73. Vom alten Bauern, der hinter den Ofen ackern fuhr

[72] Es war einmal ein alter Bauer, der nahm. seinen Pflug und fuhr hinter den Ofen ackern; er ackerte lange, lange; da fand er nur einmal eine große Truhe. »Was wird darinnen sein?« dachte er; er hätte das gerne gewußt. Die Truhe aber war zu und hatte ein dickes Schloß; er ging nun und holte einen Schlosser mit vielen Schlüsseln. Dieser nahm den größten Schlüssel, der paßte gerade und schloß auf. Was sehen sie: In der Truhe war noch eine Truhe und diese auch geschlossen; der Schlosser nahm den zweiten Schlüssel und sperrte auf. Da fanden sie wieder eine Lade, und so ging es nun noch lange fort; in der Lade wieder eine Lade, und immer eine schöner wie die andre;

zuletzt kamen sie auch auf ein kleines goldnes Lädchen, aber nun hatte der Schlosser keine Schlüssel mehr; er nahm eine goldne Stecknadel, machte daraus ein Schlüsselchen und sperrte auf. Nun sahen sie endlich das große Wunder: Da war ein kleines goldnes Kälbchen, das hatte den Schwanz sich abgenagt, bis auf ein kleines winziges Stümpfchen. Wäre das Stümpfchen länger gewest, so wäre auch mein Verzählchen länger gewest!

Quelle:
Haltrich, Josef: Deutsche Volksmärchen aus dem Sachsenlande in Siebenbürgen. Wien: Verlag von Carl Graeser 1882, S. 72-73.