Achtes Kapitel

[18] Da das einfache Sein und das nothwendige Sein und das statthafte Sein verschieden sind (denn Vieles ist zwar, aber nicht aus Nothwendigkeit und Anderes ist weder aus Nothwendigkeit, noch ist es überhaupt, aber das Sein desselben ist statthaft), so erhellt, dass auch die aus diesen unterschiedenen Arten zu sein gebildeten Schlüsse von einander verschieden sein werden, und zwar auch dann, wenn die beiden Vordersätze in einem Schlüsse nicht gleichartig lauten, sondern der eine das nothwendige, der andere das einfache Sein oder das blos statthafte Sein ausdrückt.

Mit den Schlüssen aus nothwendigen Vordersätzen verhält es sich ziemlich so, wie mit denen aus Vordersätzen, die nur das einfache Sein ausdrücken; denn wenn die nothwendigen Vordersätze ebenso gestellt sind, wie die Vordersätze, welche das einfache Sein ausdrücken und auch in den Bejahen oder Verneinen mit jenen übereinstimmen, so wird sich aus den nothwendigen Vordersätzen ebenso, wie aus den, das einfache Sein ausdrückenden Vordersätzen, ein Schluss ergeben oder nicht ergeben, und jene werden sich nur dadurch von diesen unterscheiden, dass bei ihnen die Bejahung oder Verneinung eine nothwendige ist.

Auch die Umkehrung der verneinenden Sätze findet bei den nothwendigen ebenso statt, und die Ausdrücke »im Ganzen enthalten sein« und »von allen ausgesagt werden« haben hier den gleichen Sinn, wie dort. Es wird daher in allen Fällen, mit Ausnahme der nachfolgenden zwei, vermittelst der Umkehrung in derselben Weise die Nothwendigkeit des Schlusssatzes dargelegt werden, wie da, wo die Schlüsse nur auf das einfache Sein lauten. Wenn dagegen in der zweiten Figur der bejahende Vordersatz allgemein und der verneinende beschränkt lautet und wenn in der dritten Figur der bejahende Satz allgemein und der beschränkte verneinend lautet, so findet für die Nothwendigkeits-Schlüsse nicht der gleiche Beweis statt, sondern man muss dann aus dem betreffenden Begriffe den Theil herausnehmen, in welchem jeder der beiden anderen nicht enthalten ist, und in Bezug auf diesen Theil den Schluss ziehen; denn für diesen Theil wird er[19] als ein nothwendiger sich ergeben. Ist nun das für den herausgenommenen Theil der Fall, so wird er auch für Einiges vom ganzen Begriff ein nothwendiger sein, weil der herausgenommene Theil Einiges vom ganzen Mittelbegriff darstellt. Dabei vollzieht sich aber jeder Schluss in der ihm eigenthümlichen Schlussfigur.

Quelle:
Aristoteles: Erste Analytiken oder: Lehre vom Schluss. Leipzig [o.J.], S. 18-20.
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