[619] 49. çruti-âdi-balîyastvâc ca na bâdhaḥ
auch weil das Schriftwort u.s.w. stärker, ist [dies] keine Widerlegung.

Es lässt sich nicht in dieser Weise dadurch, dass man um des Themas willen sich für die Zugehörigkeit zu den Werken entscheidet, die Annahme der Selbständigkeit widerlegen, »weil das Schriftwort u.s.w. stärker« ist. Nämlich [im Falle der Kollision] sind das Schriftwort, das Merkmal und die Satzergänzung[619] stärker als das Thema, wie dies in dem über Schriftworte und Merkmale handelnden Sûtram (Jaim. 3, 3, 14, oben zu 3, 3, 44 S. 618) festgestellt wurde. Diese drei Stücke aber bestätigen in unserm Falle die Unabhängigkeit der Stelle von dem Werkdienste. Denn was 1) das Schriftwort betrifft, so lautet dasselbe: »eben dieselbigen werden nur durch das Wissen geschichtet.« Das nämliche ergiebt sich 2) aus dem Merkmale, wenn es heisst: »für ihn schichten allerwärts alle Wesen diese Feuer, auch wenn er schläft.« Und eben das nämliche folgt 3) aus der Satzergänzung; denn wenn es weiter heisst: »nur durch das Wissen dessen, der Solches weiss, werden sie geschichtet« (Çatap. br. 10, 5, 3, 12), so liegt in diesen Worten eine Bestätigung des vorhergehenden Ausspruches, dass sie »nur durch das Wissen geschichtet werden«, und diese Bestätigung würde bei der Annahme einer Zugehörigkeit jener Feuer zu den Werken nicht zu Recht bestehen. – ›Aber kann man nicht annehmen, dass diese Bestätigung nur den Zweck habe, die materielle Nichtvollbringung zu lehren?‹ – Wir antworten: nein! denn wäre dies die Absicht, so würde es an den blossen Worten: »durch das Wissen geschichtet«, welche das Wissen als ihr Wesen erwähnen, genügen und die nachfolgende Bestätigung würde überflüssig sein. Denn darin, dass sie nicht materiell zu vollbringen sind, liegt eben ihr Wesen. Aber selbst wenn ihre materielle Nichtvollbringung feststeht, so liesse sich doch noch der Zweifel erheben, ob sie nicht dennoch, ebenso wie jenes mentale »Schöpfen« (Sûtram 3, 3, 45) zum Werkdienste gehörten; und wenn die nachfolgende Bestätigung die Absicht hat, jenem Zweifel zu begegnen, dann [und nur dann] ist sie nicht überflüssig. Ferner, wenn gesagt wird, dass für den, der Solches weiss, mag er nun schlafen oder wachen, allerwärts alle Kreaturen diese Feuer schichten, so liegt hierin eine Perpetuität jener Feuer ausgesprochen, welche nur bei ihrer Unabhängigkeit von den Werken möglich ist. Es ist hiermit ähnlich wie mit der Stelle von dem symbolischen, aus Rede und Prâṇa bestehenden Feueropfer, wo es nach den Worten: »dann opfert er den Prâṇa in der Rede, ... dann opfert er die Rede in dem Prâṇa« | weiter heisst: »diese beiden Opferungen, die unendlichen, unsterblichen, bringt er immerfort im Wachen wie im Schlafen dar« (Kaush. 2, 6, 5.) Wäre hingegen eine Zugehörigkeit zu den Werken anzunehmen, so würde, weil die Befassung mit den Werken immer nur kurze Zeit dauert, die perpetuelle Befassung mit jenen Feuern nicht möglich sein. Ferner ist es auch nicht zulässig, diesen Zusatz für eine blosse Sacherklärung (arthavâda) anzusehen. Denn wo ein Merkmal u. dgl. vorliegt, welches eine offenbare Vorschrift enthält, da geht es an, eine blosse rühmliche Erwähnung anzunehmen und in ihr eine blosse Erläuterung der Sache (arthavâda) zu sehen. Hier hingegen ist keine andere offenkundige Vorschrift zu ersehen; daher man in der[620] blossen rühmlichen Erwähnung dieser Lehren allein schon die Vorschrift zu finden hat. Da nun diese Vorschrift nur so aufgefasst werden kann, wie die Erwähnung es an die Hand giebt, diese aber eine Perpetuität lehrt, so muss auch die Vorschrift als perpetuell aufgefasst werden; damit dieses aber auch nur möglich sei, muss die Unabhängigkeit jener Feuer vom Werkdienste angenommen werden. Damit findet auch die Stelle: »was immer diese Wesen mit ihrem Manas vorstellen, das ist eine Wirkung jener Feuer« (Çatap. br. 10, 5, 3, 4) ihre Erklärung. In dieser Weise beweist also auch die Satzergänzung, welche in den Worten »dessen, der Solches weiss« liegt, dass eine Befassung mit jenen Feuern nur für bestimmte Menschen [nämlich die Wissenden] möglich ist, und lässt nicht zu, dieselben mit dem [auch für den Nichtwissenden verbindlichen] Opferwerke zu verknüpfen. Somit ist die Annahme der Unabhängigkeit derselben von dem Werkdienste die richtigere.

Quelle:
Die Sûtra's des Vedânta oder die Çârîraka-Mîmâṅsâ des Bâdarâyaṇa. Hildesheim 1966 [Nachdruck der Ausgabe Leipzig 1887], S. 619-621.
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