Erstes Kapitel

[126] Die Untersuchung in Bezug auf die Begriffe zerfällt in fünf Theile. Entweder stimmen überhaupt die zu dem Namen gehörenden Gegenständen und deren Begriff nicht zusammen (denn die Definition vom Menschen muss für jeden Menschen passen) oder der Gegenstand ist, obgleich eine Gattung für ihn besteht, in keine gestellt, oder nicht in die ihm zukommende (denn bei der Definition muss man den Gegenstand erst in seine Gattung einstellen und dann den Art-Unterschied ihm anpassen, da von den zur Definition gehörenden Bestimmungen die Gattung am meisten das Wesen des zu definierenden Gegenstandes bezeichnet); oder der Begriff kommt dem Gegenstande nicht eigenthümlich zu (denn die Definition muss demselben eigenthümlich zukommen, wie ich schon früher bemerkt habe); oder es ist, wenn auch alles bisher Gesagte eingehalten worden, doch damit das wesentliche Was des Gegenstandes weder bestimmt noch ausgedrückt. Endlich ist es neben dem bisher Gesagten noch ein Fehler, wenn zwar die Definition richtig, aber nicht gut ausgedrückt ist.

Ob nun der aufgestellte Begriff für alle Dinge, die den Namen führen, richtig ist, muss nach den bei den nebensächlichen Bestimmungen erwähnten Gesichtspunkten geprüft werden; denn auch dort dreht die ganze Prüfung sich um die Frage, ob das aufgestellte Nebensächliche richtig ist oder nicht. Betrifft nämlich die Erörterung die Frage, ob das Nebensächliche in dem Gegenstande enthalten sei, so muss man auch dort zeigen, dass der Satz der Wahrheit gemäss aufgestellt worden; geht sie aber auf das nicht-enthalten-Sein, so muss man zeigen,[126] dass das Nebensächliche im Gegenstande nicht enthalten sei. Ob aber der Gegenstand in die ihm zugehörige Gattung gestellt worden und ob der aufgestellte Begriff der eigenthümliche sei, muss nach den bei der Gattung und bei deren Eigenthümlichen früher angegebenen Gesichtspunkten geprüft werden.

Ich habe daher nur noch anzugeben, wie zu verfahren ist, wenn das wesentliche Was nicht angegeben worden ist, oder wenn im Ausdrucke der Definition gefehlt worden. Zunächst will ich den letzteren Fall untersuchen; denn es ist leichter, etwas überhaupt zu machen, als es gut zu machen; also wird bei letzterem mehr gefehlt werden, da diese Aufgabe schwieriger ist, und mithin wird auch bei diesem Punkte der Angriff leichter als bei dem anderen sein.

Der unrichtige Ausdruck kann bei einer Definition in zweierlei Weise vorkommen; einmal wenn man sich unklarer Ausdrücke bedient; (denn der Definirende muss die möglichst deutlichen Ausdrücke gebrauchen, da die Definition zur Erweiterung der Erkenntniss aufgestellt wird;) sodann, wenn mehr, als es soll, in die Definition gebracht worden ist; denn alles Überflüssige in der Definition ist ungehörig. Von diesen beiden Fehlern zerfällt jeder wieder in mehrere Theile.

Quelle:
Aristoteles: Die Topik. Heidelberg 1882, S. 126-127.
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