III, 1. [235].

[54] Nach dem Eingange, in welchem der Dichter den Agni um Kraft zum Opfer bittet und ihn einladet, beschreibt er (Vers 2b bis 6), wie die Götter den Agni einsetzten und ihn als Blitzfeuer auffanden umgeben von den Müttern, den Regenwassern der Gewitterwolke, die als sieben verschwisterte Ströme ihn tränken und reinigen. Dann beschreibt er (Vers 7-14) das von den Göttern auf der Erde eingesetzte Agniopfer, wie Agni aus den aufgeschichteten Holzstücken, mit Butter beträufelt aufsteigt, zum Vater, dem Himmel, und zu den Wolkenmüttern, die ihn säugen, empordringt, wie er des Himmels Spross, die Sonne, den lichten Stier, durch seine Strahlen nährt und dessen Gattinnen Nacht und Morgenröthe hegt (Vers 10.) Die Götter selbst bewunderten ihn, als er zuerst aus der Vana, dem weiblichen d.h. weicheren der beiden gegeneinander geriebenen Holzstücke, geboren ward. Zu diesem ersten mystisch gehaltenen Theile unseres Liedes ist besonders das Lied 226 zu vergleichen. Im zweiten Theile (Vers 15-23) wendet sich der Dichter an das im Hause angezündete Feuer, der einfache Fortschritt in diesem Theile wird durch die Verse 16 und 19 unterbrochen, die wol nicht zu dem ursprünglichen Liede gehören. Der Sohn in Vers 12 ist der Opferer, der sich als des Agni Sohn betrachtet.
[54]

1. Verhilf mir Agni zu der Kraft des Soma,

zum Priester mach' mich, bei dem Fest zu opfern;

Der Götter achtend schirr' ich an den Pressstein;

ich wirke emsig, Agni, du erfreu' dich.

2. Wir förderten das Opfer, Sang gedeihe;

Agni versahn mit Flammen sie voll Ehrfurcht,

Vom Himmel lehrten sie die Schar der Priester

und schafften Fortgang jedem raschen, starken.

3. Und Lust empfand der weise, reingesinnte,

verwandt der Erd' und durch Geburt dem Himmel;

Die Götter fanden auf den schönen Agni

in den Gewässern bei dem Werk der Schwestern.

4. Die sieben Ströme nährten ihn, den schönen,

als licht und roth in Pracht er ward geboren;

Die Stuten eilten wie zum jungen Füllen,

die Götter schmückten Agni, den gebornen.

5. Mit lichten Gliedern dringend durch die Lüfte,

durch weises Läutern seinen Sinn durchläuternd,

In Licht gekleidet um die Flut der Wasser

erlangt er grosse, ganz vollkomm'ne Schönheit.

6. Zu Himmels Strömen, treuen, die nicht zehren,

die unbekleidet doch nicht nackt sind, schritt er;

Dort nahmen auf den einen Spross die sieben

Geschwisterströme, sie die alt doch jung sind.

7. Die vielgestalt'gen Schichten sind gelegt ihm,

im Schoss der Butter, in dem Strom der Tränke;

Dort standen schon von Milch geschwellt die Kühe,

vereint des wunderkräft'gen grosse Aeltern.

8. Genährt erstrahltest weit, o Sohn der Kraft, du,

annehmend lichte, glänzende Gestalten;

Der süssen Butter Ströme träufeln nieder

dort, wo der Stier durch Seherkraft erstarkt ist.

9. Des Vaters Busen fand durch eigne Kraft er,

und seine Ströme goss er aus und Tränke,

Fand den, der heimlich ging mit holden Freunden;

nicht war er selbst versteckt in Himmels Strömen.

10. Des Vaters und Erzeugers Spross ernährt' er;

er sog allein an vieler Mütter Brüsten;

Die beiden, die dem lichten Stier verwandt sind

und ihm vermählt, die menschenholden, hege.

11. Der grosse wuchs in weiter Unbeschränktheit;

denn viele schöne Wasser sind um Agni,

Der Hausfreund wuchs im Schooss des heil'gen Rechtes,

Agni im Werk der engverbundnen Schwestern.[55]

12. Als Strebepfeiler in der Wellen Andrang

ist sehenswerth dem Sohn der lichtdurchstrahlte;

Er, der das Licht erzeugte als Erzeuger,

der Wasser Spross, der starke, rasche Agni.

13. Den schönen Spross der Wasser und Gewächse,

an Farben bunt gebar die holde Vana;

Die Götter selbst, sie kamen hin mit Freuden,

bewunderten das prächt'ge Kind, das starke.

14. Dem lichtdurchstrahlten strebten lichte Götter,

dem Agni zu wie glanzbegabte Blitze,

Aus ihm, der heimlich wuchs in seinem Sitze,

im weiten Raum den Göttertrank sich melkend.

15. Auch ich der Opfrer ehre dich mit Opfern,

erfleh begierig deine Huld und Freundschaft;

Miss zu dem Sänger Labung durch die Götter

und schütze uns durch häusliches Erglänzen.

[16. Uns, deine Treuen, der du trefflich leitest,

lass, Agni, aller Güter Füll' empfangen,

Durch kinderreichen Segen vorwärts dringen,

die gottvergessnen Feinde uns besiegen.]

17. Du Agni warst der Götter helles Banner,

erfreuend, kennend alle Geisteskräfte;

Du siedeltest die Menschen an als Hausfreund;

im Wagen fährest stracks du zu den Göttern.

18. Ins Haus der Menschen liess der Gott sich nieder,

als König er, beglückend die Gemeinden,

Mit Schmalz im Antlitz strahlt er in die Weite,

Agni, besitzend alle Geisteskräfte.

[19. Komm her zu uns mit segensreicher Freundschaft,

mit grossen Hülfen eilend du, der grosse;

Verschaff uns reiches Gut, das Sieg verleihet,

und schönes Glück, das hohen Preises werth ist.]

20. Ich will verkünden, Agni, die Geburten,

die alten und die neuen, dir dem alten;

Dem Stier sind hier bereitet grosse Mahle,

in jedem Haus ist Gast der Wesenkenner.

21. In jedem Haus ist Gast der Wesenkenner,

ohn' End' entflammt vom Stamm des Viçvamitra;

In seiner Gunst, des hehren, seien stets wir

theilhaftig hohen, segensreichen Glückes.

22. Dies Opfer schaffe du, o kraftbegabter,

uns götterwärts, o wirkungsreicher, freundlich;

O Priester, schenk uns reiche Labetränke,

und grossen Schatz, o Agni, opfre her uns.[56]

23. Dem Beter schaff als Labung wunderreichen

Besitz an Rindern fort und fort, o Agni,

Ein eigner Sohn sei uns und Stammvermehrung,

das sei uns, Agni, deine Gunsterweisung.

Quelle:
Rig-Veda. 2 Teile, Leipzig 1876, [Nachdruck 1990], Teil 1, S. 54-57.
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