[603] 35. antarā, bhūta-grāma-vat, sva-ātmanaḥ
als innerlich, wie der Wesen Schar, [ist die Erwähnung] des eigenen Selbstes.

»Das immanente, nicht transscendente Brahman, welches als Seele allem innerlich ist«; – diese Worte werden bei den Vājasaneyin's als Frage des Ushasti und des Kahola zweimal hintereinander wiederholt (Bṛih. 3, 4, 1 und 3, 5, 1.) Hier erhebt sich die Frage, ob dabei eine Einheit der Lehre oder eine Mehrheit von Lehren anzunehmen sei? – Angenommen also, ›es liege eine Mehrheit von Lehren vor; warum? wegen der Wiederholung. Denn sonst würde eine solche zweimalige ohne Auslassung oder Zusatz statthabende Erwähnung ohne Zweck sein. Wie daher aus einer Wiederholung eine Verschiedenheit betreffs der Werke, so scheint aus dieser Wiederholung eine Verschiedenheit betreffs der Lehre zu resultieren.‹ – Auf diese Annahme entgegnet der Lehrer: weil in beiden Fällen ohne Unterschied eine Erwähnung »des eigenen Selbstes als innerlich« vorliegt, muss eine Einheit der Lehre angenommen werden. Denn dasjenige, worauf sich in beiden Fällen ohne Unterschied die Frage wie die Antwort bezieht, ist das allem innerliche eigene Selbst. Es ist aber nicht möglich, wenn in einem Leibe zwei Selbste wären, dass dieselben allem innerlich sein könnten1; vielmehr könnte in diesem Falle höchstens von dem einen die Annahme, dass es allem innerlich sei, berechtigt sein, für das andere hingegen wäre, »wie bei der Wesen Schar« die Innerlichkeit in allem nicht möglich; wie nämlich bei dem aus den fünf Element-Wesen bestehenden Leibe die Wasser als der Erde innerlich, und das Feuer als dem Wasser innerlich, und in dieser Weise eine Innerlichkeit in allem zwar im relativen Sinne angenommen werden kann [sofern, infolge der Dreifachmachung, jedes Element jedem andern innerlich ist, vgl. Sūtram 2, 4, 20 fg.], ohne dass doch eine absolute Innerlichkeit in allem verstanden werden dürfte, ebenso ist es auch in unserem Falle. Oder auch: die Worte »wie der Wesen Schar« weisen auf eine andere Schriftstelle hin; | so wie nämlich in dem Verse (Ēvet. 6, 11):


»Der eine Gott verhüllt in allen Wesen

Durchdringend alle, aller inn're Seele«[603]


ein einziges, allem innerliches Selbst für die gesamte Schar der Wesen hingestellt wird, ebenso ist es auch in den beiden in Rede stehenden Brāhmaṇa's. Weil somit eine Einheit des zu Lehrenden vorliegt, ist eine Einheit der Lehre anzunehmen.

1

εἰ γὰρ δύο εἴη, ουκ ἂν δύναιτο ἄπειρα ειναι, ἀλλ' εχοι ἂν πέρατα προς ἄλληλα (Melissus, Fragm. 3.)

Quelle:
Die Sūtra's des Vedānta oder die Ēārīraka-Mīmāṅsā des Bādarāyaṇa. Hildesheim 1966 [Nachdruck der Ausgabe Leipzig 1887], S. 603-604.
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