Franz Marc 09.08.1910

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Sindelsdorf, 9. Aug. 10


Lieber Macke,


endlich bekommst Du Deine schönen Bücher zurück. Den Meier-Graefe ehrt es nur, wenn sein Buch etwas abgegriffen aussieht, – entschuldige, wenn ich in meinem Enthusiasmus etwas dazu beigetragen habe. Ich lege Dir drei kleine Bücher bei mit schönen Geschichten als Pendant und palliativ zu den blühenden Gärten des Ostens! Frl. Franck schickt Deiner Frau einen japanischen Sonnenschirm, um durch diese gute Tat die schrecklichen Götter des Regens zu besänftigen; möge sie dadurch ›von Westen her allmählich Besserung‹ bewirken. Einen leichten Anlauf dazu haben diese Tage ja schon genommen. Was machst Du? malst Du? Mensch, wenn Du es nicht tätest!! Wie kurz ist ein Jahr, und wie wenige Jahre hat man zu leben! Der Gedanke macht mich oft fiebrig. Ich habe ja mein ›Jahr‹ gegen früher dadurch verlängert, dass ich nun Herbst und Winter auch hier draussen bleibe, ohne dieses lähmende München der anderen Jahre. Aber dennoch! dennoch! gibt es heute eine furchtbarere Verantwortung, als Maler zu sein? Gut, wirklich ›gut‹ malen zu müssen? Du Halcyonier lachst mich aus natürlich.

Kommst Du zur Gauguin-Ausstellung herein? Ich bin Samstag mit Frl. Franck in München, 11 Uhr 26 am Starnberger Bahnhof, zwischen 12 und 1 bei Thannhauser. Komm doch auch!

Dass Moilliet dem Gedanken einer Gruppe beigestimmt hat, freut mich sehr – quod dii bene vertant. Du siehst, ich hab's neuerdings mit den ›Gottheiten‹, – aber nicht mit den Deinen, als da sind Weisgerber etc. Ich bleibe bei meinem alten Eindruck: er macht Palettenkunst; auch dazu braucht man sicher Talent; aber mir ist sie grässlich.

Alle Sindelsdörflinge grüssen bestens. Empfiehl uns Deinem Sohne und Deiner lieben Frau. Pfotenschlag von


Deiner armen Robbe

Quelle:
Franz Marc, August Macke: Briefwechsel. Köln: DuMont, 1964., S. 16-17.
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