Achtzehntes Kapitel

[37] Es ist auch klar, dass wenn irgend ein Sinn Jemandem fehlt, nothwendig ihm auch ein Wissen fehlen muss. Dasselbe kann dann unmöglich erlangt werden, da man überhaupt nur durch Induktion oder durch Beweis ein Wissen erlangen kann; nun wird der Beweis zwar aus allgemeinen Sätzen abgeleitet, und die Induktion aus Einzelnen; aber es ist unmöglich, das Allgemeine anders, als durch Induktion kennen zu lernen, da man auch die durch abtrennendes Denken gewonnenen Begriffe nur vermittelst der Induktion verständlich machen und zeigen kann, dass jeder Gattung Bestimmungen einwohnen, durch die, wenn sie auch nicht getrennt für sich bestehen, doch das Einzelne als solches zu dieser Gattung gehört. Nun kann man aber diejenigen, welchen ein Sinn abgeht, nicht zu dem Einzelnen hinführen, denn nur der Sinn erfasst die einzelnen Dinge und man kann das Wissen von ihnen nicht erlangen und zwar weder aus den Allgemeinem ohne Induktion noch aus der Induktion ohne die sinnliche Wahrnehmung.

Quelle:
Aristoteles: Zweite Analytiken oder: Lehre vom Erkennen. Leipzig [o.J.], S. 37.
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