Weitere Erwerbungen besonders in Italien

[117] Leider zwang mich meine Krankheit, die verschiedenen großen Ausstellungen jener Jahre: die beiden Rembrandt-Ausstellungen in Amsterdam und London, die Weltausstellung in Paris 1900, die van Dyck-Ausstellung und die Jordaens-Ausstellung in Antwerpen zu versäumen. Die Brügger Ausstellung 1902 war die erste große Ausstellung, die ich wieder besuchen durfte. Zu wichtigen Versteigerungen sandte ich daher meist Dr. Max Friedländer, der 1896 nach[117] Tschudis Berufung zum Direktor der Nationalgalerie auf meinen Wunsch als Assistent bei der Galerie eingetreten war. Seinem Interesse und seiner hervorragenden Kenntnis der älteren nordischen Schulen verdankt die Galerie verschiedene treffliche Werke, die er im Londoner Kunsthandel fand, so das männliche Porträt des Meisters von Flémalle, den Mann mit dem Kammerherrnstab von Jan van Eyck, den Johannes Baptista in der Landschaft von Geertgen tot St. Jans u.a.m. Auch die Prüfung und den Ankauf der beiden Altarbilder von Hugo van der Goes in Madrid und Monforte hat Friedländer vorgenommen, erstere gemeinsam mit Generaldirektor Schoene.

Ausnahmsweise habe ich während meiner Krankheit auch wohl einmal nur auf eine Photographie hin die Erwerbung eines nicht zu kostspieligen Kunstwerkes gemacht; nicht immer blieb mir dabei eine Enttäuschung erspart! Ich habe daher, selbst in den ersten Jahren nach meiner Erkrankung, in denen ich sehr unbeweglich war, Reisen zur Besichtigung nicht gescheut, wenn es nur irgend meine Gesundheit erlaubte. Auch von den Bädern aus, die ich damals zu meiner Rekonvaleszenz aufsuchen mußte, konnte ich gelegentlich günstige und selbst hervorragende Erwerbungen für uns machen.

Im Frühjahr 1895, als ich eben wieder reisefähig war, brachte mich meine Frau nach der Riviera. Der Aufenthalt in Nervi tat mir nicht gut, da die Wege für meine kranken Beine zu wenig eben waren. Trotzdem machte ich eine Fahrt nach einer nahen Villa Spinola, wo ich ein Porträt von van Dyck sehen sollte. Ich fand das Bildnis eines jungen, vornehmen, schönen Mädchens, ein zweifellos echtes Werk von van Dyck, aber so verräuchert und verkohlt von dem Kamin, über dem es seit ein paar Jahrhunderten hing, daß ich nicht einmal den Preis von 10000 francs, der dafür gefordert wurde, zu zahlen wagte. Später hat es Sedelmeyer um 5000 francs gekauft, Hauser glückte es, das Bild durch Tränkung mit Öl wieder so sehr zu beleben, daß es Adolph Thiem erwarb. Heute ist es als Geschenk des Herrn Thiem in dem Kabinett unserer Galerie aufgestellt, das seinen Namen führt. Wie billig[118] damals gelegentlich Gemälde von van Dyck in Genua, zu haben waren, für den sonst schon seit der napoleonischen Epoche regelmäßig ganz übertriebene Preise gefordert wurden, erfuhr ich einige Zeit darauf. Mir wurde durch eine etwa fingergroße Dilettantenphotographie das Bildnis eines jungen Mannes in ganzer Figur angeboten. Das Bild selbst konnte man mir nicht zeigen, da es von einem Spediteur in einem Speicher der Turiner Station gepfändet war. Da es mir jedoch nach der Photographie einen durchaus echten Eindruck machte, erwarb ich es schließlich um 1200 francs. Ich hatte die Katze im Sack gekauft, aber sie war gut. Wenn das Bild auch für unsere Galerie nicht genügte, so war es doch als Kaminstück für den Bildersaal eines Bekannten sehr erwünscht.

In Meinberg, wo ich im August desselben Jahres die Schlammbäder nahm, benutzte ich die Muße, um für Rudolf Kann einen Katalog seiner Bilder anzufertigen, den ich später noch einmal umarbeitete, als er seine Sammlung durch eine Anzahl von Meisterwerken bereichert hatte. Gerade damals begannen die alten adligen Familien in England unter der Hand einzelne ihrer besten Werke um hohe Preise (wie man damals glaubte) zu verkaufen. Sie beehrten mich zum Teil mit dem »first offer«, so Lord Carlisle, Lord Brownlow, Earl Darnley, Lord Ashburnham. Aber unsere Mittel reichten für die geforderten Preise nicht aus, zumal sie damals gerade durch die Beteiligung am Verkauf der Sammlung Clinton Hope festgelegt waren. Ich habe dann die Bilder Berliner Bekannten und, da auch diese meist nicht mittun wollten, Rudolf Kann oder Alfred Beit empfohlen.

