Tod Alfred Beits und Rudolf Kanns

[186] Im Sommer desselben Jahres traf uns ein schwerer Verlust: Alfred Beit, dessen ich wiederholt gedacht habe, starb nach langem, schwerem Leiden, das sich während seines mehrmaligen Aufenthalts in Südafrika angesponnen hatte. Gemeinsames Sammeln und seine offene Hand gegen die Museen hatte mich ihm nahegebracht. Sein schlichter, vornehmer Charakter und seine bescheidene Art hatten mich noch darin bestärkt, gerade ihm beim Sammeln besonders behilflich zu sein. Eine stille Hoffnung mag mich dabei mitgeleitet haben, die Hoffnung, daß der Besitzer, der unverheiratet war, wenigstens einen Teil seiner Sammlungen unseren Museen vermachen würde. In dieser Erwartung hatte ich sogar nicht lange vor seinem Tode die ausgezeichnete Sammlung hispanomoresker Majoliken, zu deren Ankauf ich ihn bewogen hatte, und die er mir dann als Geschenk für unsere Museen anbot, ausgeschlagen, um nicht ein für uns wichtiges Legat dadurch zu verderben. Alfred Beit hat auch in der Tat an ein solches größeres Vermächtnis gedacht und sich bis zu. seinem Ende mit der Absicht getragen; zu der Ausführung konnte er sich aber, nachdem er englischer Untertan geworden, und da sein kolossales Vermögen fast ganz[186] in England und den engli schen Kolonien angelegt war, nicht entschließen, vor allem mit Rücksicht auf die immer sich steigernde Eifersucht Englands auf Deutschland. Nur ein paar einzelne Stücke, ein tüchtiger Reynolds und eine ausgezeichnete Bronze von Pollajuolo, fielen uns als Legat zu. Die Sammlungen gingen als Ganzes an den Bruder Otto des Verstorbenen über, mit dem ich durch gegenseitige Beihilfe beim Sammeln dieselben guten Beziehungen aufrechterhalte.

Eine noch größere Enttäuschung hatte ich schon zwei Jahre vorher, bei dem Tode von Rudolf Kann, der einem alten Leiden erlegen war. Ich war Kann durch beinahe zwei Jahrzehnte mit Rat und Tat kaum weniger behilflich beim Aufstöbern, von alten Kunstwerken gewesen als Alfred Beit, hatte ihm zu seinen schönsten Rembrandts, van Dycks, zu manchen seiner primitiven Niederländer und Italiener verholfen und schließlich nicht einen, sondern sogar zwei Kataloge seiner Sammlungen verfaßt. Kann hatte nie daran gedacht, sich dafür mir persönlich oder den Museen dankbar zu erweisen; nur mit Mühe hatte ich ihm gelegentlich ein paar ganz unbedeutende Bildchen als Gegenleistung abgerungen. Um so mehr konnte ich erwarten, daß er unsere Sammlungen testamentarisch bedenken würde, hatte er doch mehrfach Andeutungen darüber gemacht, namentlich dem mir nahe befreundeten Kollegen Fr. Lippmann. Danach ging er damit um, die Sammlungen aufzuteilen: die Primitiven dem Louvre, die Holländer und Vlamen der Berliner Galerie und die Franzosen vielleicht seiner Vaterstadt Frankfurt zu vermachen. Aber trotz seiner zunehmenden Krankheit zögerte er aus abergläubischer Furcht, ein neues Testament zu machen. Erst als ihn sein Arzt darauf vorbereitete, daß er nur noch wenige Tage zu leben habe, ließ er einen Notar zu sich kommen, dem er – wie ich später von Rudolf Kanns Geschwistern erfuhr – mitteilte, was er an persönlichen Legaten aussetzen und was er über seine Kunstsammlungen bestimmen wolle. Von den Legaten machte der Notar sofort eine Niederschrift. Die Bestimmung über die Sammlungen erklärte er, wegen der Schwäche des Kranken,[187] erst im Hause niederschreiben und an einem der folgenden Tage zur Unterschrift vorlegen zu wollen. Er erschien aber erst, nachdem er die Nachricht vom Tode Kanns erhalten hatte. Welches die Ansichten des Verstorbenen gewesen, hat der Notar nie verraten. Er starb plötzlich wenige Tage nach dem Testator. Und der mit ihm zusammenwohnende Bruder Moritz Kann, welcher jene Bestimmungen zweifellos kannte, hat nie darüber etwas verlauten lassen. Auch wurde ihm der Mund schon wenige Monate darauf für immer geschlossen. Der Mann, der niemals krank gewesen war und noch Jahrzehnte vor sich zu haben glaubte, starb plötzlich noch in demselben Jahre.

Beide Sammlungen wurden durch die Kunsthändler Duveen erworben, welche alle Hauptwerke nach Amerika verkauft haben. Mit Mühe gelang es mir, nach langen Unterhandlungen 1907/08, einige kleine, aber künstlerisch besonders wertvolle und für unsere Sammlung interessante Bilder von Rembrandt, Jakob Ruisdael, Jan Fyt, G. Cocx, Benozzo Gozzoli u.a., sowie aus der Sammlung Moritz Kann die reizende Landschaft mit den Keglern von Brouwer, teils als Geschenk der Firma Duveen, teils käuflich zu erwerben.

In diesen Jahren glückte mir die Ausfüllung mancher Lücken unserer Sammlung, dank der guten Beziehungen, die ich damals, wie von jeher, mit jungen, aufstrebenden und begabten Händlern angeknüpft hatte, namentlich mit Luigi Grassi in Florenz, mit Langton Douglas und Willy Grétor in London. Ich konnte eine Anzahl Trecentobilder, kleine Tafelbilder von Masaccio und Fra Filippo Lippo, eine Reihe malerisch ausgezeichneter Bilder von Canale, Guardi und Tiepolo, von Goya, Velazquez (die frühen »Musikanten«) und Zurbaran (ein Knabenporträt), sowie verschiedene primitive Niederländer erwerben. Auch konnten wir in diesen Jahren Gemälde von Scorel, A. Mor, Cleef, Bosch usw. und einige wenige Holländer, wie die »Kranke« von Gabriel Metsu, meist billig oder als Geschenk für die Gemäldesammlung gewin nen. Gleichzeitig wurden die Abteilung der deutschen Skulpturen und die verschiedenen Sammlungen[188] der italienischen Plastik in ähnlicher Weise nach verschiedenen Richtungen ausgebaut, die Abteilung der altchristlichen und frühmittelalterlichen Kunst namentlich durch den Eifer unseres Vertreters in Konstantinopel, Dr. Wiegand, und durch die Beihilfe von Dr. Ludwig Pollak in Rom.

Quelle:
Bode, Wilhelm von: Mein Leben. 2 Bde, 2. Band. Berlin 1930, S. 186-189.
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