[679] 51. aihikam api, a-prastuta-pratibandhe, tad-darēanāt
schon hienieden, wenn keine Behinderung des Vorerwähnten, weil dies ersichtlich.

Von den Worten: »und doch Berücksichtigung aller, wegen des Schriftwortes vom Opfern u.s.w.« (Sūtram 3, 4, 26) an, wurden die mancherlei Mittel des Wissens erörtert. Wenn nun als die Frucht derselben das Wissen sich verwirklicht, wird es dann immer schon hienieden in diesem Leben verwirklicht, oder zuweilen auch erst in einem jenseitigen? das ist die Frage. – Angenommen also, ›es werde stets schon hienieden verwirklicht; warum? weil das Wissen auf das Anhören des Schriftwortes u.s.w. hin erfolgt, niemand aber in der Absicht, dass ihm das Wissen erst im Jenseits zu teil werde, sich mit dem Anhören der Schrift u.s.w. befasst; vielmehr befasst man sich damit offenbar in der Absicht, dass das Wissen schon im gegenwärtigen Leben entstehen soll. Und auch die Opfer u.s.w. erzeugen das Wissen nur durch Vermittelung des Anhörens der Schrift, weil das Wissen nur aus einem Erkenntnisgrunde hervorgehen | kann. Somit erfolgt die Entstehung des Wissens immer schon hienieden.‹ – Auf diese Annahme erwidern wir: hienieden erfolgt das Wissen nur dann schon, wenn »keine Behinderung des Vorerwähnten« besteht. Das heisst, wenn bei den im Fortgange befindlichen Mitteln zum Wissen keine Behinderung durch ein anderes zur Reife gelangtes Werk eintritt, dann erfolgt das Wissen schon hienieden; tritt aber eine solche Behinderung ein, so erfolgt es erst im Jenseits. Ob nun aber ein solches Werk zur Reife gelangt, das hängt ab von dem Eintreffen der räumlichen, zeitlichen und kausalen Bedingungen. Nämlich diejenigen räumlichen, zeitlichen und kausalen Bedingungen, welche für das eine Werk die Heranreifung veranlassen, brauchen sie darum nicht auch für ein anderes zu veranlassen, weil die Werke auch solche Früchte haben können, die sich gegenseitig ausschliessen (vgl. p. 757, S. 486.) Und auch der Schriftkanon ist zwar dafür entscheidend, welches Werk eine bestimmte Frucht bringt, aber er eröffnet nicht auch zugleich ihre speciellen Bedingungen des Raumes, der Zeit und der Kausalität. Nämlich auf der verschiedenartigen Kraft der Mittel beruht es, | dass die metaphysische Kraft des einen Werkes zur | Offenbarung kommt, während eben dadurch die des andern gehemmt bleibt. Von einer »Absicht« aber (vgl. p. 1042, 6) kann, wo es[679] sich um das Wissen handelt, in keinem Falle die Rede sein, da eine Absicht, ein Wissen solle in mir nicht sich bilden, solle mir hier oder im Jenseits zu teil werden, ohne Halt ist. Und auch das Anhören des Schriftwortes bedingt das Wissen nur insofern, als es die obwaltenden Hemmungen beseitigt; wie schwer aber der Ātman zu erkennen ist, das sagt die Schrift selbst in den Worten (Kāṭh. 2, 7):


»Den auch zu hören vielen nicht beschieden,

Und viele, die ihn hören, nicht erkennen,

Ein Wunder, wer ihn lehrt als kundiger Erlanger,

Ein Wunder, wer ihn lernt, belehrt von dem der kundig.«


Und wenn die Schrift lehrt, wie Vāmadeva schon im Mutterleibe sich selbst als Brahman erkannte (Bṛih. 1, 4, 10), | so beweist sie damit, dass auch durch Mittel, die in einem vorherigen Leben zusammengebracht waren, in einem nachfolgenden Leben das Wissen entstehen kann. Denn von einem noch im Mutterleibe Befindlichen kann von einem schon in diesem Leben vollbrachten Mittel keine Rede sein. Und auch die Smṛiti lässt den Arjuna fragen: »was wird aus dem, der die Vollendung nicht erreicht?« worauf der heilige Vāsudeva antwortet: »wer Gutes wirkt, dem kann es schlecht nicht gehen«, und nachdem er sodann dargelegt, wie ein solcher die Welt der guten Werke erlangt, und darauf die Neugeburt in einer guten Familie, so heisst es weiter: »dann wird das Wissen ihm zu teil, das er verdient durch frühere Leiblichkeit«, und zum Schlusse: »durch mancherlei Geburt geläutert, geht endlich er den höchsten Gang« (Bhag. G. 6, 37-45.) Somit steht es fest, dass, je nachdem die Hindernisse beseitigt werden, die Entstehung des Wissens schon hienieden oder erst in einem jenseitigen Dasein erfolgt.

Quelle:
Die Sūtra's des Vedānta oder die Ēārīraka-Mīmāṅsā des Bādarāyaṇa. Hildesheim 1966 [Nachdruck der Ausgabe Leipzig 1887], S. 679-680.
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