[211] 5. vadati, iti cen? na! prājńo hi, prakaraṇāt
sie sage es, meint ihr? O nein, denn es ist der Erkenner, wegen des Vorhabens.

Hier könnte der Sā khya einwenden: ›eure Berufung darauf, dass »nicht gesagt werde, dass es erkannt werden solle« (Sūtram 1, 4, 4), ist unberechtigt; warum? nun, weil in der That in dem weiterhin Folgenden von der Schrift gesagt wird, dass die unter dem »Unerschlossenen« zu verstehende Urmaterie erkannt werden solle, denn es heisst (Kāṭh. 3, 15):


»Unhörbar und unfühlbar, unvergänglich,

Unsichtbar, ewig, unschmeckbar, unriechbar,

Ohn' End' und Anfang, höher als der Grosse,

Unwandelbar ist er; – wer ihn erkennt,

Der wird erlöset aus des Todes Rachen.«


| Hier wird ja die Urmaterie, so wie sie von der Smṛiti als der Sinneswahrnehmung unzugänglich und dem Mahad (Grossen) überlegen geschildert wird, gerade so als dasjenige, was man erkennen müsse, hingestellt! Dieses muss denn doch die Urmaterie, und diese folglich auch unter dem »Unerschlossenen« zu verstehen sein!‹ – Darauf antworten wir: es ist nicht die Urmaterie, welche hier als das zu Erkennende hingestellt wird, sondern »es ist der Erkenner«, d.h. der höchste Ātman, dessen Erkenntnis hier gefordert wird; so muss man es annehmen; warum? »wegen des Vorhabens«, denn um den Erkenner entspann sich und dreht sich das ganze Vorhaben. Denn es heisst (Kāṭh. 3, 11):


»Dem Geiste ist nichts and'res überlegen,

Er ist das Endziel, er der höchste Gang«;


– hier wird auf den Erkenner hingewiesen. Und (Kāṭh. 3, 12):


»In allen Wesen weilt verborgen er

Als Ātman und tritt nicht aus Licht hervor«;[211]


– hier wird, durch Hervorhebung seiner Schwererkennbarkeit gerade, dem Wunsche, dass man ihn erkennen müsse, Ausdruck gegeben. Und (Kāṭh. 3, 13):


»Es hemme Rede samt Verstand der Weise«;


– hier wird befohlen, dass man, gerade um ihn zu erkennen, die Rede [lies: vāg] u.s.w. hemmen müsse. Und als die Frucht dieser Erkenntnis wird (Kāṭh. 3, 15) die »Erlösung aus des Todes Rachen« verheissen. Dass aber durch eine blosse Erkenntnis der Urmaterie die Erlösung aus des Todes Rachen erreicht werde, das können doch die Sā khya's selbst nicht wollen; denn ihre Annahme geht ja dahin, dass durch die Erkenntnis des geistigen Ātman [ihres Purusha] die Erlösung aus des Todes Rachen bedingt sei. Dass aber der Ātman, eben als der »Erkenner«, die Eigenschaft habe, nicht durch die Sinne, Gehör u.s.w., wahrgenommen werden zu können, das wird ja in allen Vedāntatexten ausgesprochen. Somit kann es nicht die Urmaterie sein, von der hier gesagt wird, dass man sie erkennen solle, noch auch kann sie es sein, welche unter dem »Unerschlossenen« zu verstehen ist.

Quelle:
Die Sūtra's des Vedānta oder die Ēārīraka-Mīmāṅsā des Bādarāyaṇa. Hildesheim 1966 [Nachdruck der Ausgabe Leipzig 1887], S. 211-212.
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