Franz Marc 29.12.1910

[36]  

München, 29. Dez. 10


Mein lieber Guter,


wenn Du von meiner bescheidenen Sendung ›platt‹ warst (wie Du sagst, was aber keinesfalls auf Dich zutreffen dürfte), so war bei mir ganz das Gegenteil der Fall, – ich schwoll mächtig an in meinem Stolz, diese ganz köstlichen Kacheln auf einmal zu besitzen. Sie freuen mich riesig, und dass es bei Frl. Fr. dasselbe sein wird, weiss ich voraus. Du hast ganz recht, in solchen ruhevollen, einfachen Sachen liegt die letzte Quintessenz der Kunst; eine Brücke, ein rauchender Kamin, ein Haus, das sich im Wasser spiegelt; die Dinger sind glänzend! Ich danke Euch beiden recht herzlich, ebenso für die lieben Zeichnungen, die mich sehr freuten, und die guten Kuchen. Das Paket gelangte auf Umwegen an die Adresse meiner Mutter, weil Du wieder 124 geschrieben statt 12/IV. Ich habe es Dir wahrscheinlich seinerzeit undeutlich angegeben. Es kam aber alles im besten Zustand an.

Ich sah mich heute bei Proheretzky um, momentan war nichts bedeutendes an erotischen Einzelblättern da; Ende Februar wird Neues kommen. Gute Blätter (landschaftlich) von Hiroshige (allerdings momentan zur Ansicht verschickt) wären da; ich weiss nicht, ob Du dazu Lust hast; 1 Blatt ungefähr in dem Preise Deiner 5 Bücher, ca. 20 M. Glänzende Schwert-Stichblätter, auch ca. 20 M. Erotische Blätter gibt es zahllose und man muss mit Vorsicht und Geduld warten, bis einem etwas wirklich Gutes unterkommt. Darin liegt für mich der Reiz erotischer Kunst; sie muss so gut sein, dass sie alle Bedenken und Einwände wie ein brausender Sturmwind fortbläst. Zwei Dinge hat momentan Proheretzky: Ein Buch (36 M. Minimum!),[36] leider nicht ganz gut erhalten, ist erstklassig; Du hast es gesehen. Dann eine Rolle (nicht, die Dir damals so gefiel, wie er mir sagte; ich warne Dich, sie ist neu und sie wird Dich nicht dauernd befriedigen). Aber eine andere (60 M), die höchst merkwürdig ist. Ich behaupte, dass sie überhaupt persisch ist; von einem Perser, der japanische Erotikas machte, wie man im 18. Jahrhundert in Frankreich Chinoiserien machte (Porzellan, Fächer etc.) Es wird vielleicht nicht gerade sehr alt sein, seine dämonische Gewalt aber unvergänglich, wobei die stellenweise Süsslichkeit der Farbe meineserachtens auch ganz belanglos ist, – also mit gutem Gewissen würde ich Dir nur die zwei Sachen zur Ansicht senden, – schreib, ob ich es soll. Du kannst ruhig ein Konto bei P. nehmen und langsam, früher oder später, zahlen, wie es Dir passt. Sonst lass Dein Guthaben von 17.50 einfach bei ihm stehen, bis ich einmal was finde, was sich in diesem Preis lohnt.

Dein Vergnügen an der Ofenkachel, die ich Dir als Pot frisiert geschickt habe, wird nicht allzu lange andauern. Dazu ist sie technisch zu wenig bemalt. Mich lockte nur die formale Idee des Ganzen; wie aus dem Kreis das Rechteck herauswächst. Die Rillen aussenherum sind von mir nur vertieft und verstärkt worden, rühren aber ursprünglich von der Arbeit auf der Drehscheibe her, sind also technisch nicht willkürlich. Man sollte einen Töpfer haben, der einem solche Dinge machen könnte und bei dem man auch die farbigen Glasuren selber machen könnte. So ein Anstrich ist natürlich ein Unsinn.

Nun adio, ein andermal mehr. Nochmals allen Dank und Grüsse von allen; bitte grüss auch Deinen Schwager bestens von mir und empfiehl mich höflichst Eurer Frau Mutter. Sag bitte Deiner Frau, die Kuchen hätten glänzend geschmeckt!


Dein Fz. M.


Prost Neujahr!


Ab 1. Januar wieder Adr: Sindelsdorf!

Quelle:
Franz Marc, August Macke: Briefwechsel. Köln: DuMont, 1964., S. 36-37.
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