[542] 32. sāmānyāt tu
vielmehr wegen der Ähnlichkeit.

Durch das Wort »vielmehr« wird die erwähnte Annahme beseitigt. Es kann durchaus kein anderes ausser Brahman geben, weil kein Beweis dafür vorhanden ist; denn wir bemerken [in der Schrift] durchaus keinen Beweis dafür, dass es irgend etwas ausser Brahman gebe. Denn alles Entstandene, jedes gewordene Ding hat, wie wir (Sūtram 1, 1, 2) feststellten, seinen Ursprung u.s.w. aus Brahman, die Wirkung aber ist (vgl. Sūtram 2, 1, 18) mit ihrer Ursache identisch. | Und auch etwas Ungewordenes giebt es nicht, welches ausser Brahman bestünde; denn da die Schrift versichert: »seiend nur, o Teurer, war dieses zu Anfang, eines nur und ohne zweites« (Chānd. 6, 2, 1), da sie ferner verheisst, dass mit der Erkenntnis des einen alles erkannt sein solle (Chānd. 6, 1; Bṛih. 2, 4, 5; Muṇḍ. 1, 1, 3), so geht es nicht an, das Dasein eines Dinges ausser Brahman anzunehmen. – ›Aber sagten wir nicht, dass die Bezeichnungen der Brücke u.s.w. auf eine von Brahman unterschiedene Wesenheit hindeuten?‹ – Doch nicht! denn was zunächst die Bezeichnung der Brücke betrifft, so kann sie nicht für das Sein von irgend etwas ausser Brahman beweisend sein; denn die Schrift (Muṇḍ. 2, 2, 5) sagt zwar, dass der Ātman die Brücke sei, aber auch wieder, dass nichts anderes ausser ihm vorhanden sei. Wollte man hier deswegen, weil eine Brücke ohne etwas ausser ihr nicht bestehen kann, noch irgend etwas ausser Brahman annehmen, so würde das nicht regelrecht sein, denn diese[542] Annahme von etwas, was die Schrift nicht kennt, würde eine Vergewaltigung sein. Und wenn man deswegen, weil der Ātman eine Brücke genannt wird, ihm nach Art einer gewöhnlichen Brücke das Bestehen von etwas ausser der Brücke beilegen wollte, nun so müsste man ihm auch Erde und Holz als Bestandteile beilegen, und dieses würde nicht regelrecht sein, weil dem die Schriftaussage von der Unentstandenheit des Brahman widersprechen würde. Es steht also vielmehr so damit, dass der Ātman eine Brücke genannt wird »wegen der Ähnlichkeit« mit einer Brücke, und diese Ähnlichkeit des Ātman mit einer Brücke besteht darin, dass er die Welt und ihre Grenzen auseinanderhält [ähnlich wie eine Brücke, d.h. ein Damm, die überschwemmten Felder]. Also weil er gleichsam eine Brücke ist, wird der in Rede stehende Ātman als Brücke gefeiert. Und auch wenn es heisst: »wer diese Brücke überschritten hat« (Chānd. 8, 4, 2), so kann das Überschreiten hier kein Hinübergelangen über die Brücke, sondern nur ein Gelangen zu derselben bedeuten, ähnlich wie man von einem sagt, er habe die Grammatik durchgemacht, um auszudrücken, dass er in ihren Besitz, nicht, dass er über dieselbe hinausgelangt ist.

Quelle:
Die Sūtra's des Vedānta oder die Ēārīraka-Mīmāṅsā des Bādarāyaṇa. Hildesheim 1966 [Nachdruck der Ausgabe Leipzig 1887], S. 542-543.
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