Einundvierzigstes Kapitel

[83] Es ist weder in der Sache noch im Sprechen dasselbe, ob man sagt: In dem, worin B enthalten ist, in Allem von diesem ist A enthalten, oder ob man sagt: In dem, in dessen Allen B enthalten ist, in dessen Allen ist auch A enthalten; denn es kann ja sein, dass B in dem C enthalten ist, aber nicht in dem ganzen C. So sei z.B. B das Schöne und C das Weisse. Wenn nun in einigem Weissen das Schöne enthalten ist, so kann man in Wahrheit sagen, dass das Schöne im Weissen enthalten sei, aber man wird wohl nicht sagen können, dass es in dem ganzen Weissen enthalten sei. Wenn nun A in dem B enthalten ist, aber nicht in dem ganzen B, so ist es, mag B in dem ganzen C oder nur überhaupt in C enthalten sein, weder nothwendig, dass A in allen C, noch dass es überhaupt in C enthalten ist. Wenn aber B in dem Ganzen von dem, von welchen es in Wahrheit ausgesagt wird, enthalten ist, so folgt, dass A auch in Allen denen, von welchen B ausgesagt wird, ebenfalls enthalten sein wird. Wenn jedoch A von Allen denen[83] ausgesagt wild, von welchen B nur überhaupt ausgesagt wird, so kann es kommen, dass in dem C zwar B enthalten ist, aber A entweder nicht in dem ganzen C oder auch gar nicht im C. Für alle drei Begriffe ist also klar, dass wenn man sagt: In dem, worin B enthalten ist, in dem allen ist A enthalten, dies bedeutet, dass A von allen den einzelnen C ausgesagt wird, von welchen B ausgesagt wird. Wird also B von allen eines Begriffes ausgesagt, so kann dann auch A so ausgesagt werden; wird aber B nicht von allen des Begriffes ausgesagt, so ist es nicht nothwendig, dass A von dem ganzen C gelte.

Mann darf indess nicht glauben, dass bei dem Aufstellen von Beispielen etwas Widersinniges herauskomme; denn ich gebrauche sie nicht so, als wenn wirklich das Eine in dem Anderen enthalten wäre, sondern so, wie der Geometer eine Linie einen Fuss lang und gerade und ohne Breite nennt, obgleich sie es nicht ist; denn er bedient sich der hingezeichneten Linie nicht nach ihrer Wirklichkeit, wenn er daraus etwas durch Schluss folgert. Ueberhaupt kann, wenn etwas sich nicht als Ganzes zu einem anderen als seinem Theile verhält und ein Anderes zu diesem als sein Theil, aus dergleichen nichts bewiesen werden, folglich auch kein Schluss sich ergeben. Solcher Beispiele bedient man sich, wie des Vorzeigens und sinnlich wahrnehmbar Machens, wenn man zu Schülern spricht; aber nicht in dem Sinne, als wenn ohnedem nicht bewiesen werden könnte, wie aus Vorhergehendem der Schluss hervorgeht.

Quelle:
Aristoteles: Erste Analytiken oder: Lehre vom Schluss. Leipzig [o.J.], S. 83-84.
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