Gründung des Kaiser-Friedrich-Museums-Vereins

[110] Daß mein Befinden in diesem Winter ein sehr kritisches war, blieb auch mir keineswegs verborgen. Ein plötzlicher Abschied mitten aus meiner Tätigkeit heraus wäre mir damals sehr schmerzlich gewesen. Waren auch verschiedene Sammlungen während meiner Tätigkeit an den Museen wesentlich bereichert und zum Teil erst begründet worden, so standen doch andere, selbst größere Aufgaben noch bevor. Noch immer galt es, für diese Sammlungen den Platz und die richtige Aufstellung zu finden, den Neubau eines »Renaissancemuseums« durchzusetzen und auszuführen. Noch waren ganze Gattungen der Kunst in unseren Museen als überhaupt nicht berechtigt in einem Museum für höhere Kunst fortgelassen, deren Aufstellung mir notwendig oder sehr nützlich erschien. Vor allem wünschte ich den Versuch zu machen, unsere Museumsfreunde in einem Verein zusammenzufassen, durch den auch für einen Nachfolger eine wesentliche Unterstützung im Sammeln gesichert worden wäre. Nur an diese letztere Aufgabe konnte ich schon während meiner Krankheit denken. Was ich auf dem Krankenlager entworfen und mit mehreren Freunden brieflich verabredet hatte, kam bald darauf zur Ausführung. Mit Rücksicht darauf, daß damals der Neubau des von Kaiser Friedrich stets gewünschten Renaissancemuseums noch nicht gesichert war, steckten wir uns die Durchführung dieses Planes als erstes Ziel und als weiteres die Förderung der Sammlungen im Neuen Museum. Zunächst traten schon im Jahre 1895 einundzwanzig Kunstfreunde der Museen zusammen. Nachdem dann[110] der Kaiser das Protektorat übernommen hatte und dem Verein die Rechte einer juristischen Person verliehen waren, konstituierte er sich im April 1896 unter dem Namen »Kaiser-Friedrich-Museums-Verein«. Damals zählte er 44 Mitglieder, jetzt beläuft er sich schon seit Jahren auf etwa 100 Mitglieder, eine ansehnliche Zahl, da der jährliche Beitrag 500 M. beträgt, und außerhalb Berlins nur wenige Mitglieder zu gewinnen waren, und auch später kaum zu gewinnen sein werden. Denn allerorten sind seither Museumsvereine nach dem Vorbild des Kaiser-Friedrich-Museums-Vereins und teilweise in Konkurrenz mit demselben gebildet.

Der Verein hat, nachdem sein erstes Ziel, die Durchsetzung eines Neubaus, rasch erreicht war, seine weiteren Aufgaben, die Förderung der Erwerbungen für die Sammlungen, in vollem Maße erfüllt. Nach allen Richtungen sind aus den Beiträgen Ankäufe gemacht worden, meist von hervorragenden Meistern, darunter mehrere Bilder von Rembrandt, u.a. der »Mann mit dem Goldhelm«, ein Porträt von Memling, die »Kreuzigung« von J. van Eyck, ein Porträt des Meisters von Flémalle, das Altärchen von Martin Schongauer, Bilder von Masaccio, Tintoretto, drei Guardis, eine Tiepolo-Skizze, Bilder von G. Terborch, Jacob Ruisdael, Brekelenkam u.a.m. Dazu eine Reihe unserer schönsten Renaissanceskulpturen: die edelste Madonna von Luca, die prachtvolle große Büste von Sperandio, die feine Statuette des heiligen Bernhardin von Niccolo dell' Arca, Bronzen von Riccio, Gian Bologna, eine Reihe großer und besonders kleinerer deutscher Bildwerke usw. Daneben konnten durch Vorschüsse aus dem eisernen Fonds des Vereins die bedeutendsten Erwerbungen dieser Jahre, die Erwerbungen aus der Sammlung P. Clinton Hope, aus der Sammlung A. Thiem, der Gemälde von Fouquet, Simon Marmion, van Eyck usw. gesichert werden, während andererseits durch das regere Interesse der Mitglieder des Vereins eine beträchtliche Zahl wertvoller Geschenke an unsere Sammlungen gelangt ist.

Quelle:
Bode, Wilhelm von: Mein Leben. 2 Bde, 2. Band. Berlin 1930, S. 110-111.
Lizenz:
Kategorien: