Einleitung.

[7] Die Aitareya-Upanishad gehört der Schule der Aitareyin's an, die das Aitareya-brâhmaṇam und Aitareya-âraṇyakam besitzen, in welchem letztern die Aitareya-Upanishad enthalten ist. Über den Ursprung dieser Schule teilt Sâyaṇa im Eingange seines Kommentars zum Ait. Br. folgende Legende mit.

»Es war einmal ein grosser Ṛishi, der hatte viele Gattinnen. Unter ihnen war eine mit Namen Itarâ; diese Itarâ hatte als Sohn einen Knaben, der hiess Mahidâsa. Und so heisst es im Araṇya-Teile: ›darum fürwahr [sprach] solches wissend Mahidâsa Aitareya (d.h. Sohn der Itarâ)‹ (Ait. Âr. 2, 1, 8, 2). Nun hatte aber der Vater desselben zu seinen Söhnen von den andern Frauen grössere Liebe als zu Mahidâsa, so dass er einstmals bei einer Opferversammlung dem Mahidâsa Verachtung bewies, indem er nur die andern Söhne auf seinen Schoss nahm. Worauf dessen Mutter Itarâ, als sie Mahidâsa mit betrübtem Angesicht sah, ihrer Familiengottheit, der Erde, gedachte. Da geschah es, dass die Gottheit Erde in göttlicher Gestalt vor der Opferversammlung erschien, dem Mahidâsa einen himmlischen Thronsessel schenkte, ihn darauf setzte und, indem sie seine Überlegenheit an Weisheit über alle die andern Knaben verkündigte, ihm als Gabe das geistige Schauen des vorliegenden Brâhmaṇam verlieh. Durch ihre Gnade wurde durch den Geist des Mahidâsa das aus vierzig Lektionen bestehende Brâh maṇam, welches anfängt: Agnir vai devânâm avama und aufhört mit stṛiṇute stṛiṇute (Ait. Br. 1, 1, 1 und 8, 28, 20), offenbart. Und ebenso wurde ihm weiter das mit atha mahâvratam anfangende und mit âcâryâḥ âcâryâḥ endigende (Ait. Âr. 1, 1, 1, 1 und 3, 2, 6, 9), für das Gelübde des Waldlebens bestimmte Brâhmaṇam offenbart.«

[7] Aus dieser Erzählung ergibt sich zweierlei: 1) dass Aitareya-brâhmaṇam und Aitareya-âraṇyakam als zwei Teile eines zusammengehörigen Ganzen betrachtet wurden, 2) dass dieses durch göttliche Inspiration offenbarte Ganze sich nur bis auf Ait. Âr. 3, 2, 6, 9 erstreckte, mithin Ait. Âr. 4 und 5 nicht umfasste. – In der Tat enthält Ait. Âr. 4 nur eine Liste der Mahânâmnî-Verse und gilt für ein Werk des Âçvalâyana (Verfassers eines Sûtram zum Ṛigveda), während Ait. Âr. 5 dem Çaunaka, dem Lehrer des Âçvalâyana zugeschrieben wird und wiederum das Thema von Ait. Âr. 1 im Sûtrastile aufnimmt. Beide Bücher, Ait. Âr. 4 und 5, gelten nicht für inspiriert und sind vielleicht nur zufällig dem Âraṇyakam angeschlossen worden statt den Sûtra's, zu denen sie gehören. Eine kurze Inhaltsangabe von Aitareya-brâhmaṇam und Aitareya-âraṇyakam mag als Probe von Inhalt und Zusammenhang beider Arten von Schriften hier folgen. Ersteres zerfällt in 40 Adhyâya's (die 40 Absätze unserer Übersicht), deren je 5 in eine Pañcikâ (Fünfheit) vereinigt sind, letzteres in 18 Adhyâya's welche sich auf die 5 Âraṇyaka's in ungleicher Weise verteilen.


Aitareya brâhmaṇam.

Erste Pañcikâ.

Khaṇḍa:

1-6. Dîkshâ, Einweihung vor dem Somaopfer (Agnishṭoma, erster Tag).

7-11. Prâyaṇîya, Eingangsspende des Somaopfers.

