[488] 10. ānarthakyam, iti cen? na! tad-apekshatvāt
Zwecklosigkeit, meint ihr? Nein! weil es durch ihn bedingt wird.

›Gut‹, könnte man sagen, ›aber warum soll man bei dem Worte caraṇam die schriftmässige Bedeutung »Charakter« aufgeben und[488] die übertragene »Bodensatz« annehmen? Sollte nicht vielmehr eben der Charakter es sein, welcher für das von der Schrift gebotene Gute | und verbotene Böse den Eingang in einen schönen und unschönen Mutterschoss als Lohn empfängt? denn sicherlich muss man doch auch für den Charakter irgend eine Belohnung annehmen. Denn sonst würde »Zwecklosigkeit« des Charakters stattfinden.‹ – Meint ihr so, so antworten wir: nein! warum? »weil es durch ihn bedingt wird«; d.h. das ausgeführte Werk, wie Opfer u.s.w., wird bedingt durch den Wandel; denn keiner, der eines guten Lebenswandels ermangelt, wird dabei zugelassen:


»den Sittenlosen reinigt nicht der Veda«,


wie die Smṛiti sagt. Ferner ist deshalb nicht »Zwecklosigkeit« des Charakters, weil er zum Ziele des Menschen mitgehört. Denn wenn das ausgeführte Werk, wie Opfer u.s.w., seine Frucht hervorbringt, so wird dabei auch der Lebenswandel, eben weil das Werk »durch ihn bedingt ist«, einen gewissen Überschuss (atiēaya) hervorbringen. Und das Werk ist es ja, welches alle Zwecke vollbringt, wie sowohl Schrift als auch Smṛiti annehmen. Darum ist das Werk allein, weil es [hier] als »Charakter« bezeichnet wird, in Gestalt des Bodensatzes die Ursache für den Eingang in den Mutterschoss, so ist die Meinung des Kārshṇājini. Denn da das Werk vorhanden ist, so ist ein Eingang in den Mutterschoss wegen des Charakters füglich nicht anzunehmen; denn wer im Stande ist, auf den Füssen zu laufen, der braucht nicht auf den Knieen zu rutschen.

Quelle:
Die Sūtra's des Vedānta oder die Ēārīraka-Mīmāṅsā des Bādarāyaṇa. Hildesheim 1966 [Nachdruck der Ausgabe Leipzig 1887], S. 488-489.
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