Drittes Capitel

[128] Nach diesem aber sagen wir, was da ist das Zusammen und Für sich, und was das sich Berühren, und[128] was das Dazwischen, und was das der Reihe nach, und was das Fortgesetzt und was das Stetig, und welcherlei Dingen alles dieß von Natur zukommt. – Zusammen nun sagt man daß dasjenige sei nach dem Raume, was unmittelbar an Einem Orte ist; für sich, was an einem verschiedenen. Sich berührend Dinge, deren äußerste Theile zusammen sind. Dazwischen aber, wohin zunächst kommen muß das sich Verändernde, ehe es dahin kommt, worein es zuletzt übergeht, wenn es naturgemäß stetig sich verändert. Mindestens aber wird erfodert zu dem Dazwischen dreierlei. Das Letzte nämlich der Veränderung ist das Gegentheil. Stetige Bewegung aber wird erfodert, nämlich die nichts oder so wenig als möglich von dem Gegenstande vorbeigeht; nicht von der Zeit, (denn in dieser kann sie auch abbrechen; und eben so kann in stetiger Zeit mit Uebergehung dessen, was dazwischen ist, nach der höchsten Saite sogleich die tiefste angeklungen werden), sondern von dem Gegenstande, in welchem sie geschieht. Dieß aber ist sowohl bei der räumlichen, als bei den übrigen Veränderungen ersichtlich. Entgegengesetzt aber dem Raume nach ist, was nach gerader Linie am weitesten entfernt ist. Nur die kleinste nämlich ist ein begrenzte: Maß aber ist das Begrenzte. – Der Reihe nach aber ist, was auf den Anfang allein folgt, sei es nach Lage oder Formbestimmung oder etwas anderem, als ein diesergestalt Bestimmtes, und nichts dazwischen hat was zu der nämlichen Gattung gehörte, oder auf das, wonach es der Reihe nach folgt. Ich meine es nämlich so, wie Linie auf Linie oder Linien, oder auf Einheit Einheit oder Einheiten, oder auf Haus Haus. Daß aber etwas anderes dazwischen sei, hindert nichts. Denn das der Reihe nach, ist der Reihe nach auf etwas, und auf etwas nachfolgend. Nicht nämlich ist das Eins der Reihe nach auf die Zwei, noch der Neumond auf das letzte Viertel der Reihe nach, sondern diese[129] auf jene. – Fortgesetzt aber ist, was zugleich der Reihe nach und berührend ist. – Da aber alle Veränderung in demjenigen ist, was sich entgegensteht; das Entgegenstehende aber die Gegensätze und das Widersprechende; der Widerspruch aber nichts in der Mitte hat: so erhellt, daß in den Gegensätzen stattfinden wird das Dazwischen. – Das Stetig aber ist ungefähr, was das Fortgesetzt. Ich nenne aber etwas stetig, wenn eine und dieselbe ist von zwei Dingen die Grenze, mit der sie sich berühren und gleichsam zusammenhalten. Dieß aber kann nicht stattfinden bei Dingen, die zugleich zwei und letzte sind. Nach dieser Bestimmung ist ersichtlich, daß in demjenigen stattfindet das Stetig, aus welchem Eines wird der Wesenheit nach durch gemeinschaftliche Berührung. Und wie das Stetige Eins wird, eben so wird auch das Ganze Eins sein, durch Nagel, oder Leim, oder Berührung, oder Anwachsen. – Man sieht aber ferner, daß das erste ist die Reihenfolge. Das sich Berührende nämlich muß in der Reihenfolge sein; das der Reihe nach folgende aber nicht alles sich berühren. Darum findet auch in dem, was vorangeht dem Begriffe nach, die Reihenfolge statt, z.B. in Zahlen, Berührung aber findet nicht statt. Und was stetig ist, muß sich berühren, das was sich berührt aber ist noch nicht stetig; denn nicht brauchen darum Eins zu sein die letzten Theile, wenn sie zusammen sein sollen, wohl aber, wenn Eins, müssen sie auch zusammen sein. So kommt denn das Zusammenwachsen zuletzt seiner Entstehung nach. Denn berühren müssen sich, wenn sie zusammenwachsen sollen, die äußersten Theile; was aber sich berührt, ist nicht alles zusammengewachsen. Wo aber keine Berührung stattfindet, da findet offenbar auch kein Zusammenwachsen statt. Also wenn es giebt Punct und Einheit, wie man behauptet, als für sich bestehend, so kann nicht sein Einheit und Punct das Nämliche. Diesen nämlich kommt die Berührung zu, den Einheiten[130] aber die Reihenfolge. Und bei jenen kann stattfinden ein Dazwischen: denn alle Linie ist zwischen Puncten; bei diesen aber ist nicht nöthig: denn nichts ist zwischen der Zwei und der Eins. – Worin nun also besteht das Zusammen und Für sich, und worin das sich Berühren, und worin das Dazwischen und das der Reihe nach, und worin das Fortgesetzt und Stetig, und welcherlei Dingen jedes von diesen zukommt, ist gesagt worden.

Quelle:
Aristoteles: Physik. Leipzig 1829, S. 128-131.
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