Siebentes Capitel

[91] Zu der Untersuchung, auf welche Weise es sich verhält, muß auch hinzugenommen werden, was da bedeutet der Name. Es gilt nun das Leere für einen Raum, in welchem nichts ist. Davon ist der Grund, daß man glaubt, daß Seiende sei Körper, alle Körper aber im Raume, das Leere aber, in welchem Raume kein Körper ist. Also wenn irgendwo kein Körper ist, so sei da Leeres. Aller Körper aber wiederum, glaubt man, sei fühlbar; ein solcher aber, welcher Schwere oder Leichtigkeit habe. Es ergiebt sich nun also durch Schluß, daß dieses das Leere sei, worin nichts Schweres oder Leichtes ist. Dieß nun, wie wir auch vorher sagten, ergiebt sich durch Schluß. Seltsam aber ist es, wenn der Punct etwas sein soll. Denn es muß ein Raum sein, worin der Abstand eines fühlbaren Körpers ist. – Doch man sieht nun, daß da bedeute das Leere, auf Eine Weise das was nicht erfüllt ist von einem der Gefühle nach empfindbaren Körper. Empfindbar aber ist dem Gefühle nach, was Schwere hat und Leichtigkeit. Darum auch könnte man zweifeln, was zu sagen sei, wenn der Raumabschnitt Farbe oder Ton hat, ob er leer oder nicht. Vielleicht erhellt, daß, wenn er aufnimmt einen fühlbaren Körper, er leer ist, wenn aber keinen, nicht. – Auf andere Weise aber, worin nicht ein bestimmtes noch ein körperliches Wesen. Darum sagen Einige, es sei das Leere der Stoff der Körper, nämlich diejenigen, die von dem Raume eben dieß behaupten. Nicht gut gesagt. Denn der Stoff ist nicht trennbar von den Körpern; das Leere aber sucht man als trennbar.

Da auch über den Raum Bestimmungen gegeben sind; so muß nun auch das Leere, wenn es ist, ein Raum sein ohne Körper. Der Raum aber, wiefern er ist und wiefern er nicht ist, ist gesagt. Man sieht nun, daß auf[92] diese Weise das Leere nicht ist, weder getrennt, noch untrennbar. Das Leere nämlich soll nicht Körper, sondern Zwischenraum des Körpers sein. Darum auch gilt das Leere für seiend, weil auch der Raum, und wegen des Nämlichen. Es denken nämlich an die räumliche Bewegung sowohl die da sagen, daß der Raum etwas sei außer den Körpern, als auch, die das Leere. Ursache aber der Bewegung, glauben sie, sei das Leere, so nämlich, als das worin die Bewegung geschieht. Dieß aber wäre das nämliche, wie Einige sagen, daß der Raum sei. – Es ist aber keine Nothwendigkeit, daß, wenn Bewegung ist, es ein Leeres gebe. Ueberhaupt nun fodert alle Bewegung es keineswegs. Darum entging dieß auch dem Melissus. Umgebildet nämlich kann das Erfüllte werden. – Aber nicht einmal die räumliche Bewegung. Zugleich nämlich mit einander die Plätze wechseln können sie, während kein abgesonderter Zwischenraum außerhalb der Körper ist, die bewegt werden. Und dieß erhellt auch an den Strudeln des stätig Zusammenhängenden; so wie auch an denen des Feuchten. – Es ist aber denkbar auch eine Verdichtung nicht in das Leere, sondern mittelst des Heraustreibens dessen, was darinnen ist; wie beim Zusammendrücken der Luft mit dem darin befindlichen Wasser geschieht. Und im Wachsen nicht bloß, indem etwas hineinkommt, sondern auch durch Umbildung; z.B. wenn aus Wasser Luft wird. Ueberhaupt aber der Grund wegen des Wachsens und des in die Asche gegossenen Wassers ist sich selbst zu Last. Entweder nämlich wächst nichts oder wenigstens nicht am Körper, oder es können zwei Körper in Einem und demselben sein. Eine gemeinschaftliche Schwierigkeit also vermessen sie sich zu lösen, aber nicht von dem Leeren beweisen sie, daß es ist. Oder aller Körper muß leer sein, wenn er auf alle Weise wachsen kann und wächst durch das Leere. Das nämlich gilt auch von der Asche. Daß nun, woraus sie beweisen[93] das Sein des Leeren, dieß leicht zu beseitigen ist, ist ersichtlich.

Quelle:
Aristoteles: Physik. Leipzig 1829, S. 91-94.
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