[540] 31. ›param ataḥ, setu-unmâna-sambandha-bheda-vyapadeçebhyaḥ‹.
›ein anderes ausser ihm, wegen der Bezeichnungen der Brücke, des Masses, der Verbindung und der Trennung.‹

Das Brahman, welches unter Aufhebung der ganzen Weltausbreitung festgehalten wurde, hat dieses noch eine andere Wesenheit[540] ausser sich oder nicht? Hierüber kann man zweifeln, da die Schriftworte sich widersprechen. Denn einige scheinen in der That auf den ersten Blick noch eine andere Wesenheit ausser Brahman zu lehren. Um zu zeigen, wie man diesen Zweifeln zu begegnen hat, wird [zunächst] der gegenwärtige Angriff unternommen. ›»Ein anderes ausser ihm«, d.h. es muss noch eine andere Wesenheit ausser Brahman geben; warum? wegen der Bezeichnung der Brücke, wegen der des Masses, der der Verbindung und der der Trennung. – Die Bezeichnung der Brücke zunächst ist folgende: »der Âtman, das ist die Brücke, welche auseinander | hält« (Chând. 8, 4, 1); hier wird gesagt, dass das unter dem Âtman gemeinte Brahman eine Brücke sei. Das Wort Brücke (Damm, vgl. p. 257, 11, S. 152) aber dient gewöhnlich, um ein Conglomerat von Holz, Erde u.s.w. zu bezeichnen, welches dazu dient, eine zusammenhängende Wassermasse zu durchschneiden. Indem nun das Wort »Brücke« von dem Âtman gebraucht wird, so giebt dasselbe zu verstehen, dass so wie bei der gewöhnlichen Brücke auch bei der Âtmanbrücke noch ein anderes Objekt ausser ihm vorhanden ist, zumal in den Worten »wer diese Brücke überschritten hat« (Chând. 8, 4, 2) sogar von einem Überschreiten derselben die Rede ist. So wie man nämlich nach Überschreitung einer gewöhnlichen Brücke folgerichtig auf das feste Land gelangt, welches nicht Brücke ist, ebenso muss man nach Überschreitung des Âtman folgerichtig zu dem gelangen, was nicht Brücke, also nicht Âtman ist. – Weiter findet sich eine Bezeichnung des Masses, wenn das Brahman »vierfüssig« (Chând. 3, 18, 2), »achtklauig« und »sechzehnteilig« (Praçna 6, 1) genannt wird. Alles aber, was in der Erfahrung gemessen wird als so und so gross und folglich begrenzt ist, wie z.B. ein Kârshâpaṇa [eine Kupfermünze von bestimmtem Gewicht], von dem nimmt man an, dass es ausser ihm noch anderes giebt. Da nun auch das Brahman gemessen wird, so muss es folgerichtig ausser ihm noch anderes geben. – Ebenso steht es mit der Bezeichnung der Verbindung. Denn die Schrift sagt: »alsdann ist er, o Teurer, eins geworden mit dem Seienden« (Chând. 6, 8, 1); auch heisst es, die verkörperte Seele werde von der allweisen Seele umschlungen (Bṛih. 4, 3, 21); eine [derartige] Verbindung aber pflegt erfahrungsmässig zwischen einem Unbegrenzten (zu Messenden) und einem Begrenzten (Masse) zu bestehen, wie z.B. zwischen den Einwohnern und der Stadt. Nun lehrt die Schrift [in den erwähnten Stellen] eine Verbindung der individuellen Seelen mit dem Brahman im Tiefschlafe. Somit muss es folgerichtigerweise ausser Brahman noch ein anderes, Unbegrenztes, geben. – Eben dahin weist auch die Bezeichnung der Trennung. | So bezeichnet die Schrift in den Worten: »aber der goldene Mann, welcher im Innern der Sonne gesehen wird« (Chând 1, 6, 6), Gott als in der Sonne enthalten, und dann weiter[541] bezeichnet sie im Unterschiede davon Gott als in dem Auge enthalten: »aber der Mann, welcher im Innern des Auges gesehen wird« (Chând. 1, 7, 5); wobei sie in Bezug auf Gestalt u.s.w. eine Verweisung von dem einen zum andern anwendet: »die Gestalt, welche jener hat, die hat auch dieser, jenes Gesänge sind auch seine Gesänge, jenes Name sein Name« (Chând. 1, 7, 5); ja, sie behauptet, dass das Gottsein beider eine Grenze habe: »die Welten, welche von der [Sonne] aufwärts liegen, über die herrscht er und über die Wünsche der Götter« (Chând. 1, 6, 5); und von dem andern sagt sie: »die Welten, welche von ihr abwärts liegen, über die herrscht er und über die Wünsche der Menschen« (Chând. 1, 7, 6), gerade wie wenn man sagt: »dieses ist das Reich des Fürsten der Magadha's, und jenes das des Fürsten der Videha's«. – Weil somit diese Bezeichnungen der Brücke u.s.w. bei Brahman gebraucht werden, muss es ein anderes ausser ihm geben.‹ –

Auf diese Annahme erwidert der Lehrer:

Quelle:
Die Sûtra's des Vedânta oder die Çârîraka-Mîmâṅsâ des Bâdarâyaṇa. Hildesheim 1966 [Nachdruck der Ausgabe Leipzig 1887], S. 540-542.
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