[557] 6. anyathâtvaṃ çabdâd, iti cen? na! aviçeshât
Andersheit wegen des Schriftwortes, meint ihr? Nein! weil kein Unterschied.

Im Vâjasaneyakam heisst es: »da sprachen die Götter: wohlan, lasst uns die Dämonen beim Opfer durch den Udgîtha [den zweiten Abschnitt der Sâma-Liturgie] überwinden! Da sprachen sie zur Rede: singe du für uns den Udgîtha! So sei es, sprach sie« (Bṛih. 1, 3, 1-2.) Weiter werden die Lebensorgane der Rede u.s.w. getadelt, weil sie von den Dämonen mit Übel durchdrungen wurden, und dann wird erzählt, wie man sich an den Mukhya Prâṇa wandte: »da sprachen sie zu diesem Prâṇa (Odem) im Munde: singe du für uns den Udgîtha. – So sei es, sprach er. – Da sang dieser Prâṇa für sie den Udgîtha« (Brih, 1, 3, 7.) – Ähnlich heisst es auch im Chândogyam: »da holten die Götter den Udgîtha herbei; denn durch diesen, so sprachen sie, werden wir dieselben überwinden« (Chând. 1, 2, 1); und weiter werden die übrigen Lebensorgane getadelt, weil sie von den Dämonen mit Übel durchdrungen wurden; und dann wird ebenso erzählt, wie man sich an den Mukhya Prâṇa wandte: »da nun geschah es, dass sie, was dieser Odem im Munde (mukhya prâṇa) ist, den als den Udgîtha verehrten« (Chând. 1, 2, 7.) – Hier wird an beiden Stellen vermittelst Verherrlichung des Prâṇa eine den Prâṇa betreffende Lehre und Vorschrift beabsichtigt. Dabei erhebt sich der Zweifel, ob hier | eine Verschiedenheit der Lehre vorliegt, oder etwa eine Einheit der Lehre?

Angenommen also, ›es liege, der oben aufgestellten Regel entsprechend, eine Einheit der Lehre vor‹. – Aber eine Einheit der Lehre ist doch nicht passend, weil eine Verschiedenheit des Vorgehens sich zeigt, indem anders die Vâjasaneyin's und anders die Chandoga's vorgehen. Denn die Vâjasaneyin's, wenn sie sagen: »singe du für uns den Udgîtha« (Bṛih. 1, 3, 2), betrachten den Prâṇa als den Vollbringer des Udgîtha; die Chandoga's hingegen betrachten ihn als den Udgîtha selbst, wenn es heisst: »ihn verehrten sie als den Udgîtha« (Chând. 1, 2, 7.) Wie kann also hier eine Einheit[557] der Lehre vorliegen? – ›Aber diese Einwendung ist nicht gültig. Denn wegen eines so geringen Unterschiedes geht die Einheit der Lehre nicht gleich verloren, da, wie man sieht, in den meisten Punkten kein Unterschied vorhanden ist. So z.B. darin, dass die Sache ausgeht von einem feindlichen Zusammentreffen von Göttern und Dämonen; dass die Absicht entsteht, die Dämonen zu überwinden; dass dabei an den Udgîtha gedacht, und zu diesem Zwecke die Rede u.s.w. erwähnt wird; dass man sich nach ihrer Verwerfung an den Mukhya Prâṇa wendet, und dass durch seine Macht ein Zerstieben der Dämonen erfolgt, wie das eines Erdklumpens, der auf einen Stein fallt; – alle diese Züge finden sich auf beiden Seiten gemeinsam. Und eine Verbindung des Prâṇa als Subjekt mit dem Udgîtha als Prädikat liegt auch im Vâjasaneyakam vor, da wo es heisst: »er ist fürwahr der Udgîtha« (Bṛih. 1, 3, 23.) Somit hat man auch im Chândogyam [den Prâṇa] als das Vollbringende anzusehen und folglich liegt hier eine Einheit der Lehre vor.‹ –

Quelle:
Die Sűtra's des Vedânta oder die Çârîraka-Mîmâṅsâ des Bâdarâyaṇa. Hildesheim 1966 [Nachdruck der Ausgabe Leipzig 1887], S. 557-558.
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