12-17. Somakraya und Âtithyam, Kauf und gastliche Aufnahme des Soma.

18-26. Pravargya, Upasad, Tânunaptram, Milchkochen in den Mahâvîra-Kesseln, Vorspenden mit Abstinenzen, Treueschwur (Agnishṭoma, zweiter und dritter Tag).

27-30. Agnipraṇayanam, Havirdhânapravartanam, Agnîshomapraṇayanam, Überführung des Feuers, Herbeiholen des Karren mit Soma, Einsetzung von Agni und Soma in ihre Stellen.


Zweite Pañcikâ.

1-10. Paçukarman, das der Somakelterung voraufgehende Tieropfer (ein Ziegenbock wird durch Erdrosselung getötet).

11-18. Behandlung der Vapâ, Netzhaut des Opfertieres (Agnishṭoma, vierter Tag). – Prâtaranuvâka, Frühgebet am Tage der Somapressung.

19-24. Aponaptrîyam, Weihung der Wasserkrüge. – Pressung des Soma und Darbringung der Upâṅçu- und Antaryâma-Spende.

25-32. Dvidevatya, Zweigötterspenden; Ṛituyâja, Spenden an die Jahreszeiten; Tûshṇîmçaṅsa, das stille Gebet.

33-41. Âjya-çastram, Rezitation der Âjya-Litanci bei der Frühspende.


Dritte Pañcikâ.

1-11. Das Pra-uga-çastram, rezitiert bei der Frühspende. Der Vashaṭkâra und die Nivid's.

12-24. Marutvatîyam und Nishkevalyam, rezitiert bei der Mittagsspende.

[8] 25-38. Vaiçvadevam und Âgnimârutam, rezitiert bei der Abendspende (Agnishṭoma, fünfter Tag).

39-44. Der bisher beschriebene Agnishṭoma (wenn vollständig, auch Catuḥshṭoma, Jyotiḥshṭoma genannt) mit 12 Çastra's ist das Modell (prakṛiti) des eintägigen Somaopfers. Andre Formen desselben sind: der Ukthya mit 15, der Shoḍaçin mit 16, der Vâjapeya mit 17, der Atirâtra mit 29, der Aptoryâma mit 33 Çastra's.

45-50. Allgemeines über Opfer, Priester und Metra. – Der Ukthya.


Vierte Pañcikâ.

1-6. Der Shoḍaçin und der Atirâtra.

7-14. Das âçvinam çastram, ein längeres Morgengebet (prâtaranuvâka) nach dem übernächtigen Somaopfer (atirâtra). – Der Caturviṅça, d.h. der auf den Atirâtra folgende Anfangstag der, Gavâm ayanam genannten, 360-tägigen Somafeier. Über die beiden Sâman's Bṛihat und Rathantaram und ihre abwechselnde Verwendung beim Gavâm ayanam. – Das Mahâvratam, d.h. der vorletzte, dem Schluss- Atirâtra vorhergehende Tag des Gavâm ayanam.

15-22. Die Shaḍaha's, Abteilungen zu 6 Tagen während des Gavâm ayanam. Der Vishuvant oder Mitteltag des Gavâm ayanam und die ihn umgebenden Tage (Abhijit, Svarasâman's, Viçajit).

23-28. Der Dvâdaçâha, das zwölftägige Somaopfer. Ursprung, Allgemeines, Eingangsriten desselben.

29-32. Erster und zweiter Tag des Dvâdaçâha.


Fünfte Pañcikâ.

1-5. Çastra's für den dritten und vierten Tag des Dvâdaçâha.

6-15. Çastra's für den fünften und sechsten Tag des Dvâdaçâha.

16-19. Çastra's für den siebenten und achten Tag des Dvâdaçâha.

20-25. Çastra's für den neunten und zehnten Tag des Dvâdaçâha.

26-34. Das Agnihotram, das tägliche Morgen- und Abendopfer. Obliegenheiten des Brahmán.


Sechste Pañcikâ.

1-3. Obliegenheiten der Priester Grâvastut und Subrahmaṇya.

4-8. Obliegenheiten der untergeordneten Hotar-Priester.

9-16. Fortsetzung und Einzelheiten.

17-26. Besonderheiten im Gebrauche gewisser Hymnen.

