Einleitung.

[61] In einem Versus memorialis bei Sâyaṇa (ad Sâmavidhânam, Müller, Ṛigveda, 2. Aufl., I, p. XXVII) werden als zur Brâhmaṇa- und Upanishad-Literatur des Sâmaveda gehörig folgende acht Werke aufgezählt: 1. Pañcaviṅçam (Tâṇḍyam, Prauḍham), 2. Shaḍviṅçam, 3. Sâmavidhânam, 4. Ârsheyam, 5. Devatâdhyâya, 6. Upanishad, 7. Samhitopanishad, 8. Vaṅça. Es fehlt der grösste Teil des Talavakâra-Brâhmaṇam, namentlich auch die in seinem Upanishad-brâhmaṇam enthaltene Kena-Upanishad, vielleicht, weil sie der Verfasser des Verses nur noch in der Atharva-Rezension vor Augen hatte und so zum Atharvan rechnete (Weber, Lit., 2. Aufl., S. 82). Anderseits können nicht alle genannten acht Werke darauf Anspruch machen, wirkliche Brâhmaṇa's, d.h. rituelle und dogmatische Textbücher selbständiger Çâkhâ's (Vedaschulen), zu sein.

Ein solches ist zunächst das der Schule der Tâṇḍin's angehörige Pañcaviṅçam (das »fünfundzwanzigfache«) nebst seinem Nachtrage, dem Shaḍviṅçam (dem »sechsundzwanzigsten« Abschnitte). Ferner werden als der Schule der Tâṇḍin's angehörig von Ça kara zitiert (vgl. mein »System des Vedânta«, S. 9) das Chândogya-brâhmaṇam und ebenso die (Adhyâya 3-10 desselben bildende) Chândogya-Upanishad, während dieser Name sie als die Upanishad der Chandoga's, d.h. der Sâmavedasänger im allgemeinen bezeichnet. Vielleicht wurde sie (bei dem Mangel andrer Upanishad's des Sâmaveda mit Ausnahme der kleinen Kena-Up). früh zur allgemeinen Upanishad der Sâmavedatheologen, worauf auch ihre Aufzählung in obiger Liste als die Upanishad schlechthin zu deuten scheint.

Eine zweite, aber noch nicht vollständig bekannte selbständige Schule des Sâmaveda ist die der Talavakâra's (oder Jaiminîya's), deren[61] Brâhmaṇam nach Ça kara (zur Kena-Up. im Eingange) anscheinend neun, in der von Burnell (bei M. Müller, Up. I, p. XC) beschriebenen Form im ganzen fünf Adhyâya's enthält. Über den Inhalt dieses Brâhmaṇam berichten beide im wesentlichen übereinstimmend, dass es in den ersten Büchern vom Agnihotram, Agnishṭoma und von andern Zeremonien handle, sodann von der Verehrung des Prâṇa und der Sâman's (des fünffachen und siebenfachen Sâman, wie der Glossator erläuternd hinzufügt). Hierauf (anantaram) folgt das Upanishad-brâhmaṇam1, nach Burnells Zählung Buch IV, welches 1,1-4,17 allerlei âraṇyaka-artige Allegorien nebst zwei Lehrerlisten (3,40-42. 4,16-17), ferner 4,18-21 die Kena-Upanishad und 4,22-28 noch einen Abschnitt über das Entstehen der Prâṇa's, ihr Eingehen in den Menschen und über die Sâvitrî enthält. Als Buch V folgt zum Schlusse das Ârsheya-brâhmaṇam, eine kurze Aufzählung der Ṛishi's des Sâmaveda enthaltend (ed. Burnell, Mangalore 1878).

Das Sâmavidhâna-brâhmaṇam ist eine kurze Abhandlung, betreffend »die Verwendung der Sâman zu allerhand abergläubischen Zwecken« (ed. Burnell, 1873).

Das Devatâdhyâya-brâhmaṇam »enthält nur einige Angaben über die Gottheiten der verschiede nen Sâman, an die sich einige andre kurze Fragmente anschliessen« (ed. Burnell, 1873).

