[710] 18. ›yad eva vidyayâ‹, iti hi
denn es heisst: »was er durch das Wissen« ...

Mit Recht ist durch das vorige Adhikaraṇam festgestellt worden, dass die ständigen Werke, Feueropfer u.s.w., wenn sie von dem nach Erlösung Trachtenden mit Absicht auf die Erlösung geübt[710] werden, als Tilgungsmittel der auf ihn geladenen Vergehen, indem sie Ursache werden für eine Läuterung des Wesens, die die Erlösung bewirkende Brahmanerkenntnis bedingen und insofern mit dem Brahmanwissen zu derselben Wirkung beitragen. – Nun kann das Feueropfer u.s.w. so geübt werden, dass es mit dem auf den betreffenden Werkteil sich stützenden Wissen verbunden ist, oder auch so, dass es für sich allein [ohne das Wissen] besteht. Denn es heisst: »wer also wissend opfert«; – »wer wissend das Opfer bringt«; – »wer also wissend lobsingt«; – »wer also wissend den Udgîtha singt«; – »darum soll man nur einen Solches Wissenden zum Brahmán-Priester machen« (Chând. 4, 17, 1); – »darum thun beide das Werk, der Solches weiss und der es nicht weiss« (Chând. 1, 1, 10); – nach diesen Worten kann das Werk mit Wissen verbunden oder auch ohne dieses sein. Nun fragt sich, ob es nur das mit Wissen verbundene, nicht das blosse Werk des Feueropfers u.s.w. ist, welches bei dem nach Erlösung Trachtenden eine Ursache des Wissens bildet, und dadurch mit diesem zur selben Wirkung behülflich ist, oder ob, ebenso wohl wie das mit Wissen verbundene Werk, auch das blosse Werk hierzu dienlich ist? | Woher diese Frage? Weil einerseits in den Worten: »diesen Âtman suchen sie zu erkennen durch Opfer« (vgl. Bṛih. 4, 4, 22) die Opfer u.s.w. ohne Unterschied als Mittel der Erkenntnis des Brahman genannt werden, anderseits hingegen (Chând. 1, 1, 10) ein Vorzug des mit Wissen verbundenen Feueropfers u.s.w. hervorgehoben wird. – Angenommen also, ›nur das mit Wissen verbundene Werk des Feueropfers u.s.w. sei als Ergänzung des Wissens vom Âtman zu betrachten, nicht das vom Wissen entblösste, weil feststeht, dass das mit Wissen behaftete vor dem vom Wissen entblössten Werke den Vorrang hat; denn die Schrift sagt: »an welchem Tage er opfert, an diesem Tage wehret den Wiedertod ab wer Solches weiss« (Bṛih. 1, 5, 2), und die Smṛiti sagt (Bhag. G. 2, 39. 49):


›»Mit dieser Einsicht ausgerüstet

Verlässt der Werke Bindung er.« –


»Weit tiefer steht als Geistes Andacht,

O Siegesheld, das nied're Werk«.‹


– Auf diese Annahme erwidert der Lehrer: »denn es heisst: was er durch das Wissen ...«; d.h.: es ist richtig, dass das mit Wissen verbundene Werk des Feueropfers u.s.w. vor dem vom Wissen entblössten Werke des Feueropfers u.s.w. den Vorzug hat, ähnlich wie ein wissender Brahmane vor einem unwissenden Brahmanen. Gleichwohl aber ist auch das des Wissens ermangelnde Werk des Feueropfers u.s.w. nicht ohne alle Beziehung [auf die Erlösung]; warum? weil in der Stelle: »diesen Âtman suchen sie durch Opfer zu erkennen« (vgl. Bṛih. 4, 4, 22) das Feueropfer u.s.w.[711] ohne nähere Bestimmung als eine Ursache des Wissens erwähnt wird. – ›Aber da es doch feststeht, dass das mit Wissen verbundene Feueropfer u.s.w. vor dem vom Wissen entblössten den Vorzug hat, so kann dieser füglich doch nur darin bestehen, dass das des Wissens ermangelnde Feueropfer u.s.w. als Ursache des Wissens vom Âtman nicht in Betracht kommt.‹ – Dem ist nicht so! denn wennschon dem vom Wissen begleiteten Feueropfer u.s.w., weil es eine grössere Fähigkeit besitzt, das Wissen zu veranlassen, in Bezug auf die Erkenntnis des Âtman natürlich eine grössere Kausalität zuerkannt werden muss, welche in dieser Weise | dem vom Wissen entblössten Werke füglich nicht beiwohnen kann, so sagt doch die Schrift in den Worten: »sie suchen durch Opfer zu erkennen«, dass das Feueropfer u.s.w. ohne nähere Bestimmung zum Wissen des Âtman beiträgt, daher es nicht davon ausgeschlossen werden darf. Denn in diesem Sinne sagt auch die Schrift: »was er durch das Wissen vollbringt, durch den Glauben, durch die Upanishad, das ist wirkungskräftiger« (Chând. 1, 1, 10); wenn hier dem mit Wissen verbundenen Werke des Feueropfers u.s.w. durch seine Bezeichnung als »wirkungskräftiger« ein Vorrang in Bezug auf die betreffende Wirkung zuerkannt wird, so liegt darin doch, dass eben dasselbe, auch wenn es des Wissens ermangelt, zu diesem Zwecke wirkungskräftig ist. Die Wirkungskraft des Werkes aber besteht darin, dass es den auf diesen Zweck gerichteten Mitteln sich zugesellt. Somit ist beides, das mit Wissen verbundene reguläre Feueropfer u.s.w. und das des Wissens ermangelnde, wenn es von dem nach Erlösung Trachtenden mit Hinblick auf die Erlösung als Zweck hier in diesem Leben oder in einem andern vor Aufgang der Erkenntnis betrieben wird, je nach seiner Fähigkeit, dadurch, dass es die als Hindernisse der Brahmanerkenntnis aufgeladenen Verschuldungen tilgt, zu den Ursachen der Brahmanerkenntnis zugehörig und wirkt, weil es als integrierendes Glied in der Kette der Ursachen des Hörens, Überdenkens, Glaubens, Meditierens, Hingegebenseins u.s.w. vorkommt, mit der Brahmanerkenntnis zu einem und demselben Zwecke zusammen, das steht fest.

Quelle:
Die Sûtra's des Vedânta oder die Çârîraka-Mîmâṅsâ des Bâdarâyaṇa. Hildesheim 1966 [Nachdruck der Ausgabe Leipzig 1887], S. 710-712.
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