[614] 43. pradâna-vad eva, tad uktam
eben wie bei den Spenden; darüber ist gesprochen.

Im Vâjasaneyakam, an der Stelle: »ich will reden, so strebte die Rede« (Bṛih. 1, 5, 21) wird in psychologischer Beziehung der Prâṇa als der edelste unter der Rede u.s.w. erwiesen und in kosmologischer Beziehung der Wind als der edelste unter dem Feuer u.s.w. In ähnlicher Weise wird im Chândogyam, an der[614] Stelle: »fürwahr der Wind ist der an-sich-Raffer« (Chând 4, 3, 1) in kosmologischer Beziehung erklärt, dass für das Feuer u.s.w. der an-sich-Raffer der Wind, und in psychologischer Beziehung, in den Worten »der Prâṇa fürwahr ist der an-sich-Raffer« (Chând. 4, 3 2), dass es für die Rede u.s.w. der Prâṇa sei. Hier erhebt sich der Zweifel, ob man den Wind und den Prâṇa gesondert zu verehren hat | oder nicht gesondert. – Angenommen also, ›sie seien nicht als gesondert zu verehren, weil ihre Wesenheit nicht verschieden ist; denn wo die Wesenheit nicht verschieden, ist eine gesonderte Meditation nicht am Platze. Auch zeigt die Schrift in psychologischer wie in kosmologischer Beziehung, dass ihre Wesenheit nicht verschieden ist, an der Stelle: »das Feuer ging als Rede ein in den Mund« u.s.w. (Ait. 1, 2, 4.) Ferner zeigt die Schrift in den Worten: »eben diese sind alle gleich gross, sind alle unendlich« (Bṛih. 1, 5, 13), wie den psychologischen Lebensorganen eine kosmologische Machtentfaltung wesentlich ist. Ebenso wird anderweit hier und dort vielfach gezeigt, wie die Wesenheiten nach der psychologischen und kosmologischen Seite miteinander identisch sind. Ja, einmal heisst es: »der Prâṇa das ist der Wind« (vgl. p. 717, 10); hier werden geradezu der Wind und der Prâṇa identificiert. Ebenso heisst es in dem in Rede stehenden Brâhmaṇam der Vâjasaneyin's bei dem zusammenfassenden Verse: »woraus der Sonne Aufgang ist«, weiter: »nämlich aus dem Prâṇa gehet sie auf, und in dem Prâṇa gehet sie unter« (Bṛih. 1, 5, 23); diese Zusammenfassung mit dem Prâṇa ist beweisend für die in ihm liegende Einheit. »Darum soll man nur ein Gelübde befolgen, man soll einatmen und ausatmen« (Bṛih. 1, 5, 23); auch diese Zusammenfassung in dem einzigen Gelübde des Prâṇa bestätigt eben dasselbe. | Ebenso heisst es im Chândogyam weiterhin: »wer ist der eine Gott, der diese vier Grossmächtigen hinabgeschlungen hat« (Chând. 4, 3, 6); hier redet die Schrift nur von einem an-sich-Raffer, und sie sagt nicht etwa, dass der eine für die einen vier der an-sich-Raffer, der andere für die andern es sei. Hieraus folgt, dass man beide nicht als gesondert zu verehren hat.‹ – Auf diese Annahme erwidern wir: allerdings hat man den Wind und den Prâṇa als gesondert zu verehren; warum? weil sie als gesondert aufgezeigt werden. Denn diese psychologisch und kosmologisch gesonderte Aufzeigung geschieht zum Zwecke der Meditation und würde, wäre die Meditation keine gesonderte, zwecklos sein. – ›Aber wir sagten ja doch, dass die Überdenkung nicht gesondert sein könne, weil beide ihrem Wesen nach identisch seien.‹ – Dieser Grund ist nicht triftig, denn auch da, wo die Wesenheit identisch ist, ist wegen der Verschiedenheit der Zustände und auf Grund einer gesonderten Unterweisung eine Verschiedenheit der Überdenkung möglich. Und wenn auch die Heranziehung jenes Verses mit Bezug auf die Identität der Wesenheit geschehen mag,[615] so vermag derselbe doch nicht, die vorher dargelegte Zweiheit des zu Meditierenden aufzuheben. Und wenn es heisst: »was aber unter jenen Prâṇa's (Lebensorganen) der Prâṇa in der Mitte ist, das ist unter diesen Gottheiten der Wind« (Bṛih. 1, 5, 22), so werden hier beide als Gleichnis und Verglichenes gegenübergestellt. Damit