[674] 47. sahakāri-antara-vidhiḥ paksheṇa, tṛitīyaṃ tad-vato; vidhi-ādivat
für das Mitbehülfliche gilt die andere Vorschrift bedingungsweise, als drittes für den dies Besitzenden; wie bei den Vorschriften u.s.w.

Es heisst im Brihadāraṇyakam [von dem Saṃnyāsin]: »darum, nachdem der Brahmane von sich abgethan die Gelahrtheit, so verharre er in Kindlichkeit; nachdem er abgethan die Kindlichkeit und die Gelahrtheit, dann wird er ein Schweiger (Muni): nachdem er abgethan das Schweigen und das Nichtschweigen, dann wird er ein Brāhmaṇa« (Bṛih. 3, 5, 1.) Es fragt sich, ob hier ein Gebot des Schweigens vorliegt oder nicht? – Angenommen also, ›das Schweigen werde nicht geboten. Was nämlich die Vorschrift betrifft, so beschränkt sie sich nur auf die Worte: »er verharre in Kindheit«. | Weiter hingegen in den Worten: »dann wird er ein Muni«, findet sich keine imperative Verbalform; daher man dieselben als einen Anuvāda (nochmalige Besprechung eines schon Dagewesenen) anzusehen hat. Wie wir auf diese Unterscheidung kommen, fragt ihr? nun dadurch, dass die Worte »Muni« und »Gelehrter« beide auf ein Erkennen [welches nicht befohlen werden kann] abzwecken. Darum kommt man durch blosses Abthun der Gelehrtheit zum Schweigen. Auch heisst es ja weiter: »nachdem er abgethan das Schweigen und das Nichtschweigen, dann wird er ein Brāhmaṇa«; was zunächt diese Worte betrifft,[674] so steht fest, dass es nicht Gegenstand einer Vorschrift sein kann, ein Brāhmaṇa zu werden, weil man es schon vorher war; darum heisst es in Form einer Verherrlichung: »dann wird er ein Brāhmana.« Ebenso aber muss es stehen mit den Worten: »dann wird er ein Muni«, weil sie ganz in derselben Weise ausgedrückt sind.‹ – Auf diese Annahme erwidern wir: »für das Mitbehülfliche gilt die andere Vorschrift«; d.h. bei dem zum Wissen mitbehülflichen Schweigen muss man ebenso gut wie bei der Kindheit und der Gelahrtheit eine Vorschrift anerkennen, weil eine solche vorher nicht da war. – | ›Aber war sie nicht vielmehr doch schon da, weil, wie wir zeigten, in dem Worte Gelahrheit das Schweigen schon einbegriffen ist?‹ – Dem ist nicht so, denn das Wort Muni bedeutet einen höheren Grad der Erkenntnis, wie dies sowohl die Etymologie des Wortes Muni von man (denken) beweist, als auch der Gebrauch lehrt, wenn es z.B. heisst: »unter den Muni's bin ich Vyāsa« (Bhag. G. 10, 37.) – ›Aber das Wort Muni bedeutet doch auch das [ganze] vierte Lebensstadium [und nicht bloss eine Stufe innerhalb desselben], indem es z.B. heisst: »Hausvaterschaft, des Lehrers Haus, das Schweigen und die Waldbewohnung« (Āpastamba, dharmas. 2, 9, 21, 1.)‹ – Hier passt das nicht; denn [dass das Wort nicht notwendig diese Bedeutung hat] dafür liegt ein Gegenbeweis in den Worten: »Vālmīki, der trefflichste der Muni's« (Rāmāy. 1, 1, 1); an der angeführten Stelle hingegen hat es diese Bedeutung nur, weil die andern Lebensstadien danebenstehen; daher man dort freilich das letzte Lebensstadium verstehen muss, weil nur dieses noch übrig bleibt, und weil im letzten Lebensstadium die Erkenntnis die Hauptsache bildet. An unserer Stelle hingegen ist es so zu nehmen, dass [innerhalb des vierten Lebensstadiums, von dem allein die Rede ist] im Vergleiche mit der Kindheit und der Gelahrtheit »als drittes« jenes Schweigen als eine höhere Stufe der Erkenntnis befohlen wird. Allerdings liegt ein offenbarer Befehl nur bei der Kindlichkeit vor, aber gleichwohl muss man auch bei dem Muni-sein, weil dies noch nicht da war, einen Befehl anerkennen, gleich als wenn es hiesse: »er soll ein Muni werden.« Und auch daraus, dass das Schweigen als ein abzuthuendes behandelt wird, ergiebt sich, dass man bei demselben ebenso gut wie bei der Kindlichkeit und der Gelahrtheit einen Befehl annehmen muss; und zwar »für den dies Besitzenden«, d.h. für den das Wissen besitzenden Saṃnyā sin. – | ›Aber woran ersieht man, dass hier von dem das Wissen besitzenden Saṃnyāsin die Rede ist?‹ – Weil dieser schon vorher vorkam, wo es hiess, dass diejenigen, welche den Ātman erkannt haben, von dem Wunsche nach Söhnen u.s.w. abstehen und als Bettler umherwandern (Bṛih. 3, 5, 1.) – ›Aber wenn der hier in Rede Stehende schon das Wissen besitzt, so ist doch jene höhere Stufe des Wissens bereits verwirklicht, wozu also noch die Vorschrift des Schweigens?‹ – Der[675] Lehrer antwortet: »bedingungsweise«; d.h. unter der Bedingung und insofern als durch das Überwiegen der vielheitlichen Weltanschauung das Wissen noch nicht verwirklicht ist, insofern gilt jene Vorschrift; »wie bei den Vorschriften u.s.w.«, d.h. ebenso wie bei Vorschriften wie: »wer nach dem Himmel begehrt, muss das Neu- und Vollmondsopfer bringen«, das Feueranzünden u.s.w., weil es als ein einzelnes Glied dazu mitbehülflich ist, befohlen wird, ebenso wird bei der vorliegenden Stelle, obwohl sie einen Gegenstand betrifft, auf welchen [eigentlich] die Vorschrift keine Anwendung findet, sofern es sich dabei um das Wissen handelt, doch [nebenher] eine Vorschrift des Schweigens gegeben.

›Wenn nun aber solcher Weise das durch Kindlichkeit u.s.w. charakterisierte Lebensstadium des Erlöstseins in der Schrift wirklich vorkommt, warum werden dann | im Chāndogyam alle Lebensstadien in dem des Hausvaters befasst, da wo es heisst: »zurückgekehrt soll er in der Familie« (Chānd. 8, 15, 1.) Durch die Befassung in ihm legt doch die Schrift auf dieses das Hauptgewicht!‹ – Hierauf antwortet der Lehrer:

Quelle:
Die Sūtra's des Vedānta oder die Ēārīraka-Mīmāṅsā des Bādarāyaṇa. Hildesheim 1966 [Nachdruck der Ausgabe Leipzig 1887], S. 674-676.
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