Während ich in Meinberg war, richteten Prinz und Prinzessin von Schaumburg die Residenz im nahen Detmold ein. Die Prinzessin bat mich, ihr bei der Bestimmung und Aufstellung der Bilder und Miniaturen behilflich zu sein. Ich konnte ihr zugleich für die Einrichtung eine Anzahl guter Möbel in den Badezellen von Meinberg nachweisen, die der Hofverwaltung gehörten. Leider sollte sie nicht sehr lange Freude daran haben![119]

Neben Meinberg hatte mir mein alter Freund und ärztlicher Ratgeber, Professor Hasse, welcher damals als hoher Achtziger in Hannover lebte, als besonders wirkungsvolles Moorbad Battaglia empfohlen. Da ich mich den Winter über wesentlich erholte, reizte mich der Gedanke, einmal mehrere Wochen in einem italienischen Bade zuzubringen, das am Fuße der Euganeischen Berge und ganz nahe bei Padua und Venedig gelegen ist. Ich ging also im Mai 1896 nach Battaglia, und da mir die Kur sehr gut bekam, ein Jahr darauf noch einmal.

Bei diesem zweiten Aufenthalt traf ich dort die Prinzessin Friedrich Karl von Preußen. Der Umgang mit der liebenswürdigen alten Dame wurde leider etwas erschwert durch ihre hochgradige Taubheit. In ihrer Gefälligkeit ging sie so weit, daß sie mir sogar bei Erwerbungen für unsere Sammlungen zu helfen suchte. Ich hatte ihr von einer Sammlung der Marchesa Salvadori in Padua erzählt, in der ein Marmorrelief von Dalmata und einige treffliche frühpaduaner Bronzen seien, welche die Besitzerin durchaus nicht verkaufen wolle. Die Prinzeß meinte, ob eine Anfrage ihrerseits uns nicht helfen könne. Sie würde gern an die Dame schreiben, möchte aber die Sammlung vorher einmal mit mir sehen. Wir fuhren daher eines Tages gleich nach dem zweiten Frühstück nach Padua, wurden aber unterwegs von einem so heftigen Gewitter überrascht, daß wir aussteigen und in ein Bauernhaus an der Straße flüchten mußten. Recht verspätet gelangten wir nach Padua, wo wir die Marchesa Salvadori zwar nicht antrafen, aber die Sammlung wenigstens sehen und die Auswahl der besonders wünschenswerten Stücke machen konnten. Tags darauf schrieb die Prinzessin. Erst nach Wochen kam eine Antwort, leider eine ablehnende und obendrein in sehr unhöflicher Form.

Bei einer der Fahrten nach Padua gelang mir die Erwerbung eines prächtigen Renaissancetisches von außerordentlichen Dimensionen, den das Findelhaus schon seit Jahr und Tag für 500 Mark nicht hatte ver kaufen können. Der mehr als 5 Meter lange, auf drei mächtigen, reichgeschnitzten Beinen ruhende Tisch schmückt heute unseren Saal der Raphael-Tapeten. Von[120] Battaglia aus erwarb ich gleichzeitig auch die imposante Tonbüste eines Bologneser Professors, der seine Linke auf die Brust gelegt hat, das Meisterwerk Sperandios. Ich kannte die Büste seit Jahren im Besitz eines Professors Corvisieri in Rom, der seine Beziehungen zur Geistlichkeit in geschickter Weise für gelegentliche Käufe und Verkäufe von Kunstwerken benutzte. Da Venturi die Erwerbung der Büste für den Staat dringend wünschte, hatte ich nie darauf unterhandelt. Als mir aber ein durch Battaglia reisender Händler mitteilte, daß Corvisieri, nachdem er acht oder zehn Jahre auf den Abschluß des Kaufs durch die Regierung vergebens gewartet habe, die Büste jetzt dringend zu verkaufen wünsche, ließ ich sie durch den Händler zum Preise von etwa 7500 Mark erwerben. Da sie sich in Rom befand, war es leicht, die Ausfuhrerlaubnis zu erhalten, denn damals interessierten sich die meisten Herren der Ausfuhrkommission in Rom nur für die Antike. Die Büste Sperandios erhielt mit einem »pfui« und einer Schätzung auf 100 francs sofort das lascia-passare.

Quelle:
Bode, Wilhelm von: Mein Leben. 2 Bde, 2. Band. Berlin 1930, S. 117-121.
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