27-36. Fortsetzung und Begründung durch Mythen.


Siebente Pañcikâ.

1. Verteilung der Stücke des Opfertieres unter die Priester.

2-12. Sühnungen für Fehler beim Agnihotram.

13-18. Geschichte des Çunaḥçepa. Entstehung und Gebrauch seiner Hymnen.

19-26. Râjasûya, die Königsweihe. Einleitung.

27-34. Fortsetzung. Substitute des Soma, wenn der König trinkt.


Achte Pañcikâ.

[9] 1-4. Fortsetzung. Çastra's und Stotra's bei der Königsweihe.

5-11. Punarabhisheka, Wiedersalbung des Königs.

12-14. Mahâbhisheka, die grosse Salbung des Königs.

15-23. Fortsetzung. Wert der Zeremonie. Belohnungen für dieselbe an die Priester und schreckliche Folgen, wenn sie vorenthalten werden.

24-28. Vom Purohita, Hauspriester. – Brahmaṇaḥ parimaraḥ, das Sterben (der Feinde) um die (vom König gesprochene) Zauberformel herum.


Aitareya-âraṇyakam.

Erstes Âraṇyakam.

1. Welche Hymnen vom Hotar als Âjya- und Pra-uga- çastram bei der Frühspende des Mahâvratam (vorletzten Tages des Gavâm ayanam) zu rezitieren sind.

2. Das Marutvatîyam und Nishkevalyam bei der Mittagsspende des Mahâvratam.

3. Fortsetzung über das Nishkevalya-çastram.

4. Das Nishkevalyam als Vogel, dessen Glieder aus Hymnen bestehen.

5. Fortsetzung. – Das Vaiçradevatam und Âgnimârutam bei der Abendspende des Mahâvrata-Tages.


Zweites Âraṇyakam.

1. Allegorische Deutung des Uktham (des beim Mahâvrata gebrauchten, aus 80 Versen bestehenden Nishkevalya-çastram) als Prâṇa (Leben). Das Uktham ist Erde, Luftraum, Himmel, ist am Menschen Mund, Nase, Stirn (mit Vâc, Prâṇa, Cakshus). – Brahman geht als Prâṇa in den Menschen ein und gelangt zum Haupte, wo als seine Herrlichkeiten (çriyaḥ) Auge, Ohr, Manas, Rede, Prâṇa (Odem) weilen. Diese streiten darum, wer von ihnen Uktham ist, und der Prâṇa bewährt sich als Uktham. Seine Seiten prâṇa und apâna sind Tag und Nacht, während den übrigen Organen Sonne, Weltgegenden, Mond und Feuer entsprechen. »Dieser Purusha« (d.h. der kosmische Prâṇa) entfaltet seine Rede zu Erde und Feuer, seinen Odem zu Luftraum und Wind, sein Auge zu Himmel und Sonne, sein Ohr zu Weltgegenden und Mond, sein Manas zu Wasser und Varuna; aus Wasser aber ist alles geworden. Auge, Ohr, Manas, Rede, Odem sind der Berg des Brahman, d.h. des Prâṇa.

2. »Alle Verse, alle Veden, alle Laute sind nur ein Wort, nämlich Prâṇa« (Ait. Âr. 2, 2, 2, 11); dies wird durch Ausdeutung der Namen der Ṛishi's, der Hymnen und ihrer Teile entwickelt. – Viçvâmitra bietet dem Indra die Hymnen des Mahâvrata-Tages als Speise und empfängt dafür als Geschenk die Erkenntnis, dass Indra der Prâṇa, der Prâṇa alles und zugleich des Verehrers eigenes Selbst ist.

[10] 3. Weitere Betrachtungen über das mit dem eigenen Selbst identische, den Prâṇa symbolisch vertretende fünffache Uktham. Dasselbe ist die fünf Elemente, ist Nahrung und Nahrungsverzehrer, ist stufenweise in der Schöpfung entwickelt, ist das Opfer und zuhöchst das Nishkevalya-çastram des Mahâvrata-Tages, über dessen Vollendung in 1000 Bṛihatî-Versen und Identität mit Indra das Folgende sich ergeht.

