28 [28] Brief an Maria Franck

6.1.1910


... Nun muß ich Dir ein Erlebnis von heute schildern, von dem ich mir manche angenehme Möglichkeiten verspreche. Es klopft. – Vor der Türe stehen drei sehr junge und ziemlich elegante Herren. [August und Helmuth Macke sowie Bernhard Koehler junior, d. Hrsg.]. Fragen nach mir. Sie haben bei Brakl zwei Lithographien (›unter dem Tisch‹) stehen sehen, die Pferde u. die badenden Frauen, von denen sie so begeistert sind, daß sie mich kennenlernen wollen. Brakl, bei dem sie sich als ev. Käufer benahmen, hat ihnen absolut nichts anderes von mir gezeigt und sie durchaus auf Münter, Putz etc. zu hetzen versucht. Sie waren sehr erstaunt zu hören, daß B, schon eine ganze Reihe Sachen von mir hat. Er scheint mit meinen Sachen um jeden Preis zurückhalten zu wollen. Nun aber das Wertvollere. Die drei Herren sind Maler, u. Cézanne ist ihr Gott. Und der Vater des[28] einen hat eine berühmte Sammlung von van Gogh, Cézanne, Maillol etc. Die drei machten auch einen mehr als vermögenden Eindruck. Haben sich alles angesehen. Über ihre Urteilsfähigkeit kenne ich mich noch nicht so ganz aus. Jedenfalls können ihnen Bilder nicht hell und farbig genug sein. Am meisten haben sie sich fast an meinen Plastiken gefreut. Sie leben momentan am Tegernsee, wohin sie mich dringend eingeladen. Der eine (nicht der Sohn des Sammlers) besitzt selbst eine Maillol-Plastik, Cézanne-Lithographien etc. Ich fahr jedenfalls einmal, mit Dir, – ich sprach von Dir und Deinem Interesse für die Sachen – hinaus. Sie kennen natürlich Paris und die Sammlungen dort genau; der eine, Herr Macke ist aus Bonn. Vielleicht finde ich hier einen Kreis von intelligenten Malern; ich zeigte ihnen auch die Niestlé-Bilder, die ihnen sehr imponierten. Die Verbindung mit dem Berliner Herrn, – den Namen habe ich nicht erfahren (ich hatte den Eindruck, daß der eine seinen Namen ausdrücklich verschwieg), ist auch vielleicht aussichtsreich. Jedenfalls weht in diesem kleinen Kreis eine andere Luft. Aber keine Spur von Bohème, – das Gegenteil, Tip-top. Über Maurice Denis schimpften sie etwas, – reines Himbeer; wenigstens seit den letzten Jahren. – Ich machte eine Andeutung, daß es mir momentan wertvoller wäre, wenn man bei Brakl kaufte, als privatim bei mir. – Also weißt Du wieder einmal was ›Neues‹, – i hör mi schon gehn! Etwas gefreut hat es mich doch, weil aus den Leuten eine seltene, uneigennützige Kunstbegeisterung sprach und selbständiges Handeln ...

Quelle:
Franz Marc: Briefe, Schriften, Aufzeichnungen. Leipzig: Gustav Kiepenheuer, 1989, S. 28-29.
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