Franz Marc 30.08.1910

[19]  

Sindelsdorf, 30. VIII.


Lieber Macke,


heute bekam ich eine Epistel von Brakl, die an Komik wenig zu wünschen übriglässt. Erstens fragt er an, ob nicht vielleicht »der Niestlé-Schnellzug endlich mit dreivierteljähriger Verspätung in seinem Hauptbahnhof Goethestr. 64 einfährt«. Zweitens beauftragt er mich flehentlich, Dir zu sagen, dass er »der Erste sein möchte, der Dich vor die grosse Öffentlichkeit stellt«. »Sobald der junge Künstler eine Kollektion hat, die einen Raum füllt, bitte ich ihn, mir das Material anzuvertrauen«.

Drittens und bestens ersucht er mich, Herrn Brüne zu schreiben und ihm zu versichern, dass es ihm, Brakl, eine Ehre sein würde, nach Schluß der Ausstellung im Glaspalast eine Kollektion Brüne dem kunstsinnigen Publikum vorzureiten. »Die Ausstellungen bei mir haben jungen und auch gereifteren Meistern noch niemals Schaden gebracht, im Gegenteil moralisch stark genützt.«

Ist es nicht köstlich? Mich wundert nur, dass Brakl sich nicht an Dich gewandt hat, um Herrn Brüne zum Tanze an der Goethestrasse aufzufordern. Ich schrieb Herrn Brüne ziemlich förmlich, da ich ihn ja kaum kenne und bat ihn, sich darüber mit B. direkt in Verbindung zu setzen. Ich schreibe Dir dies alles, damit Du auf alle Fälle unterrichtet bist.

Für mich plant er, wie er schreibt, eine Berliner Ausstellung; ich winkte insofern ab, als ich ihm sagte, dass für mich momentan nur eine Ausstellung bei Cassirer von Nutzen sein könnte. Wenn er eine solche deichseln kann, ist es ja recht (was ich aber stark bezweifle). Sonst soll er lieber warten. Ich bin überzeugt, dass Thannhauser[19] die einzig mögliche Verbindung mit Cassirer ist. Ich habe heute fest vor, mit Brakl und Thannhauser zu gehen; doppelt genäht, hält besser, und Eifersucht ist ein gutes Ferment.

Mein gestriger Brief stösst mir heute wie ein schlechter Brocken auf. Er wurde in später Nacht geschrieben, in einer etwas stark verblödeten Stilistik. Ich habe nur mehr eine dunkle Erinnerung an ihn. Er sollte Euch nur erzählen, dass der elterliche Besuch ziemlich harmlos verlaufen. Ein paar väterliche Ermahnungen hat es, glaub ich, gesetzt. Mutter Franck kochte zwei wundervolle Mittagessen, die äusserst versöhnend auf die Stimmung wirkten.

Mit herzlichen Grüssen an Euch beide Euer ergebener


Fz. Marc

Quelle:
Franz Marc, August Macke: Briefwechsel. Köln: DuMont, 1964., S. 19-20.
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