4. Der Âtman schuf zu Anfang die Welten und, aus einem aus den Wassern gezogenen Purusha, die acht Welthüter, welche sodann in den Menschen eingehen und in ihm Nahrung erlangen. Hierauf fährt der Âtman selbst durch eine Naht des Schädels in den Menschen hinein.

5. Der Mensch erfährt eine dreifache Geburt. Die erste, indem er einen Sohn zeugt, die zweite, indem er denselben grosszieht, die dritte, indem er nach dem Tode aufs neue geboren wird.

6. Was ist das Wesen des Âtman? – Es ist die allen psychischen Funktionen, allen Göttern, Elementen, Geschöpfen zu Grunde liegende Intelligenz (prajñânam); sie ist das Brahman, und mittels ihrer wird man unsterblich im Himmel.

7. Segenswunsch des Schülers, in welchem er bittet, dass der Âtman ihm offenbar sein, und dass er das Gelernte nicht vergessen möge.


Drittes Âraṇyakam.

1. Die Upanishad, d.h. der geheime, allegorische Sinn des Saiṇhitâpâṭha, Padapâṭha und Kramapâṭha (dreier Arten, den Veda zu rezitieren wird mit Berücksichtigung der Meinungen verschiedener Lehrer und unter mannigfacher Bezugnahme auf Himmel und Erde, Manas, Rede, Odem usw. entwickelt.

2. Über den geheimen Sinn der Vokale, Halbvokale, Konsonanten, unter mancherlei Bezugnahme auf kosmische und psychische Verhältnisse und mit einer Digression über Vorboten nahen Todes. Warnung, diese Geheimsinne der Buchstaben und ihrer Verbindungen nicht an Unwürdige mitzuteilen.


Viertes Âraṇyakam.

Enthält nur ein Verzeichnis der beim Ritual zur Verwendung kommenden Mahânâmnî-Verse und gilt für ein Werk des Sûtra-Verfassers Âçvalâyana.


Fünftes Âraṇyakam.

In drei Adhyâya's; bezieht sich wieder auf den Mahâvrata-Tag des Gavâm ayanam und behandelt das dabei zur Verwendung kommende, in Form eines Vogels zergliederte Nishkevalya-çastram. Wie vorher (Ait. Âr. 1, 4) in Brâhmaṇastil, so wird jetzt diese Materie in Sûtrastil behandelt. Als Verfasser dieses Âraṇyakam gilt Çaunaka, der Lehrer des Âçvalâyana.

[11] Sehen wir von Âraṇyakam 4 und 5 ab, welche zur Sûtra-Literatur gehören, so haben wir in Aitareya-brâhmaṇam und Aitareya-âraṇyakam ein Ganzes vor uns, welches den Hotar-Priestern aus der Schule der Aitareyin's (im Verein mit der Ṛigvedasamhitâ, die überall, und zwar im wesentlichen in der Form wie sie noch heute vorliegt, vorausgesetzt wird) zu einer Zeit, wo es noch keine Sûtra's gab und zu geben brauchte, da das Opferwesen noch in lebendigster Blüte stand, das Nötige darbot, um sowohl für die Pflichten des dem Gṛihastha obliegenden Opfers als auch für die dem Waldleben der Vânaprastha's vorgeschriebene Meditation den erforderlichen Anhalt zu geben, ja auch dem von aller Pflicht entbundenen und sich nur noch als den Âtman wissenden Sannyâsin einen, wenn auch kurzen, Aufschluss über sein Verhältnis zur Welt zu gewähren. Den Bedürfnissen des Gṛihastha entspricht das Brâhmaṇam, denen des Vânaprastha das Âraṇyakam, denen des Sannyâsin die in letzterm enthaltene Upanishad. Merkwürdig ist nur, dass alle diese heterogenen Elemente schon dem Gedächtnisse des Brahmaçârin einverleibt wurden, um dann, im Verlaufe des ganzen Lebens, eines nach dem andern zur Verwendung zu kommen. Über den prinzipiellen Widerspruch zwischen dem Geiste der Brâhmaṇa's und Upanishad's wird man sich dabei in ähnlicher Weise hinweggeholfen haben wie bei uns über die Differenzen des Alten und Neuen Testaments.

