Sechsundzwanzigstes Kapitel

[55] Wenn sonach der bejahende Beweis besser ist, als der verneinende, so erhellt auch, dass er besser ist als der zu dem unmöglichen fahrende Beweis. Indess muss man den Unterschied Beider kennen. Es soll also A in keinem B, aber B in dem ganzen C enthalten sein; hier muss also A in keinem C enthalten sein. Wenn die Sätze so angesetzt werden, so würde der Beweis ein[55] direkt verneinender sein, dahin, dass A in C nicht enthalten ist. Der zu dem unmöglichen führende Beweis ist aber so beschaffen, dass, wenn damit bewiesen werden sollte, dass A in B nicht enthalten sei, man anzunehmen habe, es sei darin enthalten, und ferner dass B in C enthalten, so dass mithin A in C enthalten sein müsste. Von diesem Schlusssatz A in C gilt aber als bekannt und anerkannt, dass er unmöglich ist; also kann der Satz A in B nicht richtig sein. Denn wenn man anerkennt, dass B in C enthalten ist, so ist es unmöglich, dass A in B enthalten sei. Hiernach werden bei dieser Beweisart die Begriffe ähnlich geordnet, und der Unterschied liegt darin, welcher von beiden verneinenden Sätzen als der zuverlässigere gilt, ob dies der Satz ist, dass A in B nicht enthalten ist, oder der, dass A nicht in C enthalten ist. Gilt nun der Schlusssatz in seiner Verneinung als zuverlässiger, so entsteht der Beweis auf das Unmögliche; gilt aber der Obersatz des Schlusses als zuverlässiger, so entsteht der direkte Beweis. Nun ist der Satz, dass A in B enthalten der Natur nach früher, als der Satz, dass A in C enthalten sei; denn er geht dem Schlusssatze voran und dieser wird aus ihm abgeleitet. Ferner ist der Satz, dass A in C nicht enthalten ist, ein Schlusssatz, während der Satz, dass A in B nicht enthalten ist, der ist, aus welchem der Schlusssatz abgeleitet wird; und wenn man etwas widerlegen will, so wendet man sich nicht gegen den Schlusssatz, sondern gegen die Sätze, aus denen er abgeleitet worden ist. Nun ist aber das, durch welches etwas gefolgert wird, ein Schluss, welcher sich so verhält, wie das Ganze zum Theil oder wie der Theil zu dem Ganzen, während die Sätze A C und A B sich nicht so zu einander verhalten. Wenn sonach ein Beweis aus Bekannteren und Früheren der Bessere ist, so sind zwar beide Beweisarten aus verneinenden Sätzen abgeleitet und deshalb glaubwürdig; allein der direkte Beweis stützt sich auf Früheres, der Beweis auf das Unmögliche aber auch Späteres und deshalb wird ersterer besser sein, als letzterer. Da nun der bejahende Beweis wieder besser ist als der verneinende, so ist er auch besser als der Beweis auf das Unmögliche.

Quelle:
Aristoteles: Zweite Analytiken oder: Lehre vom Erkennen. Leipzig [o.J.], S. 55-56.
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