[41] 7. tan-nishthasya moksha-upadeçâc
weil von dem in ihm Stehenden Erlösung gelehrt wird.

Unmöglich kann die ungeistige Urmaterie auf das Wort Âtman gestützt werden. Denn die Schrift, nachdem sie (Chând. 6, 8, 7) mit den Worten: »das ist die Seele (âtman)« das vorerwähnte Seiende, Feine wieder aufgenommen, zeigt durch die Worte: »das bist du, o Çvetaketu!« von dem geistigen Çvetaketu, der erlöst werden soll, dass er in ihm [dem Âtman] stehe und lehrt dann weiter, wie ein solcher [in ihm stehender] die Erlösung erlange, indem sie sagt: »ein Mann der hienieden einen Lehrer gefunden hat, ist sich bewusst: ›diesem [Welttreiben] werde ich nur so lange angehören, bis ich erlöst sein werde; darauf werde ich heimgehen‹« (Chând. 6, 14, 2.) Würde nämlich unter dem Seienden die ungeistige Urmaterie verstanden, und auf sie mit dem Worte »das bist du« verwiesen, so hiesse dieses so viel, als[41] wenn dem nach Erlösung verlangenden Geistigen gesagt würde: »du bist ein Ungeistiges«; dann aber würde der Kanon, der das Gegenteil versichert, | den Endzweck des Menschen nicht fördern und mithin ohne Autorität sein. Dem unfehlbaren Kanon aber die Autorität absprechen, – das geht nicht. Und wenn der Kanon seine Autorität dazu benutzen wollte, um dem Unwissenden, nach Erlösung Suchenden, ein Ungeistiges, welches nicht Seele ist, als die Seele aufzuzeigen, so würde dieser, indem er sich in gläubigem Vertrauen an diese Auffassung der Seele, wie der Blinde an den Kuhschwanz, hielte, die von ihr verschiedene [wahre] Seele nicht kennen lernen; er würde somit den Weg zum Heile verfehlen und in Unheil geraten. Wie daher der Kanon dem, der nach himmlischem Lohne u.s.w. begehrt, als Mittel hierzu das Feueropfer u.s.w. der Wahrheit gemäss zu wissen giebt, so, muss man annehmen, giebt er auch dem, der nach Erlösung begehrt, in den Worten: »das ist die Seele, das bist du, o Çvetaketu« (Chând. 6, 8, 7) der Wahrheit gemäss das Wesen des Âtman (Seele) zu wissen. Steht es so, dann hat es auch seine Richtigkeit mit dem Gleichnisse von der Freisprechung nach Anfassen der glühenden Axt (Chând. 6, 16), durch welches gelehrt wird, dass, wer die Wahrheit aussagt, zur Erlösung gelangt. Im andern Falle nämlich, wenn hier nur in uneigentlichem Sinne die Wesenheit der Seele als »das Seiende« gelehrt würde, so hätten wir es, ähnlich wie in Worten, wie: »ich bin der Hymnus, so soll er denken« (Ait. âr. 2, 1, 2, 6), mit einer blossen Parallelsetzung zu thun, eine solche aber könnte nur vergänglichen Lohn bringen; daher sie keine Anweisung zur Erlösung sein würde. Somit ist das Wort Âtman von dem Seienden, dem Feinen, nicht in bloss bildlichem Sinne zu verstehen. – Anders ist es in dem Beispiele vom Minister. Hier liegt die Verschiedenheit von Fürst und Minister vor Augen, und darum kann [ohne Missverständnis zu besorgen] in dem Ausdrucke »Bhadrasena ist mein Selbst« das Wort Selbst (âtman) in uneigentlichem Sinne gebraucht werden. Aber deswegen, weil ein Wort irgendwo in bildlichem Sinne gebraucht wird, | ist man nicht berechtigt, die Bildlichkeit auch da anzunehmen, wo das Wort zu dem Beweise einer Sache dient; weil man sich sonst auf nichts mehr verlassen könnte. – Wenn aber weiter behauptet wurde, dass das Wort »Âtman« eine gemeinschaftliche Bezeichnung für Geistiges und Ungeistiges sei, so wie das Wort »Licht« für das Opfer und das Brennen, so geben wir das nicht zu, weil eine solche Annahme zweier Bedeutungen gegen die Regel ist. Somit bezieht sich das Wort Âtman im eigentlichen Sinne nur auf Geistiges und kann bei den Elementen u.s.w. nur, sofern man sie bildlich als ein Geistiges auffasst, angewendet werden in Ausdrücken wie »das Selbst (âtman) der Elemente«, »das Selbst der Sinne«. Wäre aber auch das Wort Âtman [für Geistiges und[42] Ungeistiges] gemeinsam, so dürfte doch nicht, ohne eine [entsprechende] Titelüberschrift oder irgend ein dafür entscheidendes Zusatzwort, beliebig die eine oder andere Bedeutung angenommen werden. Im vorliegenden Falle nun liegt kein entscheidender Grund vor, es auf Ungeistiges zu beziehen. Vielmehr ist die Rede von dem als ein Erwägendes erwähnten Seienden, und mit diesem wird in Verbindung gesetzt der geistige Çvetaketu. Denn dass dem geistigen Çvetaketu nicht ein ungeistiges Selbst beigelegt werden kann, haben wir bereits gesehen. Somit steht fest, dass das Wort Âtman hier ein Geistiges bedeutet. Und auch das Wort Licht bedeutet in der Anwendung des gewöhnlichen Lebens nur das Brennende und wird auf das Opfer nur angewendet wegen seiner zur Erläuterung herbeigezogenen Analogie mit dem Brennenden. Daher das Beispiel nicht passt.

Eine andre Erklärung [von Sûtram 6-7] geht dahin, dass schon im erstern Sûtram das Wort Âtman durch Ausschliessung alles Denkens an eine Bildlichkeit oder [für Geistiges und Ungeistiges] Gemeinsamkeit desselben | klargelegt werde, und dass sodann in den Worten: »weil von dem in ihm Stehenden Erlösung gelehrt wird« ein selbständiger Grund für die Ablehnung der Urmaterie als Weltursache folge.

Somit ist nicht die ungeistige Urmaterie unter dem »Seienden« zu verstehen. Und warum weiter kann das »Seiende« nicht die Urmaterie [der Sâ khya's] sein? Antwort:

Quelle:
Die Sûtra's des Vedânta oder die Çârîraka-Mîmâṅsâ des Bâdarâyaṇa. Hildesheim 1966 [Nachdruck der Ausgabe Leipzig 1887], S. 41-43.
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