Zweites Kapitel

[56] Das Hauptwort ist nun ein Wort, welches nach Uebereinkommen etwas, aber ohne Zeitbestimmung bezeichnet und von dem kein Theil, abgetrennt, für sich etwas bedeutet. Denn in dem Namen: Schönpferd bezeichnet Pferd, nicht wie in dem Ausspruche: Schönes Pferd, etwas für sich. Indess verhält es sich bei den zusammengesetzten Worten nicht so, wie bei den einfachen; in letztern haben die Theile des Wortes gar keine eigene Bedeutung; in jenen geht wohl die Absicht darauf, aber die Theile des Wortes bedeuten doch nichts Besonderes. So bezeichnet z.B. in dem Worte Nachenschiff die Sylbe Schiff keinen Gegenstand für sich.

Die Worte beruhen auf Uebereinkommen, weil es von Natur keine Worte giebt, sondern nur dann, wenn sie zu einem Zeichen gemacht werden; denn auch die unartikulirten Laute offenbaren zwar etwas, wie bei den Thieren, aber es fehlen ihnen doch die Worte.

Das: Nicht-Mensch ist kein Hauptwort, denn es ist weder ein solches hiefür vorhanden, noch ist es ein Begriff oder eine Verneinung; vielmehr soll es ein unbestimmtes Hauptwort sein, weil es gleichmässig auf alles passt, mag es sein oder nicht-sein. Die Ausdrücke: Philo's, oder: dem Philo und alle ähnliche sind keine Hauptworte, sondern Beugungen eines Hauptwortes. Der Begriff solcher Beugungen ist im Uebrigen derselbe, wie der des Hauptwortes; nur sagen diese- Beugungen in Verbindung mit dem: ist, oder: war, oder: wird sein kein Wahres oder Falsches aus, während dies bei den Hauptworten immer der Fall ist. So sagen z.B. die Ausdrücke: Philo's ist, oder: Philo's ist nicht, niemals etwas Wahres oder Falsches aus.

Quelle:
Aristoteles: Kategorien oder Lehre von den Grundbegriffen. Aristoteles: Hermeneutica oder Lehre vom Urtheil. Leipzig 1876, S. 56.
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