anderen zusammen gekauft und bereits bezahlt hätten, und wie die Sache sich zugetragen habe. Aber der Kaiser schien unerbittlich, und auch bei späteren Besuchen zog er mich nur damit auf, daß auch ich einmal gründlich hereingefallen sei. Er hatte sich liebenswürdigerweise diese freudige Überraschung für mich bis zur Eröffnung des Neubaus aufsparen wollen.

Das Geschenkzimmer war außerdem noch mit einer ganzen Reihe wertvoller Stücke von den anwesenden Museumsfreunden gefüllt worden. Namentlich von Fremden. Alfred Beit hatte, um sich für den von mir verfaßten Katalog seiner Sammlung dankbar zu erweisen, das lebensgroße Porträt des Mr. John Wilkinson von Gainsborough in ganzer Figur geschenkt. Fürst Johannes Liechtenstein, Graf Hans Wilczek, der bayerische Gesandte Baron Heinrich Tucher und Dr. Eduard Simon hatten wertvolle Stücke zu meiner Sammlung altpersischer und kleinasiatischer Teppiche, die ich der islamischen Abteilung zur Eröffnung überwiesen hatte, hinzugefügt. Eine Anzahl interessanter, früherer niederländischer und deutscher Bilder wie einige Bronzen wurden von den Herren Marcus Kappel, Franz von Mendelssohn, Robert von Mendelssohn, W. von Dirksen, Karl von der Heydt, Frau Oscar Hainauer geschenkt. Das weitaus wertvollste Geschenk kam aber von Herrn James Simon, der seine ganze Sammlung italienischer und deutscher Renaissancekunst als Patengeschenk dem Kaiser-Friedrich-Museum in die Wiege legte, eine Sammlung, die seither als besonderes Kabinett eine Zierde des Museums bildet: eine treffliche Auswahl von Bildern und Skulpturen des 15. und[163] 16. Jahrhunderts, sowie namentlich eine reiche Sammlung von Medaillen und Medaillenmodellen dieser Zeit.

Noch eine hervorragende Erwerbung verdankt das Museum diesen Eröffnungstagen. Der Wunsch, sie mit Hilfe des Kaisers durchzusetzen, war der entscheidende Grund gewesen, der mich trotz meiner noch sehr großen Schwäche zum Besuch bei der Einweihung bestimmte. Ich hatte kurz vorher erfahren, daß die Direktion des Louvre indirekt an den Fürsten von Wied wegen Ankauf der beiden Tafeln von Simon Marmion, die in Düsseldorf ausgestellt waren, herangetreten sei. Das Gebot laute auf 750000 francs und man sei bereit, es bis auf eine Million zu erhöhen. Als der Kaiser mich bei dem Rundgang durch den Neubau im oberen Stock aufsuchte, benutzte ich die Gelegenheit, um ihn davon in Kenntnis zu setzen. Er war lebhaft entrüstet bei dem Gedanken, daß so wertvolle Bilder aus einer deutschen Fürstenfamilie in das Ausland verkauft werden könnten und wollte dies gleich in einem Telegramm an den Fürsten zum Ausdruck bringen. Ich bat ihn, dies nicht zu tun, da der Fürst ja bisher noch keinen Entschluß gefaßt habe und durch ein solches Telegramm freilich wohl davon abgebracht werden würde, die Bilder an den Louvre zu verkaufen, daß sie aber dann auch sicher nicht in unsere Hände kämen. Wenn Seine Majestät in dem Telegramm etwa aussprechen würden, daß er mit Freuden gehört habe, wie der Fürst auf das Gebot des Louvre nicht eingegangen und bereit sei, die Bilder an das eben von ihm eröffnete Kaiser-Friedrich-Museum zu verkaufen, so verspräche ich mir einen günstigen Erfolg. Der Kaiser war einverstanden und sandte noch vom Museum aus eine in diesem Sinne abgefaßte Depesche an den Fürsten. Es verging ein Monat ohne Antwort, wie mir der Kaiser selbst mitteilte. Endlich kam ein Brief vom Fürsten: er habe allerdings überhaupt nicht an einen Verkauf der Bilder gedacht, da er aber sähe, welchen Wert Seine Majestät auf die Erwerbung für das Kaiser-Friedrich-Museum lege, so sei er bereit, sie diesem für 400000 Mark abzutreten. Der Grund der verzögerten Antwort war die Weigerung der Fürstin, deren[164] Eigentum die von ihrem Vater, Prinz Friedrich der Niederlande, ererbten Bilder waren, diese überhaupt zu verkaufen. Mit großer Mühe hatte der Fürst sie schließlich überredet, da der Wunsch seines Kaisers ein Befehl für ihn sei. Für un sere reichhaltige Sammlung altniederländischer Bilder waren diese beiden ganz eigenartigen Tafeln wieder eine sehr erwünschte Bereicherung.

Quelle:
Bode, Wilhelm von: Mein Leben. 2 Bde, 2. Band. Berlin 1930, S. 159-165.
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