ist auch die Erinnerung an das Gelübde abgefertigt; denn wenn es dabei heisst: »nur ein Gelübde« (Bṛih. 1, 5, 23), so besagt hier das Wörtchen »nur«, dass das Gelübde der Rede u.s.w. abzuthun, und das Gelübde des Prâṇa anzunehmen ist; denn von der Rede u.s.w. hiess es, dass ihr Gelübde hinfällig sei: »diese übermannte, als Müdigkeit, der Tod« (Bṛih. 1, 5, 21.) Nicht aber liegt hierin, dass auch das Gelübde des Windes abzuthun sei; denn nach der Bemerkung: »Nunmehr [folgt] die Betrachtung des Gelübdes« (Bṛih. 1, 5, 21) wird auseinandergesetzt, | wie das Gelübde des Windes und des Prâṇa in gleicher Weise von der Hinfälligkeit frei ist. Und nach den Worten: »darum soll man nur ein Gelübde befolgen«, heisst es: »der erlangt dadurch mit jener Gottheit Verbindung und Zusammensein« (Bṛih. 1, 5, 23); hier erwähnt die Schrift die Gelangung zu dem Winde als Lohn und beweist damit, dass das Gelübde des Windgottes nicht auch zu beseitigen ist, denn der Wind bedeutet hier die Gottheit, weil die Wesensungetrenntheit mit ihr als anzustreben hingestellt wird, und weil es im Vorhergehenden hiess: »das ist die Gottheit, welche keinen Niedergang hat, der Wind« (Bṛih. 1, 5, 22.) Ebenso in den Worten: »diese beiden sind die zwei an-sich-Raffer, der Wind unter den Göttern, der Prâṇa unter den Lebensorganen« (Chând. 4, 3, 4) werden beide als verschieden bezeichnet, und diese Verschiedenheit wird zusammengefasst in den Worten: »fürwahr diese beiden, die einen fünf und die andern fünf, machen zehn; dies ist der höchste Wurf [im Würfelspiele, nämlich 4 + 3 + 2 + 1]« (Chând. 4, 3, 8.) Darum also hat man sie als gesondert zu verehren. »Wie bei den Spenden«, d.h. wie an der Stelle: »dem Indra als König einen Opferkuchen in elf Schalen, dem Indra als Oberherrn, dem Indra als Selbstherrscher« (Taitt. saṃh. 2, 3, 6, 1), – wie bei diesem Opfer mit drei Opferkuchen, | wegen der Worte »das der andern alle sich zuführend, teilt er es für sie ab ohne fehl zu gehen« (Taitt. saṃh. 2, 3, 6, 2), und weil Indra mit sich selbst identisch ist, vermutet werden könnte, dass die Spende eine gemeinschaftliche sei, während hingegen vielmehr wegen der Verschiedenheit seiner Qualitäten als König, Oberherr und Selbstherrscher eine Vertauschung der Darbringungen nicht statthaft ist, sondern vielmehr der Aufzählung entsprechend und wegen der Sonderung der Gottheiten eine Sonderung der Spenden vorliegt, in derselben Weise muss man, auch bei Identität des Wesens, wegen der Besonderheit der zu meditierenden Seite eine Besonderheit der Meditation beobachten.[616] »Darüber ist gesprochen« worden in dem Abrisse [sa karsha, einem Abschnitte aus dem Werke des Jaimini], wo es heisst: »verschieden fürwahr ist die Gottheit wegen der Sondervorstellung«. Jedoch wird hier aus der Verschiedenheit des Opferstoffes und der Gottheit gefolgert, dass auch das Opfer ein verschiedenes sei, während hingegen in unserm Falle nicht in dieser Weise eine Verschiedenheit der Lehre anzunehmen ist; vielmehr ergiebt sich aus dem Anfange und dem Ende, dass es eine Lehre ist, welche in den psychologischen und kosmologischen Unterweisungen anbefohlen wird. Trotz dieser Einheit der Lehre aber ist, wegen der Sonderung des Psychologischen und Kosmologischen, eine Verschiedenheit des Vorgehens vorhanden, ähnlich wie beim Feueropfer zufolge der Verschiedenheit der Morgenstunde und Abendstunde. In diesem Sinne sind die Worte des Sûtram: »wie bei den Spenden« zu erklären.

Quelle:
Die Sûtra's des Vedânta oder die Çârîraka-Mîmâṅsâ des Bâdarâyaṇa. Hildesheim 1966 [Nachdruck der Ausgabe Leipzig 1887], S. 614-617.
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