[680] 52. evaṃ mukti-phala-aniyamas, tad-avasthâ-avadhṛites, tad-avasthâ-avadhṛiteḥ
in dieser Weise ist die Frucht der Erlösung nicht durch Regeln bestimmbar, nach dem was über diesen Zustand versichert wird, über diesen Zustand versichert wird.

Was also den nach Erlösung Trachtenden betrifft, der auf das Wissen als Mittel zu derselben baut, so ergiebt sich, dass wegen[680] der verschiedenartigen Kraft der Mittel auch inbetreff des Wissens als ihrer Frucht eine bestimmte Regel der Verschiedenheit besteht, wonach dasselbe schon hier oder erst in einem andern Leben als Frucht eintritt. Nun könnte man denken, dass auch in Bezug auf die Erlösung als Frucht eine bestimmte Regel der Verschiedenheit inbetreff eines höheren oder geringeren Grades möglich sei. | Hiergegen bemerkt der Lehrer: »in dieser Weise ist die Frucht der Erlösung nicht durch Regeln bestimmbar«; d.h., man darf nicht glauben, dass auch in Bezug auf die Frucht der Erlösung irgend ein derartiger nach Regeln bestimmbarer Unterschied des Grades stattfindet. Warum? »nach dem was über diesen Zustand versichert wird«, indem in allen Vedântatexten versichert wird, dass der Zustand der Erlösung ein einartiger sei. Nämlich der Zustand der Erlösung ist das Brahman selbst; das Brahman aber kann nicht als mit vielerlei Formen verbunden gedacht werden, weil dasselbe nur ein einheitliches Merkmal besitzt (S. 520 fg.), wie die Schrift versichert: »es ist nicht grob und nicht fein« (Bṛih. 3, 8, 8); – »er aber, der Âtman ist nicht so und ist nicht so« (Bṛih. 3, 9, 26); – »wenn einer nichts anderes sieht« (Chând. 7, 24, 1); – »das Brahman ist jenes Unsterbliche im Osten« (Muṇḍ. 2, 2, 11); – »dieses Weltall ist, was diese Seele ist« (Bṛih. 2, 4, 6); – »fürwahr dieses grosse ungeborne Selbst ist nicht alternd, nicht welkend, unsterblich, ohne Furcht, ist das Brahman« (Bṛih. 4, 4, 25); – »wo aber einem alles zum eigenen Selbste geworden ist, wie sollte er da irgend wen sehen« (Bṛih. 4, 5, 15) u.s.w. – | Nämlich was die Mittel des Wissens betrifft, so sind dieselben an Kraft verschieden und können daher auch an dem Wissen als ihrer Frucht einen gewissen Gradunterschied bedingen; nicht aber steht es so mit der Erlösung als der Frucht des Wissens; diese nämlich lässt sich überhaupt nicht durch Mittel bewirken, weil sie ihrer Natur nach schon ewig verwirklicht ist und durch das Wissen nur erkannt zu werden braucht, wie wir dies wiederholt auseinandergesetzt haben. Bei der Erlösung also ist kein Gradunterschied des Höheren oder Niederen möglich, weil eine niedere Erlösung kein Gegenstand des Wissens ist, denn das Wissen ist an sich selbst schon hoch. Inbetreff des Wissens also mag ein solcher Gradunterschied, sofern es früher oder später eintritt, bestehen, inbetreff der Erlösung hingegen ist ein Unterschied des Grades nicht möglich. Und auch darum, weil das Wissen seiner Natur nach ein einheitliches ist, ist in Bezug auf seine Frucht keine durch Regeln bestimmbare Verschiedenheit möglich, wie sie es bei der Frucht der Werke ist. Denn bei dem Wissen als Mittel der Erlösung besteht nicht wie bei den Werken eine Verschiedenheit. Was allerdings die attributhaften Lehren betrifft, wie z.B.: »Manas ist sein Stoff, Leben sein Leib« (Chând. 3, 14, 2), so ist hier zufolge des Mehr oder Minder von Attributen eine Verschiedenheit möglich, und daher auch eine[681] entsprechende Verschiedenheit der Frucht ähnlich wie bei der Frucht der Werke denkbar; und dafür zeugt auch die Schriftstelle: »nach dem Masse wie man ihn verehrt, danach gehet es.« Anders aber steht es in der attributlosen | Wissenschaft, weil hier keine Attribute [die hinzukommen oder abgehen könnten] vorhanden sind. Und so sagt auch die Smṛiti (Mahâbh. 12, 7125):


»Hier ist ein höherer Weg für keinen möglich,

Denn Ungleichheit gilt nur, wo Attribute.«


»Was über diesen Zustand versichert wird, was über diesen Zustand versichert wird«, – diese Wiederholung der Worte zeigt den Abschluss des Adhyâya an.


So lautet in dem Kommentare zur erlauchten Çârîraka-mîmâṅsâ, dem Werke der erhabenen Füsse des erlauchten Çankara, im dritten Adhyâya der vierte Pâda.


Ende des dritten Adhyâya.

Quelle:
Die Sûtra's des Vedânta oder die Çârîraka-Mîmâṅsâ des Bâdarâyaṇa. Hildesheim 1966 [Nachdruck der Ausgabe Leipzig 1887], S. 680-682.
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