Achter Khaṇḍa.

[164] 1. Uddâlaka Âruṇi sprach zu seinem Sohne Çvetaketu: »Lass dir von mir, o Teurer, den Zustand des Schlafes erklären. Wenn es heisst, dass der Mensch schlafe, dann ist er mit dem Seienden, o Teurer, zur Vereinigung gelangt. Zu sich selbst ist er eingegangen, darum sagt man von ihm ›er schläft‹ (svapiti), denn zu sich selbst eingegangen (svam apîta) ist er. –

2. Gleichwie ein Vogel, der an einen Faden gebunden wurde, nach dieser und jener Seite fliegt, und nachdem er anderweit einen Stützpunkt nicht gefunden, sich an der Bindungsstelle niederlässt, so auch, o Teurer, fliegt das Manas nach dieser und jener Seite, und nachdem es anderweit einen[164] Stützpunkt nicht gefunden, so lässt es sich in dem Prâṇa nieder, denn der Prâṇa, o Teurer, ist die Bindungsstelle des Manas.

3. Lass dir von mir, o Teurer, den Hunger und den Durst erklären. Wenn es heisst, ein Mensch hungert, so kommt das, weil die Wasser das von ihm Gegessene hinwegführen (açitam nayante). Und wie man von einem Kuhführer, Rossführer, Menschenführer spricht, so bezeichnet man dann die Wasser als ›Nahrungführer‹ [açanâyâ der Hunger, spielend zerlegt in aça-nâyâ]. Hierbei [beim Hinwegführen der Nahrung durch die Wasser zum Aufbau des Leibes] erkenne dieses [d.h. diesen Leib], o Teurer, als den daraus entsprungenen Schössling [als die Wirkung]; derselbe wird nicht ohne Wurzel [Ursache] sein;

4. aber wo anders könnte dessen Wurzel sein als in der Nahrung? Und in derselben Weise, o Teurer, gehe von der Nahrung als Schössling zurück zu dem Wasser als Wurzel, von dem Wasser, o Teurer, als Schössling gehe zurück zu der Glut als Wurzel, von der Glut, o Teurer, als Schössling gehe zurück zu dem Seienden als Wurzel; das Seiende, o Teurer, haben alle diese Geschöpfe als Wurzel, das Seiende als Stützpunkt, das Seiende als Grundlage.

5. Ferner, wenn es heisst, ein Mensch dürstet, so kommt das, weil die Glut das von ihm Getrunkene hinwegführt. Und wie man von einem Kuhführer, Rossführer, Menschenführer spricht, so bezeichnet man dann die Glut als ›Wasserführer‹ [udanyâ der Durst, zerlegt in uda-nyâ]. Hierbei [beim Hinwegführen des Wassers durch die Glut zum Aufbau des Leibes] erkenne dieses [diesen Leib], o Teurer, als den daraus entsprungenen Schössling [als die Wirkung]; derselbe wird nicht ohne Wurzel [Ursache] sein;

6. aber wo anders könnte dessen Wurzel sein als in dem Wasser? Von dem Wasser, o Teurer, als Schössling gehe zurück zu der Glut als Wurzel, von der Glut, o Teurer, als Schössling gehe zurück zu dem Seienden als Wurzel; das Seiende, o Teurer, haben alle diese Geschöpfe als Wurzel, das Seiende als Stützpunkt, das Seiende als Grundlage.[165]

Wie aber, o Teurer, von diesen drei Gottheiten, wenn sie in den Menschen gelangen, jede einzelne dreifach wird, das ist vorher auseinandergesetzt worden [oben 6,5,1-4].

Bei diesem Menschen, o Teurer, wenn er dahinscheidet, geht die Rede ein in das Manas, das Manas in den Prâṇa, der Prâṇa in die Glut, die Glut in die höchste Gottheit. – Was jene Feinheit [Unerkennbarkeit] ist,

7. ein Bestehen aus dem ist dieses Weltall, das ist das Reale, das ist die Seele, das bist du, o Çvetaketu!«

– »Noch weiter, o Ehrwürdiger, belehre mich!« sprach er. – »So sei es«, sprach er.

Quelle:
Sechzig Upanishads des Veda. Darmstadt 1963 [Nachdruck der 3. Aufl. Leipzig 1921], S. 164-166.
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