Achtes Kapitel

[113] Das Umkehren eines Schlusses bestellt darin, dass man den Schlusssatz umändert und damit einen Schluss bildet, wonach entweder der Oberbegriff nicht in dem mittleren oder dieser nicht in dem Unterbegriff enthalten ist. Denn wenn der Schlusssatz in seinem entgegengesetzten umgekehrt wird und der zweite Vordersatz unverändert bleibt, so muss der andere Vordersatz aufgehoben werden; denn bliebe er gültig, so würde auch der Schlusssatz derselbe bleiben. Es ist aber ein unterschied, ob man den Schlusssatz in einem widersprechenden oder nur in einem gegentheiligen umstellt; denn je nachdem man dies oder jenes thut, ergiebt sich ein verschiedener widerlegender Schluss, wie aus dem Folgenden sich ergeben wird. Unter einem widersprechenden Gegensatz verstehe ich den, wo das »in Allem-sein«, dem »nicht in Allem-sein« und das »in Einigen sein« dem »in Keinem sein« entgegengestellt wird; unter gegentheiligen Gegensatz den, wo das »in Allem sein« dem »in Keinem sein« und das »in Einigen sein« dem »nicht in Einigen sein« entgegengestellt wird. So soll A in Bezug auf C durch den Mittelbegriff B bewiesen sein. Würde hier nun gesetzt, dass A in keinem C enthalten sei, aber in allen B, so folgte,[113] dass B in keinem C enthalten ist; setzt man aber, dass A in keinem C enthalten, B aber in allen C enthalten ist, so folgte nur, dass A nicht in allen B, aber nicht, dass es in keinem B enthalten sei; da man mittelst der dritten Figur keinen allgemeinen Satz beweisen kann. Ueberhaupt kann der Vordersatz mit dem grösseren Aussenbegriff nicht allgemein durch die Umkehrung widerlegt werden; denn die Widerlegung erfolgt immer durch die dritte Figur, weil beide Vordersätze sich immer auf den Unterbegriff beziehen müssen.

Lautet der zu widerlegende Schluss verneinend, so verhält es sich ebenso. Denn es sei bewiesen worden, dass A vermittelst des B in keinem C enthalten sei; setzt man hier, dass A in allen C enthalten und in keinem B, so wird das B in keinem C enthalten sein; und wenn das A und das B in allen C enthalten ist, so wird A in einigen B enthalten sein; allein der Obersatz lautete, dass es in keinem B enthalten sei.

Wird dabei der Schlusssatz widersprechend umgekehrt, so werden auch die Schlüsse widersprechend und nicht allgemein lauten; denn der erste Vordersatz lautet dann beschränkt und deshalb wird auch der Schlusssatz beschränkt lauten. Es soll also der Schluss bejahend lauten und in dieser Weise umgekehrt sein; wenn also danach A nicht allen C, aber allen B zukommt, so wird B nicht allen C zukommen. Wenn ferner A nicht allen C, aber B allen C zu kommt, so wird A nicht allen B zukommen. Eben so ist es, wenn der Schluss ein verneinender ist. Denn wenn A in einigen C enthalten ist, aber in keinem B, so wird B in einigen C nicht enthalten sein, aber nicht allgemein in keinem C; und wenn das A in einigen C und B in allen C enthalten ist, wie im Anfang angenommen worden ist, so wird A in einigen B enthalten sein.

Wenn dann bei den beschränkten Schlüssen der Schlusssatz widersprechend umgekehrt wird, so werden beide Vordersätze aufgehoben, geschieht es aber nur in gegentheiliger Weise, so wird keiner aufgehoben; denn wenn der Schlusssatz bei seiner Umkehrung abnimmt, so trifft es sich, dass eine Aufhebung wie bei den allgemeinen Schlüssen nicht stattfindet, sondern es findet gar kein Aufheben statt. Denn es sei bewiesen, dass A von einigen[114] C ausgesagt werden kann, Wenn nun gesagt wird, dass A in keinem C enthalten ist, B aber in einigen C, so wird A in einigen B nicht enthalten sein, und wenn A in keinem C, aber in allem B enthalten ist, so wird B in keinem C enthalten sein, mithin werden beide Vordersätze aufgehoben. Wird aber der Schlusssatz, dass A in einigen C enthalten war, in sein Gegentheil umgekehrt, so wird keiner von beiden Vordersätzen aufgehoben. Denn wenn A in einigen C nicht enthalten ist, aber in allen B, so wird B in einigen C nicht enthalten sein. Aber es ist dadurch das im Anfang Angenommene nicht aufgehoben; denn es ist statthaft, dass B in einigen C enthalten und in einigen C nicht enthalten ist. Gegen den allgemeinen Vordersatz A B ergiebt sich aber überhaupt kein Schluss durch Umkehrung, weil wenn A in einigen C nicht enthalten ist, und B in einigen C enthalten ist, keiner der Vordersätze allgemein lautet. Ebenso ist es, wenn der Schluss verneinend lautet, denn wenn gesetzt wird, dass A in allen C enthalten ist, so werden beide Vordersätze aufgehoben, und wenn gesetzt wird, dass A in einigen C enthalten, wird keiner aufgehoben; der Beweis wird hier in gleicher Weise geführt.

Quelle:
Aristoteles: Erste Analytiken oder: Lehre vom Schluss. Leipzig [o.J.], S. 113-115.
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