[585] 25. vedha-âdi-artha-bhedât
weil der Zweck der Durchbohrung u.s.w. ein verschiedener.

Im Eingange einer Upanishad der Âtharvaṇika's kommt der Vers vor:


»Durchbohre ganz ihn, das Herz durchbohre,

Die Adern sprenge, den Kopf zersprenge,

Dreifach zersplissen [mache ihn]« u.s.w.


– Gleichfalls der Eingang [der Upanishad] lautet bei den Tâṇḍin's: »o Gott Savitar, rege an das Opfer« (Chând. br. 1, 1); – | und bei den Çâṭyâyanin's: »mit weissen Rossen, [Indra,] bist du grünlich dunkel«; – ferner bei den Kaṭha's und Taittirîyaka's (Taitt. 1, 1): »Heil sei uns Mitra, Heil Vaṛuna.« – Im Eingange der Upanishad der Vâjasaneyin's hingegen steht das Vorfeier-Brâhmaṇam: »Es geschah einmal, dass die Götter eine Somafeier begingen« (Çatap. br. 14, 1, 1, 1.) – Auch bei den Kaushîtakin's findet sich ein Brâhmaṇam zum Preise des Feuers: »das Brahman fürwahr ist die Feuerpreisung, das Brahman ist dieser Tag; durch das Brahman gehen in das Brahman ein und erlangen Unsterblichkeit, die diesen Tag begehen.« – Wir haben zu untersuchen, ob diese Verse: »durchbohre ganz ihn« u.s.w., und ob die Werke der Vorfeier u.s.w. mit den Lehren [der Upanishad's, deren Eingang sie bilden] zusammenzufassen sind oder nicht. Und da scheint es zunächst, ›dass sie allerdings mit den betreffenden Lehren zusammenzufassen sind; warum? weil sie in unmittelbarer Nachbarschaft der Upanishadtexte stehen, deren Zweck die Wissenschaft ist.‹ – Aber wir bemerken doch in den fraglichen Stellen keine Vorschrift, welche auf das Wissen abzweckte. – ›Schon recht, aber wenn wir sie auch nicht bemerken, so müssen wir doch wegen der Nähe der Upanishad's auf einen Zusammenhang mit diesen schliessen. Denn wo eine Zweckmässigkeit dieser Nähe denkbar ist, da darf man sie nicht ohne Grund unberücksichtigt lassen.‹ – | Aber es ist doch keine Möglichkeit zu ersehen, jenen Versen irgend eine Beziehung auf das Wissen zu geben. Und was die Werke der Vorfeier u.s.w. betrifft, so werden diese zu einem andern Zwecke auferlegt; wie sollen wir also annehmen, dass sie zugleich auch dem Zwecke des Wissens dienen? – ›Diese Einwendung trifft nicht zu. Denn was zunächst jene Verse betrifft, so lässt sich wohl auch irgend eine Möglichkeit[585] ersehen, dieselben auf das Wissen zu beziehen, sofern z.B. das Herz in ihnen erwähnt wird. Denn auf das Herz und ähnliches wird häufig bei den Verehrungen als Grundlage u. dgl. verwiesen, und aus diesem Grunde ist es wohl denkbar, dass Verse wie »das Herz durchbohre« einen Bestandteil der Verehrung ausmachen. Auch ist ja aus der Schrift ersichtlich, dass auch bei den Verehrungen gewisse Verse (Sprüche) zur Verwendung kommen; z.B. wenn es heisst: »zur Erde wend' ich mich mit diesem, diesem, diesem [Sohne]« (Chând. 3, 15, 3.) In ähnlicher Weise ist es nicht unmöglich, dass auch Werke wie die Vorfeier, wiewohl ihre Bestimmung eine anderweitige ist, auch bei den Lehren eine Verwendung finden, ähnlich wie z.B. der Bṛihaspatisava [welcher eigentlich zur Erlangung des brahmavarcasam dient] ja auch beim Vâjapeya-Opfer zur Verwendung kommt.‹

