Siebentes Kapitel

[8] Vor Allem habe ich jedoch in Bezug auf den Ausdruck: Dasselbe, anzugeben, in wie vielfacher Weise er gebraucht wird. Dieses Dasselbe dürfte, kurz ausgedrückt, in dreifachem Sinne genommen werden können; denn man pflegt es entweder in Bezug auf die Zahl oder auf die Art oder auf die Gattung zu gebrauchen. Der Zahl nach geschieht es da, wo mehrere Namen für eine Sache bestehen, wie z.B. bei den Worten Gewand und[8] Kleid. Der Art nach bei Mehreren, die sich der Art nach nicht unterscheiden; in diesem Sinne ist z.B. der eine Mensch mit dem andern derselbe und ebenso das eine Pferd mit dem andern; solche Dinge werden der Art nach dieselben genannt, so weit sie unter dieselbe Art gehören. Ebenso werden Dinge der Gattung nach dieselben genannt, wenn sie unter dieselbe Gattung fallen, wie das Pferd, der Gattung nach dasselbe wie der Mensch ist. Indess könnte man meinen, dass, wenn man aus derselben Quelle geschöpftes Wasser auch als dasselbe bezeichne, dies doch noch in einer anderen Bedeutung als in der bisher genannten geschehe; allein dieser Fall kann doch nur zu den, der Art nach irgendwie als dieselben bezeichneten Dinge gerechnet werden, da solche Dinge alle einander verwandt und sehr nahe stehend sein dürften. Nun gilt alles Wasser überhaupt als der Art nach dasselbe, weil es einander ähnlich ist, und das aus derselben Quelle geschöpfte unterscheidet sich von anderem nur dadurch, dass bei ihm die Aehnlichkeit noch grösser ist und deshalb gebraucht man dafür auch den gleichen Ausdruck, wie bei Dingen, die als der Art nach dieselben genannt werden.

Am meisten gilt das der Zahl nach Eine bei Jedermann als dasselbe. Indess pflegt man auch hier dies Wort in mehrfachem Sinne zu gebrauchen; zunächst und hauptsächlich in dem Sinne, wo man mit dem Namen oder dem Begriffe dasselbe bezeichnet, wie z.B. mit den Namen Gewand und Kleid und mit dem zweifüssigen auf dem Lande lebenden Geschöpfe und dem Namen: Mensch. Sodann wenn man mit dem Namen und dem Eigenthümlichen dasselbe bezeichnet, so mit dem der Wissenschaft Fähigen und dem Menschen, und mit dem von Natur nach Oben Treibenden und dem Feuer. Drittens, wenn dasselbe nach einem Nebensächlichen bezeichnet wird, z.B. wenn der Sitzende oder der Musikalische mit dem Sokrates derselbe ist. Alle diese Ausdrücke wollen immer nur ein der Zahl nach Eines bezeichnen.

Dass das hier Gesagte richtig ist, kann man hauptsächlich aus dem Wechsel der Beziehungen entnehmen; denn es kommt oft vor, dass, wenn man dem Diener heisst, Jemanden von den dort Sitzenden, den man nach seinem Namen bezeichnet, zu rufen und der Diener, dem[9] man es geheissen, dies nicht verstanden hat, man dann ihm heisst, den Sitzenden oder Sprechenden herbeizurufen, als wenn der Diener nach einer solchen nebensächlichen Bezeichnung uns besser verstehen werde. Hier ist klar, dass man dabei annimmt, wie mit dem Namen und mit jenem Nebenumstande dieselbe Person bezeichnet werde.

Quelle:
Aristoteles: Die Topik. Heidelberg 1882, S. 8-10.
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