Die Samhitopanishad handelt über die Art, wie der Veda zu lesen (vgl. Ait. Âr. 3, oben S. 11).

Das Vaṅça-brâhmaṇam endlich enthält eine Genealogie der Lehrer des Sâmaveda (ed. Weber, Ind. Stud. IV, und Burnell, 1873).

Da die letztgenannten Werke keine wirklichen Brâhmaṇa's sind und höchstens als Überreste von solchen gelten können, so bleiben, wie beim Ṛigveda, so auch beim Sâmaveda für die Brâhmanazeit nur zwei Schulen übrig, die durch vorhandene Werke sich als solche ausweisen, die der Talavakâra's oder Jaiminîya's, deren Brâhmaṇam noch grösstenteils unpubliziert ist, und die der Tâṇḍin's, welchen das Pañcaviṅçam, Shaḍviṅçam, Chândogya-brâhmaṇam und die Chândogya-Upanishad angehören. Ein kurzes Inhaltsverzeichnis dieser Werke mag der Einleitung zur Chândogya-Upanishad vorausgehen.


I. Pañcaviṇça-brâhmaṇam,

auch Tâṇḍya-brâhmaṇam oder Prauḍha-brâhmaṇam genannt, besteht, wie der Name besagt, aus fünfundzwanzig Adhyâya's, deren Hauptinhalt folgender ist.

1. Verzeichnis der Sprüche (mantra), die bei den verschiedenen Anlässen des Soma-Opfers vom Udgâtar und seinen Gehilfen zu murmeln sind.

2-3. Über die verschiedenen Rezitationsweisen (vishṭuti) der vom Udgâtar und seinen Gehilfen anzuwendenden Stoma's.

[62] 4-5. Über die Gavâm ayanam genannte 360-tägige Somafeier und ihre verschiedenen Tage.

6. Der Agnishṭoma als Modell des Somaopfers.

7-8. Über das Bahishpavamânam und andre Sâman's und ihre Vortragsweise.

9. Der Atirâtra.

10. Modalitäten des Dvâdaçâha.

11-13. Der Daçarâtra.

14-15. Chandoma- und Ashṭâcatvâriṅça-Stoma.

16. Über die Modifikationen des Agnishṭoma.

17. Vrâtya-yajñâh, Bṛihaspatisava u.a.

18. Upahavya, Ṛitapeya, Çunâçîrya, Vaiçyastoma, Tîvrasoma, Vâjapeya, Râjasûya.

19. Über verschiedene Kratu's, wie Rât, Virâṭ, Aupaçada, Punaḥstoma, Catushṭoma, Udbhid, Valabhid, Apaciti, Pakshin, Jyotis, Ṛishabha, Gosava, Marutstoma, Indrustoma, Indrâgnistoma Vighana.

20. Atirâtra, Dvirâtra, Trirâtra,

21. Trirâtra (Fortsetzung), Catûrâtra, Pañcarâtra,

22. Shaḍrâtra, Saptarâtra, Ashṭarâtra, Navarâtra, Daçarâtra, Ekâdaçarâtra.

23. Satra's, 12-tägige bis 32-tägige,

24. 33-tägige bis 360-tägige,

25. Längere bis tausendjährige Opfer.


II. Shaḍviṅça-brâhmaṇam.

»In diesem Nachtrage zum Tâṇḍyam werden vorher nicht besprochene Werke und Unterarten der schon besprochenen behandelt« (Sâyaṇa, Comm. init.). Der nähere Inhalt der 5 Prapâṭhaka's (= 6 Adhyâya's) ist nach Sâyaṇa und Weber (Ind. Stud. I, 36) dieser:

