80 [76] Brief an Gabriele Münter

Sindelsdorf, 21.7.1912


Liebes Fräulein Münter, besten Dank für Ihre Nachrichten über Kandinskys Ergehen; hoffentlich geht nun die Erholung einen schnellen Schritt, wir freuen uns so auf ein fröhliches Wiedersehen[76] in Murnau. Wegen dieser blöden Pechstein-Sache [Aufzeichnungen und Schriften Nr. 13, d. Hrsg.] soll sich Kandinsky ja nicht aufregen. So was verläuft ja meist im Sande langweiliger Erklärungen. Sie haben auch ganz recht zu sagen, daß ›mein Herz‹ mich treibt; daß Pechstein einen ungebildeten eitlen und dummen Brief geschrieben hat, bleibt jedem klar. Nur ist der Unfug der Barmer Künstler nicht nur gegen Pechstein verübt, zudem ich einen meiner Bekannten unter diesen Spaßvögeln vermute, dem ich nur ungern eine Antwort schuldig bliebe. Der Futurismus als malerische Idee ist und bleibt für mich etwas Ernstes, etwas, das wert wäre, von uns Deutschen aufgegriffen und weitergedacht zu werden; in der Sache stecken lauter pro und contras; daß ich mich ganz besonders für den eitlen Pechstein verwenden möchte oder ev. werde, brauchen Sie nicht zu fürchten; die Folgen seines dummen Briefes muß er schon selbst ausfressen ... Wie schön, daß Kandinsky eine Aktie genommen hat. Ich habe seinerzeit das Schreiben von Walden an Wolfskehl weitergegeben, in der Annahme, daß Sie natürlich dasselbe Schreiben erhalten haben. Das Wetter ist wieder herrlich. Alle herzlichen Grüße und Wünsche von meiner Frau, Campendonk und mir für Sie beide

Ihr F. Marc.

Quelle:
Franz Marc: Briefe, Schriften, Aufzeichnungen. Leipzig: Gustav Kiepenheuer, 1989, S. 76-77.
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