[46] 11. çrutatvâc ca
auch wegen der Offenbarung.

Aber auch nach seinem eigentlichen Namen wird der allwissende Gott als Ursache der Welt von der Schrift offenbart, wenn es in der Vers-Upanishad der Çvetâçvatara's von dem vorher genannten allwissenden Gotte heisst (Çvet. 6, 9):


»Ursache ist er, Herr des Herrn der Sinne,

Kein Herr ist über ihm und kein Erzeuger.«


Somit steht es fest, dass das allwissende Brahman die Ursache der Welt ist, nicht aber die ungeistige Urmaterie oder irgend etwas anderes.[46]


Die Vedântatexte, welche in den Sûtra's »woraus Ursprung u.s.w. dieses [Weltalls] ist« bis »auch wegen der Offenbarung« (Sûtram 1, 1, 2-11) citiert worden sind, von denen wurde, auf Grund einer Analysis derselben, dargethan, dass sie den Zweck haben, den allwissenden und allmächtigen Gott als die Ursache für Ursprung, Bestand und Vergang der Welt darzulegen. | Ferner wurde, durch Hinweisung auf »die Gleichheit des Ganges« (Sûtram 1, 1, 10) erklärt, dass alle Vedântatexte eine geistige Weltursache lehren. Worin nun die Veranlassung des weiter Folgenden liegt, das wollen wir erörtern. – Es wird nämlich das Brahman erkannt in zwei Formen: [erstlich] als charakterisiert durch Beilegungen (upâdhi), welche aus der Mannigfaltigkeit seiner Umwandlungen in [die Welt der] Namen und Gestalten entspringen; und [zweitens] im Gegensatze dazu als frei von allen Beilegungen. Denn die Schrift sagt: »Denn wo eine Zweiheit gleichsam ist, da sieht einer den andern, ... wo aber einem alles zum eignen Selbste geworden ist, wie sollte er da irgendwen sehen?« (Brih. 4, 5, 15); – »wenn einer [ausser sich] kein andres sieht, kein andres hört, kein andres erkennt, das ist die Unbeschränktheit (bhûman); wenn er aber ein andres sieht, ein andres hört, ein andres erkennt, das ist das Beschränkte (alpam); die Unbeschränktheit fürwahr ist das Unsterbliche, das Beschränkte aber ist sterblich« (Chând. 7, 24, 1); – »wenn alle Formen überdenkt der Weise und sie als Namen bloss begreifend dasitzt« (Taitt. âr. 3, 12, 7); – »ohne Teile, ohne Werke, ruhig, ohne Fleck und Makel, Brücke der Unsterblichkeit, ausgebranntem Feuer gleich« (Çvet. 6, 19); – »es ist nicht so und ist nicht so« (Bṛih. 2, 3, 6); – | »es ist nicht grob und ist nicht fein, nicht kurz und nicht lang« (Bṛih. 3, 8, 8); – »Mangel ist der eine Ort, Fülle der andre.« – In dieser Weise wird von den Schrifttexten an tausend Stellen darauf hingewiesen, dass das Brahman, je nachdem es ein Objekt des Wissens oder des Nichtwissens ist, zwei Formen besitzt. Was dabei den Standpunkt des Nichtwissens betrifft, so hat auf ihm alle Beschäftigung mit dem Brahman das Merkmal, dass sie das Objekt der Verehrung u.s.w. von dem verehrenden Subjekte unterscheidet. Dabei bezwecken manche Verehrungen des Brahman Beglückung (abhyudaya), andre hingegen stufenweise Erlösung (kramamukti), und wieder andre Gedeihen des Opferwerkes; und diese ihre Verschiedenheit richtet sich nach der Verschiedenheit der Beilegung der besondern Attribute. Obgleich es nämlich einer und derselbe höchste Âtman und Gott ist, welcher, bald durch diese bald durch jene besondern Attribute gekennzeichnet, den Gegenstand der Verehrung bildet, so sind doch, je nach den verehrten Attributen, die Früchte der Verehrung verschiedene; denn die Schrift sagt: »je nachdem er ihn verehrt, demgemäss wird es mit ihm«, und »wie sein Wille (kratu) ist in dieser Welt, danach[47] wird der Mensch, wenn er dahingeschieden ist« (Chând. 3, 14, 1); und die Smriti lehrt (Bhag. G. 8, 6):