1. Subrahmaṇyâ; über die drei Kelterungen; Viçvarûpâh; über das Gebet; gelegentliche Sühnungen; saumya-caru.

2. Bahishpavamânam; Vermischtes; hotr-âdy-upahavâḥ; über die Ṛitvij; Gelegenheitsopfer; Adhvaryn; Opferplatz.

3. (= Adhy. III-IV). Reinigungsbad; Bezauberung; Dvâdaçâha; Çyena; Trivṛidagnishṭoma; Samdaṅça; Vajra; Vaiçvadevam,

4. Vaiçvadevam; Agnihotram; Audumbarî; Yûpa; Sandhyâ; Mondwechsel; Svâhâ.

5. (= Adhy. VI). Auch Adbhuta-brâhmaṇam genannt, bespricht adbhutânâm karmaṇâm çântim, was bei ausserordentlichen Ereignissen zu tun, um ihre übeln Folgen abzuwehren; so bei Ärger, Krankheiten an Menschen und Vieh, Getreideschaden, Verlust an Kostbarkeiten usw., Erderschütterungen, atmosphärischen Erscheinungen, Himmelserscheinungen (Sternschnuppen, Kometen), Erscheinungen an Altären und Götterbildern (wenn sie lachen, weinen, singen, tanzen, bersten, schwitzen usw)., Missgeburten, Bergstürzen, Steinregen, u.a.


III. Chândogya-brâhmaṇam.

[63] 1. Enthält sechs Mantra's, welche sich auf Heiratszeremonien, und zwei, die sich auf die Geburt eines Kindes beziehen.

2. Sechs Mantra's an Götter und göttliche Wesen, einen gegen Insekten usw. und einen auf Heiratszeremonien bezüglichen enthaltend.

3-10. Bilden die acht Prapâṭhaka's der Chândogya-Upanishad.


IV. Chândogya-Upanishad.

Die Chândogya-Upanishad ist neben der um weniges umfangreichern Bṛihadâraṇyaka-Upanishad die grösste und bedeutendste jener Sammlungen theologisch-philosophischer Aussprüche, Betrachtungen und Legenden, welche unter dem Namen der Upanishad's und in der Form dogmatischer Textbücher der einzelnen Vedaschulen auf uns gekommen sind. Wie die Upanishad's des Ṛigveda an das Uktham, so knüpft diese Upanishad des Sâmaveda an das Sâman an, um durch allegorische Betrachtung und Umdeutung desselben zu den Gedanken vom Brahman oder Âtman überzuleiten, welche den gemeinsamen Kern aller Upanishad's bilden. Aber nicht nur in diesen Gedanken, sondern auch in der Form ihrer Ausführung stimmen die Upanishad's so vielfach überein, dass wir für sie, teilweise wenigstens, ein gemeinsames, mündlich umlaufendes Material voraussetzen müssen, aus dem die Sammlungen der einzelnen Schulen sich nach und nach absetzten.

Wie das Bṛihadâraṇyakam, so zeigt auch Chândogya-Upanishad diesen sekundären, sammlungsartigen Charakter aufs deutlichste. Zunächst ist jeder der acht Prapâṭhaka's, aus denen sie zusammengesetzt ist, ein selbständiges Ganze, bestehend aus einem oder mehrern Hauptstücken, an die sich als Nachtrag vielfach einige kleinere Stücke fügen, die den Schluss des Prapâṭhaka bilden und mit dessen Hauptinhalt oft wenig Verwandtschaft haben. Diese äusserliche Zusammensetzung der Upanishad aus den acht Prapâṭhaka's, der Prapâṭhaka's zum Teil wiederum aus kleinern Stücken wird schon durch eine vorläufige und summarische Übersicht über das Ganze deutlich vor Augen treten.

I. Fünf einzelne Betrachtungen zur Verherrlichung des Udgîtha (1. 2-3. 4. 5. 6-7), an welche sich drei Legenden verwandten Inhalts (8-9. 10-11. 12) und ein vereinzelt stehendes Stück allegorischer Art (13) schliessen.