Auf diese Annahme erwidern wir, dass jene [vorerwähnten Sprüche und Gebräuche] mit den Lehren nicht zusammenzufassen sind. Warum? »weil der Zweck der Durchbohrung u.s.w. ein verschiedener«; d.h. der Zweck solcher Verse wie: »das Herz durchbohre« | ist, sofern er von einem Durchbohren des Herzens u.s.w. handelt, ein verschiedener, nicht mit den in der Upanishad mitgeteilten Lehren zusammenhängender, und es ist nicht möglich, ihn mit denselben zu verbinden. – ›Aber sagten wir nicht, dass das Herz auch bei den Verehrungen eine Rolle spielt, und dass vermöge derselben eine Verbindung mit den Verehrungen denkbar ist?‹ – Wir antworten: nein! denn wenn das Herz allein erwähnt würde, so liesse sich allenfalls eine derartige Verwendung absehen; aber das Herz allein bildet gar nicht den Inhalt des betreffenden Verses, denn es heisst: »das Herz durchbohre, die Adern sprenge«, und ein derartiger Inhalt kann vollständig nicht mit den Upanishadlehren verknüpft werden, da er sich vielmehr auf eine Bezauberung bezieht. Somit ist der Vers: »durchbohre ganz ihn« u.s.w. zu dem Werke der Bezauberung [und nicht zur Upanishad] gehörig. – Ebenso wenn es heisst: »o Gott Savitar, rege an das Opfer«, | so ist dieser Spruch, wie sich aus dem Merkmale der Anregung des Opfers ergiebt, mit dem Opferwerke zu verbinden, und eine davon verschiedene Verbindung müsste erst noch aus einem andern Beweisgrunde hergeleitet werden. – Ebenso steht es mit den andern Sprüchen; bei einigen ergiebt sich aus einem Merkmale, bei andern durch die ausdrückliche Aussage, bei andern durch andere Beweisgründe, dass sie zu andern Zwecken zur Verwendung kommen, und obwohl sie in einer Geheimschrift (rahasyam d.h. Upanishad) sich vorfinden, doch nicht durch die blosse Nachbarschaft als zugehörig zu deren Lehre betrachtet werden können. Denn die Nachbarschaft ist nicht so beweiskräftig | wie das Schriftwort u.s.w., wie dies im ersten Lehrbuche auseinandergesetzt wurde an der Stelle: »bei Kollision von[586] Schriftwort, Merkmal, Satzergänzung, Thema, Nahestehung und Benennung ist das jedesmal Folgende schwächer [als das Vorhergehende], wegen Fernerliegung seiner Bedeutung« (Jaim. 3, 3, 14.) Ebenso ist es nicht möglich, Werke wie die Vorfeier u.s.w., da sie anderweit zur Anwendung kommen, als eine Ergänzung der Upanishadlehren zu betrachten, indem dieselben mit diesen Lehren durchaus keine Verwandtschaft des Inhaltes haben. Wenn aber beim Vâjapeya-Opfer der Bṛihaspatisava vorkommt, so ist dieses offenbar eine andere Verwendung desselben [als die gewöhnliche], denn es heisst [und damit wird die Selbständigkeit des Bṛihaspatisava anerkannt]: »nachdem man das Vâjapeya-Opfer dargebracht hat, soll man den Bṛihaspatisava darbringen« (Âçvalâyana, çrauta-sûtram 9, 9, 19.) Hierzu kommt, dass jene Vorfeier nur eine ist, nur einmal vorkommt und durch einen stärkeren | Beweisgrund 898 schon für eine andere Verwendung bestimmt ist, somit nicht auf einen schwächeren Beweisgrund hin noch anderweit zur Verwendung gebracht werden kann. Ja, wäre zwischen den beiden Beweisgründen kein Gradunterschied bemerkbar, so möchte es so sein; ein solcher Gradunterschied ist aber, wo [wie hier] ein starker und ein schwacher Beweisgrund vorliegt, unmöglich zu verkennen, indem sie sich eben durch die Stärke und Schwäche voneinander unterscheiden. Man darf also nicht denken, dass derartige Sprüche oder Werke bloss deswegen, weil sie in ihrer Nachbarschaft vorkommen, zu einer Upanishadlehre zugehörig sind. Vielmehr erklärt sich ihr Zusammenstehen mit derselben daraus, dass auch sie die gleiche Bestimmung, im Walde studiert zu werden u.s.w., haben, und dies genügt, um ihr Benachbartstehen zu erklären.

Quelle:
Die Sûtra's des Vedânta oder die Çârîraka-Mîmâṅsâ des Bâdarâyaṇa. Hildesheim 1966 [Nachdruck der Ausgabe Leipzig 1887], S. 585-587.
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