Das Aitareya-brâhmaṇam beschränkt sich, der Hauptsache nach, auf die Funktionen des Hotar, dem es namentlich oblag, für jeden Akt der Opferhandlung aus seiner Samhitâ das entsprechende, von ihm zu rezitierende Çastram (Preislied) zusammenzustellen. Aber auch hierin ist das Werk keineswegs vollständig. Während das jüngere Schwesterwerk, das Kaushîtaki-brâhmaṇam, in systematischer Folge das tägliche Morgen- und Abendopfer (agnihotram), das am Neu- und Vollmond zu bringende Opfer (darçapûrṇamâsau) nebst seinen A ga's, die Viermonatsopfer (câturmâsyâni) und sodann das Somaopfer durchgeht, so beschränkt sich das Aitareya-brâhmaṇam wesentlich auf das Somaopfer, indem es zuerst das Somaopfer mit eintägiger Kelterung (den Agnishṭoma und seine Variationen, Adhy. 1-16), sodann das 360 Tage dauernde Gavâm a?anam (Adhy. 17-18), endlich den zwölftägigen Dvâdaçâha (Adhy. 19-24) bespricht. Der folgende Teil (Adhy. 25-32), welcher vom Agnihotram und anderm handelt, hat schon den Charakter eines Nachtrages, und in einem solchen werden so dann auch (Adhy. 33-40) die Zeremonien bei der Weihe des Königs und die Stellung seines Purohita oder Hauspriesters besprochen.

Das Aitareya-âraṇyakam, wenn wir von den beiden letzten, sûtra-artigen Kapiteln (4 und 5) absehen, zerfällt in vier deutlich unterschiedene Teile: 1) Âraṇyakam 1 behandelt in rein ritueller Weise die verschiedenen Çastra's bei der Morgen-, Mittag- und Abendspende des Mahâvrata-Tages des Gavâm ayanam, somit ein verwandtes Thema wie Ait. Br. 3, 1-38. 4, 14, nur weiter ausgesponnen und mit allegorischen Deutungen versehen, die doch auch im Brâhmaṇam nicht zu fehlen pflegen. Als Grund für die Aufnahme dieses Abschnittes in das Âraṇyakam wird angegeben, dass ohne ihn das Folgende nicht völlig verständlich sein würde. Aber mit demselben[12] Rechte müsste noch vieles andre aufgenommen werden, wie z.B. zum Verständnisse von Âr. 2, 2 die ganze Samhitâ. Hierzu kommt, dass das erste Âraṇyakam allem Anscheine nach nicht für die blosse Meditation, sondern für den praktischen Gebrauch bestimmt ist. Es gehört somit seinem ganzen Charakter nach weit mehr als erweiternder Nachtrag zu dem vorhergehenden Brâhmaṇam als zu dem nachfolgenden Âraṇyakam und ist vielleicht aus vorwiegend äusserlichen Gründen zu dem letztern geschlagen worden. 2) Âraṇyakam 2, 1-3 ist ein wirkliches Âraṇyakam, bestimmt, den im Walde nicht mehr ausführbaren Kultus durch die Meditation über denselben zu ersetzen. Diese Meditation knüpft an an das Nishkevalyam des Mahâvrata-Tages als an die höchste Leistung (Ait. Âr. 2, 3, 4, 1) des Opfers (ähnlich wie Bṛih. Up. 1, 1 von dem Açvamedha als höchstem Opfer ausgegangen wird), bezieht sich aber in weiterm Sinne auf das Uktham, den Hymnus als das grosse Instrument des Hotar im allgemeinen, indem das Uktham als der im Menschen wie im Weltall verwirklichte Prâṇa oder auch als der Purusha (beide sind nicht wesentlich verschieden) gedeutet wird. Da Prâṇa wie Purusha exoterische Symbole des Brahman oder Âtman sind, so ist der Inhalt dem der Upanishad's schon nahe verwandt, und M. Müller hat wohlgetan, ihn in seine Übersetzung der Upanishad's aufzunehmen. Indes ist der Upanishad-Gedanke hier noch so wenig abgeklärt, so sehr mit Ungehörigem untermischt, dass wir es vorziehen, dem Beispiele des Ça kara zu folgen und Ait. Âr. 2, 1-3 von der Aufnahme in die Upanishad auszuschliessen, um so mehr, als die wertvolleren Gedanken in der Kaushîtaki-Upanishad, zum Teil wörtlich, wiederkehren. 3) Âraṇyakam 2, 4-6, abschliessend mit dem kurzen Segensspruche, 2, 7, enthält die eigentliche Upanishad der Aitareyin's, von der sogleich die Rede sein wird. 4) Âraṇyakam 3 behandelt den geheimen Sinn (upanishad) der Buchstaben und Buchstabenverbindungen, welcher, wie auch anderweit mit geheimzuhaltenden Mitteilungen an den Schüler geschieht (z.B. Bṛih. Up. 6, 4), der Upanishad angeschlossen wird, übrigens aber dem Inhalte nach so heterogen ist, dass wir hier von ihm absehen können.