II. Allegorische Betrachtungen über das Sâman, seine Teile und Arten.

a. Einleitung (1).

b. Das fünfteilige Sâman wird dadurch verehrt, dass man Analogien mit demselben in Welten, Regen, Wassern, Jahreszeiten, Haustieren und Lebenshauchen herausfindet (2-7).

c. Ebenso das siebenteilige Sâman durch Analogien mit Rede, Sonne und durch Betrachtung der Silbenzahl seiner Namen (8-10).

[64] d. Zehn Sâma-Arten werden mit Lebenshauchen, Feuer, Paarung, Sonne, Regen, Jahres zeiten, Welten, Haustieren, Körperteilen, Göttern, und zuletzt das Sâman selbst mit dem Weltall gleichgesetzt (11-21).

e. Anhang. Vier einzelne Betrachtungen über Sangweisen, Lebensstadien, Entstehung der Silbe om und Somapressungen (22-24).

III. Ein längerer Abschnitt feiert das Brahman als die Sonne des Weltalls (1-11), worauf sieben einzelne Stücke über Gâyatrî (12), die Götterpforten (13), die Lehre Çâṇḍilya's (14), das Weltall als Somakufe (15), das Leben als Somaopfer (16, 17), die vier Füsse des Brahman (18) und eine Kosmogonie (19) folgen.

IV. a. Jânaçruti wird von Raikva über Wind und Odem als die An-sich-Raffer belehrt (1-3).

b. Belehrung des Satyakâma durch Stier, Feuer, Gans und Wasservogel über die Himmelsgegenden, Weltteile, Lichter und Lebensodem als die vier Füsse des Brahman (4-9).

c. Upakosala wird von den Opferfeuern und dem Lehrer über die Geister in Sonne, Mond und Blitz und über den Âtman und seinen Weg nach dem Tode zu Brahman belehrt (10-15).

d. Zwei rituelle Fragmente (16, 17).

V. a. Vorrang des Prâṇa (1), seine Nahrung und Kleidung (2), und eine Rührtrankzeremonie (2 Schluss).

b. Theorie der Seelenwanderung (3-10).

c. Açvapati belehrt den Uddâlaka und fünf andre Brahmanen über den Âtman Vaiçvânara und seine Verehrung im Agnihotram (21-24).

VI. Uddâlaka belehrt seinen Sohn Çvetaketu über die Entstehung der Elemente und des Menschen (1-7), über Schlaf, Hunger und Durst (8) und über das geheimnisvolle Prinzip, welches im Tode, in der Einheit der Blumensäfte, der Wasser, in der Lebenskraft des Baumes, dem Wachstum desselben aus dem Keime, dem im Wasser aufgelösten Salzklumpen, dem Verirrten, dem Sterbenden und dem Ordale hervortritt, und dessen Wesen im Weltall wie im einzelnen Menschen verwirklicht ist (8-16).

VII. Sanatkumâra belehrt den Nârada über die Stufenreihe von nâman, vâc, manas, samkalpa, cittam, dhyânam, vijñânam, balam, annam, âpas, tejas, âkâça, smara, âçâ und Prâṇa, sowie über die Erkenntnis der Wahrheit mittels Durchdringens durch vijñânam, mati, çraddhâ, nishṭhâ, kṛiti, sukham zum Bhûman, welcher alles in allem und der Âtman in uns ist (1-26).

VIII. a. Über den Âtman in der Lotosblüte des Herzens und im Weltall und über die Wege, zu ihm zu gelangen (1-6).

b. Stufenweise Belehrung des Indra durch Prajâpati über das Wesen des Âtman (7-12).

c. Den Schluss bilden zwei Segenswünsche für das Eingehen in Brahman (13) und die Abwehr der Wiedergeburt (14) nebst einer Ermahnung an den scheidenden Schüler (15).

Fußnoten

1 Neuerdings herausgegeben von Hanns Oertel (Journal of the American Or. Soc., vol. XVI, 1894).

Quelle:
Sechzig Upanishads des Veda. Darmstadt 1963 [Nachdruck der 3. Aufl. Leipzig 1921], S. 61-65.
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