93 [83] Brief an August Macke

Sindelsdorf, 12.3.1913


Lieber August, mit meinen rührigen Bemühungen habe ich es wenigstens erreicht, daß ich überhaupt gar keine Einladung zur ›Sommerausstellung‹ bekam. Es war letzhin allerdings der Herr Carl Einstein als ›Abgesandter‹ Cassirers hier in München, um für die Ausstellung zu werben, hat sich aber in der Kühle unseres Empfanges etwas erkältet. Ich denke gar nicht daran, ›Unterschriften‹ gegen Cassirer zu sammeln. Ich rate allen Kollegen ab, mitzutun, weil ich dort auszustellen[83] für verfrüht und in gewissem Sinne für ›Verrat an unserem eigenen Wollen‹ halte. Das Beispiel Pechstein ist für mich typisch. Ich habe kein reines Gefühl mehr vor seiner Persönlichkeit. Mir ist höllisch Angst vor einer Popularität wie der seinen. Nolde tut auch keinesfalls mit, die ›Brücke‹ hat sich bis jetzt auch gesträubt. Aber was die tun, ist mir schließlich auch nicht ausschlaggebend; wenn sie mittun, ist es ›der Not gehorchend, nicht dem eignen Triebe‹. Meier-Graefe hielt letzthin in München einen Vortrag, in dem er uns alle als Geschäftsmacher bezeichnete und das Publikum aufforderte, es solle sich gegen uns verbinden etc.!! Und Cassirer denkt im Grunde genauso. Mit diesem Kreis will ich nichts zu tun haben. Ich habe die Erfahrung gemacht, daß, wer was von mir haben will, zu mir selber kommt. Wer sich für mich und uns alle interessiert, geht sehr wohl in den ›Sturm‹ und kauft auch dort; der ›Sturm‹ ist als Ausstellungsraum glänzend, riesengroß, gutes Licht, dunkle Wände; ich hab recht gut dort verkauft; tout Berlin braucht gar nicht hinzugehen, ist mir viel lieber so. Gurlitt bedrängt mich seit Monaten, ich soll doch nur bei ihm ausstellen; ich habe ihm jetzt durch Niestlé sagen lassen, wenn er mich durchaus für seinen Salon braucht, soll er mit kaufen anfangen. Auf dem Ohr scheint er aber taub zu sein; wozu soll ich dann bei ihm statt im ›Sturm‹ ausstellen? Ich war dreimal in Berlin (wegen Niestlé) dort und habe, glaube ich, einen einzigen Besucher dort getroffen. Legros war ebenfalls öfters in der Niestlé- und gleichzeitig Pechstein-Ausstellung und traf nie einen Menschen dort. Wenn was Interessantes dort ist, geht man hin, so gut wie in den ›Sturm‹. Tu Du, wie es Dir am besten scheint; ich will mich zurückhalten; ich fühle es als Pflicht gegen meine Ideen über das Ziel unserer Arbeit, das nicht über den Weg der Berliner ›Sommerausstellungen‹ zu erreichen sein wird. Du schimpfst oder lachst, – ich bin nun einmal so.

Daß Du Kandinskys Vier Klänge ›schlecht‹ findest, ist mir vollkommen unverständlich; ich denke das Gegenteil: sehr gut.

Ich möchte zu gerne sehen, was Du jetzt malst. Geht Deine Arnoldkollektion nicht nach München? Ich bin ebenfalls in großer Tätigkeit; ich male ein Bild Der Turm der blauen Pferde und Die ersten Tiere, Katzen und Eber usw. Auf die Delaunay-Ausstellung freue ich mich; sie kommt wohl nach München. – Meine (sehr verstärkte) Gereons-Kollektion war in Jena, – nichts verkauft, geht 15. März im ›Sturm‹ auf, später Dresden (Arnold).

Die Lasker-Versteigerung ergab 1600 Mk. Es waren keine rechten Käufer da, sonst hätte viel mehr erzielt werden können. Danke für Deine Sachen ...

Quelle:
Franz Marc: Briefe, Schriften, Aufzeichnungen. Leipzig: Gustav Kiepenheuer, 1989, S. 83-84.
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