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[488] Gespräch des Purūravas und der »Urvaçi«. Das ganze Lied ist späten Ursprungs und scheint (Roth zu »Nirukta«; S. 155) aus einer ursprünglich religiösen Idee in das Gebiet grober Sinnlichkeit übertragen, und durch noch spätere Einschiebungen, die sich mit Wohlgefallen auf diesem Gebiete bewegen, vermehrt zu sein. Purūrava, der viel rufende, der Sohn der Iḍā (der Andachtsergiessung) und Urvaçī, die viel begehrende oder auch die viel gewährende, die Genie der Inbrunst, erscheinen hier durchaus nicht mehr in dieser ethisch-religiösen Beziehung, sondern das Verlangen des zu den Göttern rufenden Menschen, und die Gewährung der die Inbrunst erweckenden und belohnenden Göttin, sind hier in sinnliche Begierde und Wollust umgewandelt. Urvaçī hat sich dem Purūravas hingegeben, ist aber in dem Moment, den das Lied vor Augen stellt, im Begriff, sich von ihm zu trennen und scheidet zuletzt von ihm mit der Verheissung, dass er in den Himmel (svargá) der Seligen aufgenommen werden soll. Vieles in dem Liede bleibt dunkel und abgerissen, und die spätere an dies Lied geknüpfte Fabel kann nicht zur Aufhellung dieses Dunkels verwandt werden.


1. Wohlan, o Weib, halte inne mit deinem Vorhaben [mich zu verlassen], o Ehrfurchterweckende, wir wollen jetzt Worte miteinander wechseln; wenn diese unsre Reden ungesprochen bleiben, so werden sie uns in späterer Zeit keine Lust bereiten.

2. »Was soll ich mit dieser deiner Rede machen? Ich bin jetzt hervorgeschritten wie die erste der Morgenröthen; o Purūravas,[488] gehe wieder nach Hause; ich bin schwer zu ergreifen wie der Wind.«

3.25 Wie ein Pfeil des Köchers [fliegt meine Begierde] de Schönheit zu, wie ein schnelles Geschoss, das Rinder erbeutet, hundertfaches erbeutet; bei unmännlichem Willen gibt es kein Erglänzen [kein Gelingen]; die stürmenden [Pfeile, Begierden] liessen Getön vernehmen, wie Mutterschafe, die [nach den Lämmern] brüllen.

[4. siehe unten.]

5. »Dreimal des Tages hast du mich gestossen mit deinem Gliede und fülltest reichlich ein der nicht verlangenden; ich gab deinem Willen nach, o Purūravas, da warst du, o Held, Beherrscher meines Leibes.«

6. Die von Lust erhitzte, in Liebe verwandte Linie bespiegelt sich wie im See (?), die verschlungene bewegliche; diese Salben strömten wie Morgenröthen (?) und nahten zu schönem Glücke wie milchende Kühe (?).

7. »Bei diesem, als er geboren ward, sassen vereint die Götterfrauen, und es nährten ihn die durch sich selbst willkommenen Ströme; als dich, o Purūravas, die Götter zum grossen Kampfe, zur Erlegung der Dämonen kräftigten.«

8. Als ich, der Mensch, jene übermenschlichen Weiber, die ihr Gewand fallen liessen, mit meinen Armen umschlang, da bebten sie vor mir zurück wie eine bebende Schlange, wie Rosse, die gegen den Wagen ausschlagen.

[9. siehe unten.].

10. Sie, welche wie ein herabstürzender Blitz leuchtete, brachte mir die begehrungswerthe Feuchtigkeit, und aus dem Nass wurde geboren ein edler Knabe; langes Leben möge Urvaçī verleihen.

11. »Du bist ja recht dazu geboren, um Schutz zu verleihen; diese Kraft hast du auch an mir erwiesen; ich, die ich's weiss, unterwies dich an jenem Tage; du hörtest nicht auf mich; was wirst du nun sagen, wenn dir der Genuss entzogen ist?«

12. Wann wird der Sohn, der geborene, nach dem Vater verlangen? wenn er's erfährt, wird er in der Erinnerung Thränen vergiessen. Wer darf die gleichgesinnten Gatten trennen, so lange noch das Feuer bei den Schwiegerältern leuchtet?

13. »Ich will dir antworten; mag er auch Thränen vergiessen, nicht wird er weinen, gedenkend [meiner] heilsamen Pflege; ich werde dir [einst] zusenden das, was du bei uns hast; gehe nach Hause; denn nicht, o Thor, wirst du mich erlangen.«

14. Forteilen möchte heute der, dem die Götter einst hold waren, in die weiteste Ferne zu dringen und nicht wieder umkehren; immerhin möge er liegen im Schoosse der Nirriti [des Todes] und wüthende Wölfe ihn fressen.

15. »Purūravas, nicht sollst du sterben, nicht davon eilen, nicht sollen dich unheilvolle Wölfe verzehren.« Ach es gibt keine dauernde Freundschaft mit den Weibern, ihre Herzen sind Herzen der Wölfe.

16. »Als ich in andrer Gestalt unter den Sterblichen wanderte und bei ihnen in den Nächten weilte vier Jahre hindurch, da genoss ich des Tages einmal einen Tropfen Butter, und davon ganz gesättigt wandre ich hier.«

17. Die Urvaçī, die die Luft erfüllt, und den Raum durchmisst,[489] verehre ich, der trefflichste; dich möge erreichen, was die Frömmigkeit darbringt; o kehre wieder, mein Herz wird gequält.

18. »So sprechen zu dir die Götter hier, o Sohn der Idā: Wie du dort ein Todesgenosse bist, so soll dein Geschlecht die Götter mit Opfertrank ehren; du aber sollst im Himmel (svargé) selig sein.«


4. 9. Diese Verse, welche ganz aus dem Tone des Gesprächs herausfallen, scheinen später zur Erläuterung (von Vers 5 und 8) hinzugefügt.


4. Sie, dem Schwiegervater aus der Nähe des Hauses Gut und Nahrung bringend, so oft es der Liebhaber wünscht, gelangte hin zu dem Hause, an dem sie Gefallen hatte, Tag und Nacht von dem Gliede des Mannes gequält.

9. Wenn der Sterbliche mit den unsterblichen Weibern kosend sich mit den flutenden wie aus eigener Lust (?) mischt, dann schmücken sie ihre Leiber wie Tauchenten, wie lustige Rosse einander beissend.

Quelle:
Rig-Veda. 2 Teile, Leipzig 1877, [Nachdruck 1990], Teil 2, S. 488-490.
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