Die Upanishad der Aitareyin's im engern Sinne (in drei Adhyâya's, Ait. Âr. 2, 4-6) ist eine der kürzesten, und es scheint, dass diese Schule mehr Wohlgefallen an den Geheimnissen ihrer Uktha's (von denen freilich eine herrliche Sammlung in ihren Händen war) als an den Betrachtungen über den Weltgeist gefunden habe. Der Inhalt der drei Adhyâya's ist kurz folgender:

I. Welt und Mensch als Schöpfung des Âtman. Zu Anfang war nur der Âtman allein vorhanden. Er beschloss, Welten zu schaffen und schuf als solche die vier Gebiete: ambhaḥ, »die Flut« des Himmelsozeans jenseits des Himmels; marîcîr, »die Lichtatome« des Luftraums; maram, die Erde als »das Tote«, und âpas, die unterhalb der Erde dem Ganzen als Grundlage dienenden »Urwasser«. – Weiter schafft dann der Âtman acht »Welthüter«, indem er aus den Urwassern den Purusha (Urmenschen) hervorzieht und aus Mund, Nase, Augen, Ohren, Haut, Herz, Nabel und Zeugungsglied desselben zunächst die entsprechenden [13] psychischen Organe (Rede, Einhauch, Gesicht, Gehör, Haare, Manas, Aushauch, Samen) und aus diesen dann Agni, Vâyu, Âditya, Weltgegenden, Pflanzen, Mond, Tod und Wasser als Weltenhüter hervorbringt. Aber sofort stellt sich auch die Hinfälligkeit dieser welthütenden Götter heraus; sie fallen zurück in das Gewoge der Urwasser, welches der Schöpfer zwei bösen Mächten, dem Hunger und dem Durste, preisgibt. Von beiden gequält, bitten die Welthüter um einen festen Ort, in dem sie durch Essen von Speise sich derselben erwehren können. Als solchen bietet ihnen der Schöpfer eine Kuh, dann ein Ross und endlich, nachdem sie beide als ungenügend abgelehnt haben, einen Menschen an, in welchen die genannten Welthüter durch Mund, Nase, Auge, Ohr, Haut, Herz, Nabel und Zeugungsglied hineinfahren. Hier können sie Nahrung nehmen, doch nur indem sie dieselbe dem Hunger und Durst zugleich mit zukommen lassen, welche daher an jedem den Göttern dargebrachten Opfer ihren Anteil haben, – ein Zug, der die Bedürftigkeit der Götter veranschaulichen soll. – Als Drittes schafft sodann der Âtman die Nahrung, welche ihm, wie die Maus der Katze, zu entlaufen sucht, worauf er sie mit den übrigen Organen, Odem, Auge, Ohr usw., vergebens zu greifen strebt, bis er sie endlich mit dem Apâna (hier wohl als Prinzip der Verdauung) wieder einfängt. – Der Âtman sieht ein, dass ohne ihn, ohne ein Selbst, das geschaffene Menschenwesen trotz aller seiner Organe nicht bestehen könne; ihnen und ihren Funktionen gegenüber wirft er die Frage auf: »aber wer bin denn ich?«, die erst am Schlusse der Upanishad ihre Antwort finden wird. Er fährt sodann durch die Schädelnaht Vidṛiti in den Menschen ein, in welchem er drei Wohnstätten (Sinne, Manas und Herz) und ihnen entsprechend drei »Traumstände« (Wachen, Träumen, Tiefschlaf) hat. Er blickt um sich auf alle Wesen und findet, dass nichts darunter ist, was er als einen andern bezeichnen könnte, dass aber doch der Mensch von allen am meisten Brahman ist.