»An welches Sein er denkend hier aus diesem Leibe scheidet,

In dieses Sein wird jedesmal er drüben eingekleidet.«


| Freilich ist es einer und derselbe Âtman, welcher in allen Kreaturen, den unbeweglichen [Pflanzen] wie den beweglichen [Tieren, Menschen, Göttern], eingehüllt steckt; doch aber wird, je nachdem ihm im einzelnen [behufs seiner Verehrung unter einer bestimmten Form] ein mehr oder weniger hoher Grad der Geistigkeit [die sein eigentliches Wesen ausmacht] beigelegt wird, das Wesen des, wiewohl [an sich] allerhabenen, ewigen und eingestaltigen, Âtman höher und höher hinauf durch die speciellen [ihm beigelegten] Kräfte der Göttlichkeit deutlicher und immer deutlicher offenbart, wie denn die Schrift sagt: »wer desselbigen Selbst deutlicher erkennt.« Und auch in der Smriti heisst es darüber (Bhag. G. 10, 41):


»Alles was mächtig ist und schön und üppig,

Das, wisse, ist ein Teil von meiner Kraft.«


Überall nämlich, wo sich ein besonders hoher Grad seiner Machtentfaltung u.s.w. zeigt, da wird diese als [persönlicher] Gott zur Verehrung anbefohlen. In dieser Weise wird auch unser Autor darlegen, wie z.B. unter dem goldenen Mann in der Sonnenscheibe (Chând. 1, 6, 6) wegen des Merkmals seiner Erhabenheit über alles Übel | [nicht irgend eine individuelle Seele, sondern] nur die höchste verstanden werden darf (Sûtram 1, 1, 20-21); und dasselbe lässt sich in den Sûtra's: »der Äther, weil seine Merkmale« (1, 1, 22) u.s.w. verfolgen. Weil nun in dieser Weise die Erkenntnis des Âtman, welche allerdings [wo sie rein ist] die sofortige Erlösung bewirkt, doch auch wiederum [zum Zwecke der Verehrung, die noch keine Erlösung bewirkt] auf dem Umwege solcher besondern Beilegungen [von Attributen] mitgeteilt wird, so könnte, wenn nicht die specielle Verbindung mit den Beilegungen hinsichtlich ihrer Beziehung auf die höchste oder auf eine niedere [individuelle] Seele klargelegt würde, ein Zweifel darüber, ob sie auf die höchste oder auf eine niedere Seele sich beziehen, obwalten; und dieser Zweifel muss durch Untersuchung des Zusammenhanges der betreffenden Schriftstelle ins Klare gebracht werden; wie dies z.B. schon gleich in der Stelle »der Wonneartige, wegen der Häufigkeit« (Sûtram 1, 1, 12) der Fall ist. – Weil also in dieser Weise das, wiewohl einheitliche, Brahman bald als mit Beilegungen verbunden, bald ohne alle Verbindung mit Beilegungen, dort zum Zwecke der Verehrung, hier zum Zwecke der Erkenntnis, in den Vedântatexten vorgeführt wird, so ist die nächstfolgende[48] Reihe von Sûtra's [bis 1, 4, 22] bestimmt, dieses im Einzelnen darzulegen. Und wenn in dem Sûtram »wegen der Gleichheit des Ganges« (1, 1, 10) die Unzulässigkeit andrer, nicht geistiger Weltursachen ausgesprochen wurde, so wird auch dies, bei Besprechung weiterer, auf Brahman bezüglicher Schriftstellen, durch Ausschliessung andrer Weltursachen als des Brahman seine nähere Ausführung finden.

Quelle:
Die Sûtra's des Vedânta oder die Çârîraka-Mîmâṅsâ des Bâdarâyaṇa. Hildesheim 1966 [Nachdruck der Ausgabe Leipzig 1887], S. 46-49.
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