Diese Darstellung knüpft (wie billig, bei einer Ṛigvedaschule) an das Purusha-Lied Ṛigv. 10, 90 an. Wie dort, v. 13-14, so entstehen auch hier, nur mit einigen Variationen und Erweiterungen, aus den Körperteilen des Purusha die Götter, die dann im Menschen Wohnung nehmen. Aber der grosse Unterschied ist, dass in der Upanishad der Urmensch ein vom Âtman abhängiges Wesen ist, welches der Âtman aus den von ihm erschaffenen Urwassern herausholt, formt und bebrütet. Und so kann auch der Mensch, trotz aller in ihn eingegangenen Götter, nicht ohne den Âtman bestehen (»katham nu idam mad ṛite syât?«), der daher in ihn hineinfährt und im Wachen in den Sinnen, im Traume im Manas, im Tiefschlafe im Herzen seinen Sitz hat. Die Welt als eine Schöpfung, der Mensch als höchste Erscheinung des Âtman, der auch Brahman genannt wird, das ist der Grundgedanke dieses Abschnittes.

II. Die dreifache Geburt des Âtman. Wie der Vergleich mit Çatap. Br. 11, 2, 1, 1 lehrt, war die Theorie von den drei Geburten ein Thema, welches öfter ventiliert wurde, ohne doch immer die gleiche Behandlung zu finden. Denn während dort die drei Geburten das Erzeugtwerden, das Opferbringen und die Neugeburt nach dem Tode sind, so zählt unsere Stelle[14] als solche auf: 1) die Zeugung des Kindes, 2) die Pflege des Kindes vor und nach der Geburt, bis es im stande ist, den Vater in der Ausübung der heiligen Werke zu vertreten, 3) die Neugeburt des Vaters nach dem Tode. Die Inconcinnität, dass in den beiden ersten Fällen von der Seele des Kindes, im letzten von der des Vaters die Rede ist, ist auch dem Scholiasten nicht entgangen, und er hebt sie dadurch, dass er den Âtman in beiden für identisch erklärt. Indes ist dieser Ausweg für den exoterischen Standpunkt, der hier massgebend ist, streng genommen nicht statthaft, da die Seele des Kindes wie im Mutterleibe so auch schon im väterlichen Sperma nur als Gast weilt. Übrigens beruht die hier hervortretende Anschauung, dass im Kinde nicht die Mutter, sondern der Vater steckt, auf richtiger Beobachtung und ist ein philosophisch wertvoller Gedanke. Zum Schluss wird auf die Erlösung als Ende des Geburtenkreislaufes hingewiesen, welche hier noch als ein unsterbliches Fortleben in der Himmelswelt für den, der (wie vermeintlich Vâmadeva, Ṛigv. 4, 27, 1) diesen Kreislauf der Geburten durchschaut, in Aussicht gestellt wird.

III. Das Wesen des Âtman. Alle Sinnesorgane und Tatorgane, alle intellektuellen und moralischen Kräfte, alle Götter, Elemente, Tiere und Pflanzen sind prajñâ-netra, prajñâne pratishṭhita »vom Bewusstsein geleitet, im Bewusstsein gegründet«, das Bewusstsein ist Brahman. – Diese unzählige Male in den Upanishad's wie in der abendländischen Philosophie zu Tage tretende Auffassung ist wahr, sofern sie den Schlüssel zum Welträtsel im eigenen Innern sucht, und sie ist falsch, sofern sie bei der uns dort zunächst entgegentretenden Erscheinung, der organischen Funktion des Bewusstseins, stehen bleibt, statt von ihr zu der eigentlichen, auch sie tragenden Wurzel unseres Seins durchzudringen.

Quelle:
Sechzig Upanishads des Veda. Darmstadt 1963 [Nachdruck der 3. Aufl. Leipzig 1921], S. 7-15.
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